Datteln. . Die Fertigstellung des Dattelner Kraftwerks liegt seit einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster auf Eis. Doch wie betreibt man eigentlich eine Baustelle, wenn man gar nicht mehr bauen darf? Ein Besuch auf dem Gelände in Datteln.
Es erhitzt die Gemüter, beschäftigt Politik und Juristen gleichermaßen: Doch so umstritten wie das neue Eon-Kohlekraftwerk in Datteln ist, so neugierig macht es auch. Gerade verlässt eine Besuchergruppe zu Fuß das Gelände, da rattert schon wieder ein kleiner Reisebus über den Baustellen-Schotter. Senioren kibizen neugierig aus den getönten Fensterscheiben. Mal sehen, was der Neubau so macht. Auf dem Kanal schippert ein Schiffchen vorbei, um den Ausflüglern einen Blick auf das blau-silber schimmernde Kraftwerk zu ermöglichen. Ein Besuch auf einer der umstrittensten und wohl längsten Baustellen in NRW.
Wie betreibt man eigentlich eine Baustelle, wenn man gar nicht mehr bauen darf? Schließlich ist es Eon seit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster vom Herbst 2009 untersagt, das Kohlekraftwerk weiterzubauen. Um genau zu sein: Es gab einen Teilbaustopp für sogenannte Hilfs- und Nebenanlagen. Was das heißt, musste auch unser Fotograf erfahren. Ob er mal auf die Leiter dürfe? Nein, sagt der Mann von der Arbeitssicherheit kompromisslos. „Die wurde seit Monaten nicht mehr betreten“, sagt er noch. Okay, mit den Rostspuren auf dem Tank, um den die Treppe führt, hat er die Argumente auf seiner Seite.
Seit dem Baustopp darf Eon einige Anlagen nicht mehr anrühren. Nicht einmal ein Rostschutzmittel darf aufgetragen werden. Schräg hinter dem verrosteten Tank steht das Verwaltungsgebäude. Trist sieht es aus in seinem Rohbau. An dem Bild wird sich so schnell nichts ändern, denn das Verwaltungsgebäude gehört unter anderem zu den Nebenanlagen, die nicht weiter gebaut dürfen.
Firmen mussten Leute entlassen
So verwundert es nicht, dass der Baustellenbesucher nicht an jeder Ecke einen Bauarbeiter antrifft. „Wir haben jeden Monat weniger Beschäftigte auf der Baustelle“, sagt Dr. Andreas Willeke, Projektleiter des Eon-Kraftwerks. Zum einen, weil einige Bauarbeiten, die noch erlaubt sind, bis zum Jahresende fertiggestellt sein werden – wie zum Beispiel Restarbeiten am Dampferzeuger, am Maschinenhaus oder am Blockwartengebäude. Zum anderen, weil es wegen des Baustopps immer weniger zu tun gibt. Rund 700 Arbeiter – von anfangs 1800 – sind noch auf der 60 Hektar großen Baustelle unterwegs.
Willeke weiß, dass die Situation für die Unternehmen nicht leicht ist. „Ein Großteil der Firmen musste Leute entlassen“, berichtet er. Bei so manchem führt das zu Unmut. „Aus Sicht der Firmen trägt Eon die Verantwortung an den durch den fehlenden Bebauungsplan bedingten Verzögerungen“, sagt Willeke.
Für den Projektmanager ist Datteln so etwas wie eine Wundertüte. „Im Projektmanagement muss man flexibel sein. Aber hier wird man zu einem Maximum an Flexibilität gezwungen“, sagt er. „Wir müssen jeden Tag neue Einschätzungen treffen und entscheiden, ob wir Firmen zu- oder absagen.“
Überraschender Besuch
Jeden Tag kann ihn auch der unangemeldete Besuch der Bezirksregierung treffen. Mit Fotoapparat ausgestattet schauen deren Mitarbeiter auf der Baustelle vorbei und kontrollieren, ob alles seine Ordnung hat. Und ob auch tatsächlich nur da gebaut wird, wo gebaut werden darf.
Doch so eine Terminverzögerung hat auch was Gutes. Als vor Kurzem bekannt wurde, dass in neun von zehn Kraftwerken, die derzeit in Deutschland gebaut werden, der fehlerhafte T24-Stahl in Schweißnähten verbaut wurde, atmete Andreas Willeke etwas auf. Zwar ergab eine Belastungsprobe, dass die betroffenen Schweißnähte am Kessel im Kraftwerk Datteln dicht sind. „Aber wir wissen nicht, ob sie dicht bleiben, wenn der Kessel in Betrieb ist.“ Nun aber spekuliert er auf andere moderne Kohlekraftwerke, die diesen Stahl eingesetzt haben und vor Datteln ans Netz gehen. „So können wir aus den Erfahrungen der Branche lernen.“