Ruhrgebiet. . NRW-Innenminister Jäger will gegen die Raserei im Verkehr vorgehen. Zu schnelles Fahren sei der Killer Nr.1 im Straßenverkehr. Tatsächlich leiden auch Opfer, die einen solchen Unfall überleben, oft schwer an den Folgen. Wie ein Beispiel aus Bottrop zeigt. Dort wurden 2011 vier Unbeteiligte bei einem illegalen Straßenrennen schwer verletzt.

Der eine fuhr einen Mercedes CL 500 mit 360 PS, der andere einen Audi A 5 mit 238 PS. Und man kann sich die Szene nur allzu gut vorstellen: Wie sie die Motoren aufjaulen lassen, wie sie losrasen, sich gegenseitig jagen, bei ihrem illegalen Straßenrennen. 134 Stundenkilometer schnell sind sie, als sie auf der Bundesstraße 224 bei Bottrop eine rote Ampel überfahren. Mit immer noch 94 km/h rammen sie schließlich vier völlig unbeteiligte Menschen in deren Autos. Ihnen brechen Rückgrat, Becken, einzelne Wirbel; einer jungen Frau reißt die Blase. Verletzungen, unter denen sie bis heute, ein halbes Jahr später, leiden.

Diese beiden Raser haben nicht getötet, noch nicht: um Haaresbreite. Dabei sagt Innenminister Ralf Jäger, „hohe Geschwindigkeit ist der Killer Nr. 1“. Deshalb will er blitzen lassen auf den Straßen des Landes, 24 Stunden lang ab kommenden Freitag, 6 Uhr früh. Weil am Wochenende die meisten schweren Unfälle passieren, weil er „die vielen Toten und Verletzten nicht hinnehmen“ will. „Wir müssen die Menschen zum Nachdenken bringen, wir reden von Leben und Tod.“

18-Jähriger gibt Vollgas bis es krachte

Er meint damit auch Fälle wie diesen: ein „Paradebeispiel“ der Polizei Krefeld, gerade wenige Wochen alt. Dort fährt am Abend des 8. Dezember ein 18-Jähriger mit Papas aufgemotztem Auto sehr deutlich zu flott, wie Zeugen später bestätigen: „Sowas Schnelles habe ich in der Stadt noch nie gesehen.“ In voller Fahrt kracht der Mercedes von hinten in den Pkw eines 32-Jährigen, wie die Polizei sagt: „Er hat ihn förmlich aufgespießt.“

Hauptsache Gas geben: Resultat eines illegalen Autorennen. (Archivbild: Kleinrensing)
Hauptsache Gas geben: Resultat eines illegalen Autorennen. (Archivbild: Kleinrensing)

In dem gerammten Fahrzeug werden zwei Personen eingeklemmt und schwer verletzt, der 18-Jährige nimmt noch zwei weitere parkende Wagen mit, landet schließlich im Gleisbett der Straßenbahn. Noch wird gegen ihn ermittelt, wegen „gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr“ und Körperverletzung. Den Führerschein, sagt ein Polizeisprecher, bekomme der Unfallfahrer vorerst nicht wieder, „dann kann er mal nachdenken“.

Das sollten Autofahrer vorher tun, findet Innenminister Jäger, weshalb er den „Blitzmarathon“ auch angekündigt hat. Studien, auf die er bereits im November verwies, als bei einem Raserunfall in Aachen fünf Menschen umgekommen waren, zeigten, „dass mit einer solchen Veröffentlichung das Geschwindigkeitsniveau gesenkt werden kann“. Und das muss das Ziel sein, findet auch der ADAC. „Ohne Überwachung gibt es keine Verkehrssicherheit“, sagt der Sprecher des ADAC Westfalen, Peter Meintz. „Wer Regeln durchsetzen will, muss überwachen.“

Versicherung bremst bei Zahlungen an Raser-Opfer

Auch wenn der Automobil-Club am liebsten für die Autofahrer spricht: „Es gibt einen Prozentsatz, der sich partout nicht an die Regeln hält.“ Der glaube, dass physikalische Gesetze für ihn nicht gälten. Dabei sei überhöhte Geschwindigkeit die Ursache bei jedem vierten Unfall auf deutschen Straßen. Konzertierte Aktionen wie die geplante könnten indes helfen, Verhaltensänderungen zu erreichen: „Wer sich nicht an die Tempo-Begrenzungen hält, muss aus dem Verkehr gezogen werden.“ Peter Meintz fährt ja selbst Auto und sieht: Manch anderer verhält sich „kriminell“, sogar „gemeingefährlich“.

Wie auf der B 224 bei Bottrop. „Sein Baby wäre beinahe ohne Vater aufgewachsen. Es war wirklich kurz vor knapp, wenn man die Fotos der Autos sieht“, sagt Ulrich Schäfers, Anwalt des Taxifahrers S.. Der 31-jährige S. ist eines der Opfer des schweren Unfalls an jenem Samstag im August. Erst jetzt versucht er sich vorsichtig wieder in seinem Beruf. Krankenhaus, Reha hat er hinter sich. Bis heute kann er sich kaum bücken, bereitet ihm längeres Sitzen Schmerzen.

„Auch finanziell ist es für den jungen Vater schwierig. Seine Frau ist noch in der Elternzeit. Die gegnerische Versicherung zahlt bisher lediglich nur einen kleinen Vorschuss auf das zu erwartende Schmerzensgeld und den Verdienstausfall“, sagt Anwalt Schäfers. Über die anderen Opfer des Unfalls, darunter die Fahrgäste im Taxi, zwei junge Frauen, weiß er nicht viel. Nur, dass auch sie sehr schwer verletzt wurden. Im Januar erhob ein Essener Jugendgericht Anklage gegen die beiden Raser. Der eine war bei dem Unfall gerade 20 Jahre jung, ist aber der Polizei bekannt als jemand, der „andere Autofahrer gern zum Schnellfahren animiert“. In Bottrop waren sie 64 km/h zu schnell.