Essen. Das sensationelle Ergebnis der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sorgt für in Berlin für politische Beben: Norbert Röttgen ist geschwächt, Philipp Rösler kaum gestärkt. Angela Merkel muss reagieren, Sigmar Gabriel die K-Frage klären.

Norbert Röttgen

Früher haben sie gespottet über Gerhard Schröder. Für Wahlverlierer wie Hans Eichel war in seinem Kabinett Platz. Angela Merkel verfährt nun ähnlich mit Norbert Röttgen. Er bleibt ihr Umweltminister. Röttgen bot der Kanzlerin nicht seinen Rücktritt an, sie entzog ihm nicht ihr Vertrauen. An Niederlagen kann man wachsen. Probiert er es mit Demut? Zumindest sollte er wissen, wem er die Gnade der zweiten Chance verdankt: Merkel. Er ist in ihrer Schuld. Das diszipliniert. So ging schon auch Helmut Kohl, von dem Merkel sich viel abgeschaut hat, mit Ministern um, die auf seine Solidarität angewiesen waren. Es wäre kontraproduktiv gewesen, Röttgen auszutauschen. Bisher galt er als po­tenzieller Nachfolger. Nun muss sich Röttgen hinten anstellen. Viele Feinde hat er ohnehin. Die werden aus der Deckung kommen.

Sigmar Gabriel

Die Selbstzweifel seien „vom Tisch“, jubelt die SPD. Für die Sozialdemokraten ist Hannelore Krafts Sieg ein Aufbruchsignal. Die Partei schaltet auf Wahlkampfmodus um. Heute tritt die „Troika“ demonstrativ in Berlin auf. So machen die Chefs von Fraktion (Frank-Walter Steinmeier) und Partei (Sigmar Gabriel) und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück klar, dass einer von ihnen die Kanzlerin herausfordern wird. Aber wer? Für Steinbrück hat sich Altkanzler Gerhard Schröder stark gemacht. Die Troika will Wachstumsimpulse in Europa anmahnen. Steinmeier leistete dafür Vorarbeiten. In NRW wurde nach SPD-Lesart auch Merkels Spardiktat abgestraft. Gestern segnete die SPD-Führung die Kampagne für 2013 ab. Manches spricht dafür, dass die K-Frage nach der Niedersachsen-Wahl im Januar beantwortet wird.

Philipp Rösler

Der FDP-Chef sagt es selbst: Für die Bundespartei, also für ihn, seien die Wahlergebnisse in NRW und Schleswig-Holstein „ein Stück Vorschussvertrauen“ gewesen: „Wir müssen das rechtfertigen.“ Ob ihm das gelingt, davon wird Philipp Röslers politische Zukunft abhängen. Akut um seinen Posten fürchten muss er nach den Erfolgen in Kiel und Düsseldorf nicht. Eine Personaldebatte mitten in der Genesungsphase wird sich die Partei nicht leisten wollen. Der Umstand aber, dass sie in zwei Ländern mit attraktiven Spitzenkandidaten über acht Prozent gewinnt, während sie in bundesweiten Umfragen un­ter der 5-Prozent-Marke dümpelt, bleibt nicht unbemerkt. So ist Rösler fürs erste ein Parteichef auf Bewährung. Im Januar muss sich die FDP in seiner Heimat Niedersachsen zur Wahl stellen: Ein bedeutsamer Termin auch für Rösler.

Angela Merkel

Natürlich melden sich jetzt die Kritiker. „Die Bundespartei zieht nach un­ten“, bilanziert die CDU-Mittelstandsvereinigung das Wahldesaster in NRW. Angela Merkel gibt sich unbeeindruckt: Der Sieg der SPD habe „mit der Spitzenkandidatin zu tun“ – soll wohl heißen: Es war nicht in erster Linie eine Abstimmung gegen die CDU. Im übrigen sei den Menschen klar gewesen, „dass ich dort jedenfalls nicht zur Wahl stehe“. Schnell zurück zum Regierungsalltag lautet in der Berliner CDU-Zentrale die Parole. Immerhin hat sich die FDP stabilisiert, was die anstehenden Gespräche über strittige Themen, etwa den Mindestlohn, womöglich erleichtert. Dem Wahljahr 2013 blickt Merkel mit gewohnter Gelassenheit entgegen. Auch der Aussicht, es dann bei der SPD vielleicht mit einer Kanzlerkandidatin zu tun zu bekommen.