Bonn. . Am Tag, nachdem am Bonner Bahnhof eine verdächtige Tasche gefunden und gesprengt wurde, ist klar: Es handelte sich tatsächlich um einen gefährlichen Sprengsatz. Wer ihn auf Gleis 1 deponiert hat, ist aber weiterhin unklar. Der zunächst festgenommene Mann ist wieder auf freiem Fuß, nun fahndet nach Polizei nach einem Unbekannten aus einer Videoaufzeichnung.
Ein Blutbad wäre unvermeidlich gewesen, im und um den Bonner Hauptbahnhof, oder in einem Zug, der die Stadt verlassen hätte – wenn sie hochgegangen wäre, die Bombe. Ob und unter welchen Umständen sie explodiert wäre, das wusste auch am Tag zwei nach Entdeckung der ominösen blauen Tasche an Gleis 1 noch niemand. Doch langsam wird klar, wie nah die Katastrophe war.
„Eine beachtliche Sprengkraft“, „große Splitterwirkung“ und „ein sehr gefährlicher Feuerball“ hätten „erheblichen Schaden für Menschen“ verursacht. Der Leitende Kölner Polizeidirektor Norbert Wagner schilderte am Mittwoch, was passiert wäre, wenn. In der Tasche habe das Potenzial für ein Schreckensszenario gesteckt: vier Butangaskartuschen, ein Metallrohr mit Ammoniumnitrat, drei Batterien und ein Wecker – „kein dummer Jungenstreich“, eine Bombe, das Werk von Profis. Warum sie nicht detonierte, wissen die LKA-Experten frühestens Donnerstag.
Ein körniges und unscharfes Video als heißeste Spur
Bis zum Mittwoch wurde der Öffentlichkeit das Phantombild eines Dunkelhäutigen als mögliches Gesicht des Terrors präsentiert. Es zeigt einen Mann, von dem selbst Ermittler sagen: „Den finden wir in jeder Fußgängerzone.“ Seit gestern Abend gibt es bewegte Bilder von einem neuen Hauptverdächtigen. Ein Video zeigt, wie eine hellhäutige Person die McDonald’s-Filiale gleich neben Gleis 1 betritt und wieder verlässt.
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Die Aufnahme, körnig und unscharf, ist die „ganz heiße Spur“, der die Ermittler jetzt folgen. Die Person – eher Mann als Frau – trägt eine helle Jacke, dunkle Hose, Mütze, Schal. Und „nach derzeitigem Stand der Ermittlungen die Tasche mit dem Sprengsatz“, da ist sich Wagner „sehr sicher“ – obwohl er weiß, dass die Tasche aus dem Video farblich anders erscheint als die vom Bahngleis. Die wirkt bübchenblau, die in der Hand des McDonald’s-Besuchers eher königsblau. Trotzdem sagt die Polizei: „Wir können uns vorstellen, dass diese Person die Tasche im Bahnhof abgestellt hat.“
Rätselhafte neun Minuten
Wenn die Zeiteinblendung auf dem Video stimmt, kam die unbekannte Person um 12.40 Uhr und ging um 12.49 Uhr. Was in den neun Minuten hinter dem Pfeiler der Fastfood-Bude geschah, hinter dem sie verschwand, ob die Person dort gegessen, jemanden getroffen oder die Bombe scharf gestellt hat, das sind einige der großen offenen Fragen. Es gibt auch kleinere ungeklärte Sachverhalte von enormer Bedeutung. Einer betrifft den Dunkelhäutigen auf dem Phantombild. Er habe ihnen die Tasche „vor die Füße geschoben“, sagen der 13- und der 14-jährige Junge, auf deren Aussagen sich die Polizei stützt. Dann sei der Mann weggelaufen.
Ist das die Wahrheit? Die Ermittler glauben es. „Die Jungen sagen uns das, was sich dort ereignet hat.“ Und was ist der Farbige auf dem Phantombild: Täter? Mittäter? Zeuge? Alles denkbar, letzteres sei er ganz sicher, sagen die Ermittler.
Viel Denkbares, wenig belastbares
Wie bei Omar D., den am Dienstag gefassten und nachts wieder aus dem Polizeigewahrsam entlassenen Ex-Verdächtigen. Als islamistischer Gefährder und Terrorverdächtiger war der Somalier 2008 vom Landeskriminalamt festgenommen worden. Weil er „eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Phantombild“ habe, zudem „aus dem salafistischen Spektrum kommt“, habe man ihn nun erneut geschnappt, sagte Wagner. Seit er wieder frei ist, sprechen weniger Fahnder von einem salafistischen Hintergrund. Von Abdirazak B., der bisher als möglicher Komplize von Omar D. galt, redete am Mittwoch niemand mehr. Wahrscheinlich sehr klein, aber ungeheuer wichtig, ist der Zünder, von dem noch jede Spur fehlt. Bei der Suche nach der „Stecknadel im Gleisbett“ fanden die Ermittler bisher nur eine kleine Glühbirne. „Sie könnte aus dem Wecker stammen“, heißt es. Aus jenem Wecker, der den Countdown ins Verhängnis hätte einläuten können.