Darmstadt. .
"Döner-Morde" ist das Unwort des Jahres 2011. Die Jury der sprachkritischen Aktion hat es unter mehreren hundert Vorschlägen ausgewählt, wie Jury-Sprecherin Nina Janich am Dienstag in Darmstadt mitteilte. Mit dem Wort werden ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt und die Opfer selbst in höchstem Maße diskriminiert, indem sie aufgrund ihrer Herkunft auf ein Imbissgericht reduziert werden, hieß es zur Begründung.
Neben den "Döner-Morden" wählte die Jury auch die Begriffe Gutmensch und Marktkonforme Demokratie als Unworte des Jahres 2011. Mit dem Ausdruck Gutmensch "wird insbesondere in Internet-Foren das ethische Ideal des 'guten Menschen' in hämischer Weise aufgegriffen, um Andersdenkende pauschal und ohne Ansehung ihrer Argumente zu diffamieren und als naiv abzuqualifizieren", erklärte die Jury. Der Ausdruck werde zwar schon seit 20 Jahren in der gerügten Weise benutzt. "Im Jahr 2011 ist er aber in unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Kontexten einflussreich geworden und hat somit sein Diffamierungspotential als Kampfbegriff gegen Andersdenkende verstärkt entfaltet."
Begriff aus Statement von Kanzlerin Merkel hatte auch Unwort-Potential
Die Wortverbindung marktkonforme Demokratie steht laut Unwort-Jury "für eine höchst unzulässige Relativierung des Prinzips, demzufolge Demokratie eine absolute Norm ist, die mit dem Anspruch von Konformität mit welcher Instanz auch immer unvereinbar ist". Der Begriff gehe laut Jury auf ein Statement von Bundeskanzlerin Angela Merkels zurück, "wonach Wege zu finden seien, 'wie die parlamentarische Mitbestimmung so gestaltet wird, dass sie trotzdem auch marktkonform ist'.“ Die Wortverbindung stehe "für eine bedenkliche Entwicklung der politischen Kultur", urteilte die Jury.
Janich machte auch das Börsen-Unwort 2011 bekannt: Es ist "Euro-Gipfel". Diese Entscheidung wurde gemeinsam mit der Börse Düsseldorf getroffen. Janich, Sprachwissenschaftlerin an der TU Darmstadt, trat zum ersten Mal als Jury-Sprecherin auf, nachdem der langjährige Jury-Sprecher Horst-Dieter Schlosser im vergangenen Jahr auf eigenen Wunsch ausgeschieden war.
Über 2400 Vorschläge zur Wort-Wahl
Mehr als 2400 Vorschläge waren für die Wahl des Unworts eingereicht worden. Am häufigsten nannten die Einsender nach Angaben der Jury "Dönermord", "Stresstest" und "Rettungsschirm".
"Stresstest" wurde im Dezember bereits von der Gesellschaft der Deutschen Sprache zum Wort des Jahres gewählt. Das Unwort 2010 war "alternativlos", womit Politiker die von ihnen bevorzugten Lösungsansätze bezeichneten. Der Jury gehört in diesem Jahr auch der CDU-Politiker Heiner Geißler an. Bis zum vergangenen Jahr war der emeritierte Frankfurter Sprachwissenschaftler Horst-Dieter Schlosser Juryvorsitzender. Er hat das Amt inzwischen an Janich weitergegeben.
Die weitere Jury der Aktion „Unwort des Jahres“ besteht aus den Sprachwissenschaftlern Kersten Sven Roth (Universität Zürich), Jürgen Schiewe (Universität Greifswald) und Martin Wengeler (Universität Trier) sowie dem Journalisten Stephan Hebel (Frankfurter Rundschau). (dapd/dae/WE)