Essen. . Mit Nicolas Berggruen an der Spitze sollte es bergauf gehen. Jetzt sind die Sorgen bei den Mitarbeitern des Kaufhauses zurückgekehrt, die Angst vor Entlassungen oder gar Schließungen wächst - ähnlich wie bei Opel.
Ein bisschen ist Karstadt wie Opel: Hoffen und Bangen, Hoffen und Bangen, Zermürbung in Endlos-Schleife. Nur war bei Karstadt irgendwann die Hoffnung größer. Sie hieß Nicolas Berggruen, und die Hoffenden feierten ihn wie einen Popstar. „Idol“ nannten sie den smarten Deutsch-Amerikaner, der mit seinen Milliarden den Konzern zu retten versprach, und bauten ihrem „Hoffnungsträger“ in der Karstadt-Kantine zu Essen ein Podest mit Rednerpult. Die Mitarbeiter, erschöpft vom einjährigen Insolvenzverfahren, feierten und fotografierten ihn.
Nun, fast genau zwei Jahre später – Opel ist die Hoffnung in Person eines Sanierers gerade mal wieder abhanden gekommen – kehrt auch in den Warenhaus-Konzern die Ernüchterung zurück. Und sie kommt ohne Berggruen. Statt des jugendlich wirkenden Milliarden-Erben mit dem vollen Haarschopf erscheint am Dienstag der eher kahle Vorstandschef Andrew Jennings in der Essener Karstadt-Zentrale. Früh um 8.30 Uhr in der sterilen Eingangshalle, während die Belegschaft auf den Treppen steht.
Nicolas Berggruen wollte nicht am Personal sparen
Karstadt atmet auf
Was er zu sagen hat, wissen die Mitarbeiter da schon, sie haben es aus den Abendnachrichten erfahren oder aus der Zeitung, wie die Gewerkschaft im übrigen auch: Karstadt streicht 2000 Stellen. Manchem mag da in den Ohren geklingelt haben, was Nicolas Berggruen gesagt hat vor nicht einmal 23 Monaten: Er wolle an den Mieten sparen, nicht am Personal. Und wie er wiederholte, zur Weihnachtszeit 2010: Man werde niemanden entlassen. „Wir halten alles, was wir angekündigt haben.“ Hatten sie den neuen Investor damals nicht auch deshalb so bejubelt, weil seine Mitbewerber ihr Heil in personellen Einschnitten gesehen hatten?
„Wir haben keine andere Wahl“, erklärt Berggruens oberster Angestellter nun. In der Mitteilung vom Montag heißt das „Anpassung alter Strukturen“, es ist die „nächste Phase der strategischen Neuausrichtung“. So schmerzhaft, ließ Andrew Jennings sich dort zitieren, diese Maßnahmen für die betroffenen Mitarbeiter seien, „so notwendig sind sie“. Verstehen mag das unter den Mitarbeitern so recht niemand. Denn in einem Interview räumt der Karstadt-Chef ja ein, dass alle 83 Filialen einen „positiven Ergebnisbeitrag“ zum Erfolgskurs leisten. Wann hat es zuletzt eine so gute Nachricht aus dem gebeutelten Konzern gegeben? Dennoch kursiert eine interne Liste, in denen 15 Häuser mit überdurchschnittlichen Umsatzrückgängen genannt sind – darunter Düsseldorf, Duisburg und Dortmund.
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Jennings betont zwar, dass er kein Waren- oder Sporthaus schließen will. Nur die „Effizienz weiter steigern“ möchte er, die Wettbewerbsfähigkeit verbessern – und das mit weiterem Personalabbau. Womit er erwartungsgemäß auf massive Kritik der Gewerkschaft stößt. „Ein falsches Signal“, sagt Lieselotte Hinz, Leiterin des Landesfachbereichs Handel bei Verdi in NRW, die von den neuen Plänen ebenfalls aus der Presse erfahren hat. „Schon jetzt gibt es in einigen Abteilungen keine vernünftige personelle Besetzung.“ Es sei „fatal“, so Hinz, dass der Konzern auf nicht erreichte Umsatzziele mit Arbeitsplatzabbau reagiere. „Das Unternehmen müsste im Gegenteil mehr Service bieten, um mehr Kunden in die Läden zu holen.“
Strategie „2015“ ging bislang auf
Die Mitarbeiter selbst sagen öffentlich dazu wenig, zu groß ist die Angst, schon wieder. Eine Verkäuferin gesteht anonym ihre „Überraschung“: „Ich frage mich nur, wo Stellen abgebaut werden können. In den Filialen arbeiten sowieso schon wenig Mitarbeiter, aber die Stellen können auch nicht nur in der Verwaltung abgebaut werden.“
Dabei waren Verdi und die neue Karstadt-Führung seit der Rettung im Sommer 2010 lange Zeit einer Meinung. „Die Strategie ,Karstadt 2015’ ist der richtige Weg“, betonte noch zu Wochenbeginn der Verdi-Sprecher Christoph Schmitz. Dazu gehören ein neues Warensortiment und der Abbau von Bürokratie in den Filialen. 24 Häuser wurden bereits für 160 Millionen Euro modernisiert. Jetzt aber, da für die verbliebenen 24 000 Mitarbeiter am 1. September nach acht Jahren der schmerzhafte Gehaltsverzicht zu Ende geht, kommt der Vorstand mit dem nächsten Nackenschlag. Hinter den 2000 Stellen, die wegfallen sollen, stecken wegen der vielen Teilzeitkräfte 3000 Menschen, die bis 2014 ihre Jobs verlieren „Sozialverträglich“, wie Jennings unterstreicht.
Doch was heißt das? Die Hoffnung hat sich aufgelöst in der nächsten großen Unsicherheit. Wie bei Opel auch.