Essen. . Die Online-Abstimmung zum Jugendwort des Jahres zeigt einen klaren Favoriten: Akk – das dadaistische Universalwort einer Essener Hip-Hop-Crew. Aber hat es eine Chance in der Langenscheidt-Jury? Bislang mussten die Gewinner immer Sinn machen.

Ein paar Tage noch, dann habe wir den Shizzl. Das neue Jugendwort des Jahres. Shizzl (= Unnützes Gedissel, gern als Reim gebraucht) wird es allerdings wohl nicht werden. Die Jury des Langenscheidt-Verlags wird sich am Ende, nämlich im November, wohl eher gegen Shizzl und für ein Jugendwort mit mehr Gewicht, mehr Bedeutung, mehr kritischem Nutzen entscheiden.

Für sowas wie „wulffen“ = auf Kosten anderer leben oder jemandem die Mailbox vollquatschen. Oder zumindest für was lustiges (wenn auch leicht gequältes) wie „Waschbärfresse“ = ein Mädel mit zu viel Augen-Make-up. Aber wenn das Jugendwort des Jahres nur spiegelt, was Erwachsene relevant oder amüsant finden – was soll dann der ganze Shizzl-Dissl?

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Nun kann man Shizzl, das aus der Hip-Hop-Szene stammt, getrost als veraltet abtun. Hey, Snoop Dogg macht jetzt Reggae! Das scheinen auch die Internet-User zu ahnen, die immerhin die vorgegebenen Kandidaten per Voting bis zum 31. Oktober auf 15 eingrenzen dürfen, bevor die Jury loslegt. Shizzl ist zwar noch im Rennen, aber der unangefochtene Liebling der mutmaßlich jugendlichen Abstimmungsteilnehmer ist: „Akk“ – gesprochen wie Akne. 62,6 Prozent! Vorausgesetzt, es wurde nicht manipuliert, ist das „leider geil“ (was mit 4,6 Prozent auf dem zweiten Platz landet). Klare Sache? Nein, denn Akk ist mal so ein richtiges Shizzl-Wort. Ein „universelles Ersatzwort“. Vollkommen sinnlos, aber mit einer Philosophie dahinter. Hat es eine Chance?

Die Konkurrenz passt jedenfalls in die üblichen Kategorien. Personalisierung: „geröttgert werden“ = rausgeschmissen werden. Kritische Wortspiele: „Komasutra“ = versuchter Geschlechtsverkehr zwischen zwei sehr betrunkenen Personen. Assoziative Grammatik: „griechen“ = verschwenden. Lustige Pseudo-Übersetzungen: „Funky Hole“ = Funkloch. Und Abkürzungen: „YOLO“ = „you only live once – nutze deine Chance“.

Von der „Gammelfleischparty“ zu „swag“

Und schauen wir mal auf die Gewinner der vergangenen Jahre: Gammelfleischparty (Ü30-Partys), hartzen (rumhängen), Niveaulimbo (selbsterklärend) – allesamt Wörter mit kritischem Unterhaltungswert. Nun hat zwar vergangenes Jahr mit „swag“ ein Wort das Rennen gemacht, das zunächst nicht ganz so relevant erscheint. Aber immerhin ist „swag“ das neue „cool“. Angeblich. Da findet auch die Elterngeneration ihren Anknüpfungspunkt, zumal „cool“ schon das neue „geil“ war. Knorke, oder? Außerdem kommt das Wort ja vom englischen „swaggerer“ = Aufschneider. Und auch die positive Umdeutung durch die Hip-Hop-Szene verrät einiges über den hoffentlich ironischen Blick einer Generation auf Materialismus und Selbstdarstellung. Und das macht „swag“ schon deutlich wichtig-popichtiger als „Akk“. Für Erwachsene jedenfalls.

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Was also soll Akk? Sorry, aber die reiferen Leser werden den ganzen Artikel benötigen, um ansatzweise zu verstehen, was damit gemeint ist. Denn Akk ist gleichzeitig Ausdruck von pubertärer Unreife und avantgardistischer Geniestreich. Zufalltreffer oder Schwinger einer Crew, die „völlig behinderte Texte auf Scheiß-Beats“ produziert, aber sicher auch diese Aussage ironisch meint?

„Ey, wat is akk? Dat is dat, wat ich mach, wennich nich dat mach, wat Mama sacht! Ey jo, akk is nich geklaut, akk is nich von Mars Attacks, und akk ist meine Frau – und deine auch.“

Tja, das hat es nicht erklärt. Aber das ist der Ursprung. Akk kommt aus Essen. Die Hip-Hop-Crew „257ers“ hat’s erfunden – ihr Bandname leitet sich von der Postleitzahl von Kupferdreh ab. Und die Junx ziehen das Ding voll durch: Akk!-Lieder, ein Album als limitierte Akk!-Sonderedition, Heimvideos als Akk-TV auf YouTube. Respekt, so kultiviert man ein Alleinstellungsmerkmal. Das Wort wird zur Akktionskunst, schon weil sich so viele Kunstfreunde an der Akktion beteiligen. Drehen wir uns im Kreis? Nun, entweder man versteht intuitiv, was uns Akk sagen soll – oder man fragt in diversen Foren nach.

„jayjay123“ hat die beste Antwort: „akk is deren zauberspruch!“

Die zweitbeste Antwort: „Chuck Norris kennt die Definition von AKK.“ Aber Chuck Norris teilt auch durch Null.

„Ey, wenn ich akk, akk ich meistens nur zum Ausdruck der Freude, andere rausrupfen Bäume, ich zieh am Auspuff und träume: akk akk akk!“

Akk bedeutet also alles und nichts: Zum Beispiel „egal“, wie die Langenscheidt-Redaktion vermutet – aber auch „Hallo“ oder „Akkusativ“ oder einfach alles, was man sich vorstellen kann. Ein dadaistisches Sprachspiel. AKKtimel AKKtiviert AKKwehrkräfte! Puh, aber das kalauern die User wirklich. Muss ja nicht alles Sinn machen, die Jugend ist so frei.

Rebellion durch Nihilismus

Wenn wir nun zwanghaft etwas Gesellschaftskritik hineininterpretieren wollen, dann vielleicht so: Die Negierung von Sinn ist in einer auf Sinneffektivität getrimmten Welt die letzte Möglichkeit des Aufbegehrens. Vielleicht. Oder so. besser nicht. Warum muss das Jugendwort des Jahres immer Sinn machen?

Oder hat Akk durch genau solche gedanklichen Klimmzüge am Ende doch noch eine Chance? Vielleicht überrascht uns die Langenscheidt-Jury ja, auch auf die Gefahr hin, dass 95 Prozent der Zeitungsredakteure und Leser sich verständnislos abwenden. Und das wäre nicht gut. Schließlich ist der ganze Wettbewerb im Grunde Werbung und Wortakquise für ein Lexikon der Jugendsprache.

Aber dass Akk nun endlich in der Auswahl gelandet ist, spricht am Ende doch für den Verlag. Der User „Gabriel“ schlug es im Forum schon im Juli 2009 vor. Lange und länger musste Langenscheidt offenbar drüber nachdenken, was die 257ers hiermit meinen – bis man eventuell zu dem Schluss gelangte, dass es vollkommen egal ist:

„Akk is’ auf Kickertischen pokern – und beide Spiele nicht verstehen.“