Essen. . Seit Mittwoch ist es amtlich: Der Drogist Schlecker will fast die Hälfte seiner Filialen schließen, sich von 11.750 Mitarbeitern trennen. Bei den Beschäftigten geht nun die Angst um. Die Nachricht von den radikalen Stellenstreichungen war für viele ein Schock.

Das Fax kam Mittwochmittag um halb zwei. Nadine Kowalski war gerade zum Spätdienst in der Schlecker-Filiale in Essen-Dellwig angekommen, hatte ihren weißen Verkäuferinnen-Kittel übergestreift. So wie jeden Arbeitstag, fünfmal die Woche, seit sechs Jahren. Das Stück Papier, das zeitgleich in allen Läden aus den Fax-Geräten surrte, beendete die Routine.

Denn da stand es plötzlich schwarz auf weiß: Schlecker will 2400 Filialen schließen, also fast die Hälfte aller Läden (unsere Zeitung berichtete). Absender: Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz. „Die Stimmung war bedrückend“, schildert Nadine Kowalski den Moment der Wahrheit. Sie ist eine von 25 250 Angestellten, die nun um ihren Job fürchten müssen. 11 750 müssen gehen.

Keine Illusionen

Dabei hatte sich die 28-jährige Essenerin von Anfang an keinen Illusionen hingegeben: „Dass es Schließungen und Entlassungen geben wird, davon war auszugehen“, sagt sie und wirkt einen Tag nach der niederschmetternden Nachricht sehr gefasst. „Aber dass es so gravierend ist, dass es so viele sein werden, das war ein Schock.“

Ein Schock, der seine Spuren hinterlassen hat: Die Angst geht um bei den Schlecker-Frauen. „Wir wissen ja nicht: Wer muss gehen, wer nicht“, sagt eine Angestellte aus einer Filiale in der Essener City. Ihren Namen mag sie lieber nicht nennen. Nur so viel: Seit zehn Jahren sei sie schon dabei, habe auch schon eine Filialschließung miterlebt. Von dem Vorhaben des Insolvenzverwalters erfuhr sie zu Hause, aus den Nachrichten.

„Es ist natürlich niederschmetternd“, so die junge Frau. Was sie empfindet? Wehmut – ja. Angst – kaum, sie sei ja noch jung. Wut – gar nicht. Im Gegenteil: „Dass Schlecker ein schlechter Arbeitgeber ist, das stimmt so nicht!“, beteuert sie. „Ich glaube, uns Mitarbeitern geht es hier recht gut.“ Das zeige auch die lange Betriebszugehörigkeit, die viele Schlecker-Frauen vorweisen können.

Wobei Fehler des Unternehmens nicht von der Hand zu weisen seien: „Man hat zu spät reagiert; zu wenig investiert und zu wenig für die Optik getan.“ Für dieses Manko seien die Preise zu hoch gewesen. Verständnis also vonseiten der Verkäuferin für die Kunden, die in Scharen zur Konkurrenz abwanderten. Allein im vergangenen Jahr waren es zwei Millionen.

Treue Kunden

Doch es gibt sie noch, die treuen Schlecker-Kunden. Und die Solidarität mit den Schlecker-Frauen ist groß. „Wissen Sie schon, ob der Laden hier bleibt?“, fragt eine Kundin die Verkäuferin in einer zentralen Essener Schlecker-Filiale. Und fügt mitfühlend hinzu: „Ich will’s hoffen! Man hört ja so viel Schlimmes.“

Eine Antwort jedoch bleibt die Verkäuferin schuldig. „Ich weiß ja auch nicht mehr als alle anderen“, sagt sie nur, mit leichtem Bedauern in der Stimme. Auch sie möchte lieber anonym bleiben, man wisse ja nie. „Wir hoffen alle, dass wir unsere Arbeitsplätze behalten, aber man weiß es ja einfach nicht.“

Die Pferde vor der finalen Entscheidung scheu zu machen, davon hält die Schlecker-Angestellte, seit zehn Jahren dabei, nichts: „Angst habe ich nicht, ich nehme das sogar recht gelassen“, meint sie. Man müsse abwarten, wie die Dinge werden. „Viel Glück!“ wünscht ihr prompt ein Kunde.

Auch Nadine Kowalski glaubt an das Glück. Zumindest in Bezug auf das Unternehmen insgesamt: „Dass es mit Schlecker als Ganzes weitergeht, daran habe ich keinen Zweifel“, sagt sie. Die Frage sei nur, „wie es mit uns weitergeht“. Die Ungewissheit sei das Schlimmste, die Angst förmlich greifbar. „Da kann sich im Moment, glaube ich, keiner von freisprechen, leider.“

Und doch überwiegt die Hoffnung. Die Hoffnung, dass „die Leute, die sich Jahre für das Unternehmen aufgeopfert haben, eine Chance bekommen“, sagt die Schlecker-Frau. Die Chance ist 50 zu 50, ob sie weiter in der Filiale oder auf der Straße steht.