Bonn. Bonn ist am Montag womöglich nur knapp einem Bombenanschlag von Salafisten entgangen. Die Polizei nahm am Dienstag den Deutsch-Somalier Omar D. fest. Nach Abdirazak B., einem langjährigen Wegbegleiter von D., wurde landesweit gesucht. Beide gelten bei Sicherheitsbehörden als islamistische Gefährder.
Am frühen Morgen des 26. September 2008 verspielte das Landeskriminalamt (LKA) vielleicht die große Chance, zwei gefährliche Islamisten langfristig unter Kontrolle zu behalten. Damals erteilte die Düsseldorfer Behörde der Bundespolizei einen Auftrag: Zugriff auf dem Flughafen Köln-Bonn. In einer Maschine der niederländischen Fluggesellschaft KLM nahmen Beamte daraufhin zwei Terrorverdächtige fest. Es waren möglicherweise die Männer, die am Montag mutmaßlich eine Bombe in einer Tasche im Bonner Hauptbahnhof deponierten. Bestätigt sich dieser Verdacht, dann hätte das LKA ein Problem.
Zugriff auf dem Rollfeld
Denn der spektakuläre Einsatz auf dem Rollfeld erwies sich früh als Luftnummer. Der Somalier Abdirazak B. und der in Somalia geborene Deutsche Omar D. kamen schon nach 14 Tagen wieder frei. Die Fahnder hatten schlicht zu wenig in der Hand. Die Staatsanwaltschaft Bonn ermittelte lediglich wegen einer „Verabredung zu einem Verbrechen“ – bei Terrorverfahren eine Lappalie. Unter einer Haftbeschwerde der Verteidiger brach die dünne Beweisdecke zusammen. „Beinahe hätten wir jetzt die Quittung dafür bekommen“, hieß es am Dienstag hinter vorgehaltenen Händen in Berliner Sicherheitskreisen.
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Schon 2008 war das Landeskriminalamt NRW unter Beschuss geraten. Der Behörde sei „offenbar die Düse gegangen“, erinnern sich Terrorexperten heute. Im damaligen Sog der Suche nach dem islamistischen Top-Terroristen Eric Breininger lagen offenbar die Nerven blank. Jedenfalls interpretierten die Düsseldorfer Ermittler private Botschaften zwischen Omar D. und seiner Freundin als „Abschiedsbriefe“. Die LKA-Deutung: Ein Selbstmordattentat sei nicht auszuschließen. „Eine Überreaktion, unprofessionell und unverhältnismäßig“, kritisieren Sicherheitskreise den Flughafeneinsatz bis heute: „Man hätte die beiden Somalier ruhig düsen lassen sollen.“
Tatsächlich standen Abdirazak B. und Omar D. damals unter ständiger Beobachtung. Geheimdienste und Sicherheitsbehörden hatten die beiden Verdächtigen auf dem Schirm. Sie wollten über Amsterdam nach Entebbe/Uganda fliegen. „Eine kontrollierte Ausreise wäre kein Problem gewesen“, sagt ein Fahnder. Im Gegenteil: Dann hätte man die Wege möglicher Terrorkandidaten gut nachvollziehen können, „vielleicht bis in ein Terrorlager nach Pakistan“. Deshalb sei der „vorschnelle Zugriff“ auf dem Airport Köln-Bonn „kontraproduktiv“ gewesen.
Größen der Bonner Islamisten-Szene
Zumal die Sicherheitsbehörden die Aktivitäten der gebürtigen Somalier in Deutschland aus den Augen verloren. Nur in der Terrordatenbank tauchten sie noch auf: als „islamistische Gefährder“. Und in der Bonner Islamisten-Szene galten sie als bekannte Größen. Seit der bundesweiten Fahndung mag ihr guter Ruf dort gefestigt sein.
Das LKA wollte sich am Dienstag nicht zu den beiden Verdächtigen äußern. Man fungiere lediglich als „Servicebehörde“ für die ermittelnde Polizei in Köln, hieß es. Als solche prüft das LKA noch immer, ob die „Bombe“ im Bonner Hauptbahnhof einen funktionsfähigen Zünder besaß. Am Montag hatte ein sogenanntes „Wassergewehr“ die mit Pulver und Metallteilen bestückte Tasche unschädlich gemacht. Der Wasserdruck zerriss die Tasche. „Jetzt werden alle Puzzleteile wieder zusammengesetzt und untersucht“, sagte ein Polizeisprecher.
Ungeachtet der Festnahmen veröffentlichte die Kölner Polizei am Dienstag das Phantombild eines Tatverdächtigen, verteilte es rund um den Bonner Hauptbahnhof. Demnach suchen die Behörden nach einem dunkelhäutigen Mann im Alter zwischen 30 und 35 Jahren. Ein 14 Jahre alter Schüler habe den Ermittlern berichtet, dass der Tatverdächtige die Tasche am Gleis abgestellt habe. Ob es sich bei dem Gesuchten um Abdirazak B. handelt, blieb bis zum Abend unklar.