Düsseldorf. . Mit den Piraten zieht eine neue Partei in den Landtag ein. Das stellt nicht nur die Verwaltung vor Herausforderungen, sondern auch die Piraten selbst. Öffentliche Fraktionssitzungen, Rückkopplung mit der Basis - die Piraten wollen sich auch als Parlamentarier treu bleiben. Und ganz viel lernen.

Wohin nur mit den Piraten? Seit Sonntag geht es nicht mehr bloß um die inhaltliche Einordnung des neuen Phänomens in der deutschen Parteienlandschaft. Im Düsseldorfer Landtag stellt sich auch eine schlichte räumliche Frage: 20 Parlamentsneulinge samt Mitarbeiterstab müssen innerhalb weniger Tage in dem Rundbau am Rhein untergebracht werden. Zusammen mit so vielen NRW-Abgeordneten wie seit 20 Jahren nicht mehr.

Zunächst hat ein schlichter Arbeitsraum zu genügen, den die Landtagsverwaltung eilig als erste Anlaufstelle zur Verfügung hält. Überhaupt tasten sich die Piraten am Tag danach eher vorsichtig in die Berufspolitik, als dass sie das Abgeordnetenhaus entern. Joachim Paul, der redegewandte Spitzenkandidat, kokettiert ein wenig mit der Rolle der Piraten als sympathische Polit-Azubis. „Von jetzt ab zwei Jahre“ benötige man, um das Parlamentsgeschäft zu lernen und regierungsfähig zu werden, erklärt er.

Piraten setzen auf öffentliche Fraktionssitzungen

Mit den Piraten soll in der NRW-Landespolitik alles ein wenig anders werden. Fraktionssitzungen finden öffentlich statt, jeder kann sie demnächst im Internet live verfolgen. Die Piraten scheint nicht zu schrecken, dass die Grünen in ihren Gründungstagen mit derartigen Transparenzversuchen starteten - und schnell feststellen mussten, dass sich Politik auf dem offenen Markt nicht immer professionell organisieren lässt.

„Basisdemokratie ist unsere ständige Rückkopplung“, betont der Landesvorsitzende Michele Marsching. Dennoch soll die „gelebte Interaktion“ mit der Netzgemeinde Grenzen kennen. Eine Selbstlähmung durch unzählige Internet-Abstimmungen zu jedem Parlamentsantrag wird es demnach nicht geben. Die Abgeordneten seien gewählte und unabhängige Volksvertreter, die ein Meinungsbild der Parteibasis „in Richtungsfragen“ abrufen wollen, erklärt Paul. Und natürlich zur Gewinnung von „zusätzlichem Prozesswissen“.

Ein Feuerwehrmann und ein Polizeikommissar sitzen für die Piraten im Landtag

Mit den vielen Mitarbeiterstellen in der Fraktion, die nun ausgeschrieben werden dürfen, will man zudem Wissen importieren. „Jeder kann sich bewerben“, verkündet Paul großzügig. Pöstchengeschacher wollen sie den Etablierten überlassen.

Den bei anderen Parteien üblichen „Fraktionszwang“ lehnen die Piraten ebenfalls ab. So kann es gut sein kann, dass Hannelore Kraft bei ihrer Wiederwahl zur Ministerpräsidentin im Landtag zusätzliche Stimmen erhält. Getreu dem Facebook-Motto: Gefällt mir!

Es sind beileibe keine Spinner, die sich da im Landtag breit machen. Neben dem promovierten Biophysiker und Medienpädagogen Paul zählt die Fraktion laut Eigenlob „einen Kompetenzmix“ aus IT-Fachleuten, Lehrern oder Kaufmännern. Ein Feuerwehrmann und ein Polizeikommissar sind auch dabei.

Grüne strecken die Fühler nach den Piraten aus

Die Grünen strecken bereits die Fühler nach dem neuen Wettbewerber aus. Die Parteivorsitzenden Monika Düker und Sven Lehmann etwa können sich vorstellen, angestrebte Verfassungsänderungen wie die Absenkung des Wahlalters in NRW auf 16 gemeinsam mit den Piraten anzugehen. „Ja, wir sind auch dafür“, kommentiert Paul sofort ungezwungen. Allerdings müsste Rot-Grün für die nötige Zweidrittel-Mehrheit auch noch die FDP ins Boot holen.

Es wird bunter in Düsseldorf. An diesem ersten Tag allemal. Als Dankeschön für die erste Pressekonferenz verteilen die Piraten unter den Journalisten Gummibärchen.