An Rhein und Ruhr. .
Nordrhein-Westfalen droht ein neuer Umwelt-Skandal: Hunderte von Gewässern sind mit hochgiftigen Bioziden belastet. Das belegen umfangreiche Messdaten des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv), die der NRZ vorliegen. Sie dokumentieren Tausende von Grenzwertüberschreitungen. Betroffen ist unter anderem die Ruhr, aus der Trinkwasser gewonnen wird. Toxikologen und Umweltmediziner sind besorgt.
Die NRZ hat rund 37 000 Proben der Landesumweltbehörde ausgewertet. Sie weisen Biozide in NRW-Gewässern von 1992 bis 2012 nach. In der Spitze sind die Belastungen immens. Höchstwerte der giftigen Substanzen liegen stellenweise 50-fach über der Zielvorgabe des Umweltbundesamtes. Allein im Überwachungszeitraum von 2008 bis 2011 notierte das Lanuv 438 Grenzwertüberschreitungen. 2012 folgten rund 220 weitere Messergebnisse im roten Bereich.
Biozide töten Leben. Sie vernichten alle Organismen, die als schädlich gelten. Viele der Substanzen sind in die höchste Wassergefährdungsklasse eingestuft. Sie zerstören das biologische Gleichgewicht, verhindern die Zellteilung oder führen zu genetischen Defekten. Einige Biozide stehen im Verdacht, Krebs zu erzeugen. Gesundheitliche Folgen für den Menschen sind noch nicht absehbar.
Biozide kommen vielerorts zum Einsatz, etwa als Pestizide in der Landwirtschaft oder als Desinfektionsmittel im Haushalt. Nach Recherchen der NRZ belasten nun immer mehr Biozide aus wärmegedämmten Gebäudefassaden die Umwelt. Die wasserlöslichen Stoffe, die Hauswände vor Algen und Schimmel schützen sollen, werden vom Regen ausgewaschen und gelangen ins Oberflächenwasser. Das bestätigen Forschungsergebnisse. Zu den stark belasteten Gewässern zählen Rhein, Ruhr, Emscher, Lippe, Weser, Ennepe, Sieg, Volme, Wupper, Stever und Werse sowie viele Nebenflüsse.
Das Umweltbundesamt hält die Entwicklung für „absolut nicht wünschenswert“. Die Giftquellen müssten zügig ermittelt werden, so eine Sprecherin. Der Umweltmediziner Herbert Lichtnecker erwartet angesichts der Belastungen „zuerst negative Folgen für die Gewässer, und irgendwann für den Menschen“. Für das Lanuv besteht „kein konkreter Anlass zu erhöhter Besorgnis“. Die Entwicklung sollte aber „weiterhin intensiv überwacht werden“.