Düsseldorf. . Jürgen Großmann, bekannt als raubeiniger Konzernboss, offenbart seine sensible Seite: Der passionierte Hochsee-Segler holte einen Schiffbrüchigen aus dem Meer. Erstmals erzählte er die Geschichte jetzt öffentlich.

Plötzlich rollen Tränen die Wangen herunter. Die Stimme zittert – und der Riese Jürgen Großmann, der eher drei als zwei Zentner wiegt, wirkt gar nicht mehr so hünenhaft, ja irgendwie zerbrechlich.

Der RWE-Chef, dem in der Öffentlichkeit der Ruf vorauseilt, raubeinig und bisweilen polternd zu agieren, offenbarte beim Ständehaustreff in Düsseldorf vor 500 Gästen seine unbekannte sensible Seite. Die eines Wirtschaftsbosses, der Gutes tut, aber nicht darüber redet. Der Zwei-Meter-Mann aus Mülheim wurde von seinen Gefühlen übermannt, als er schilderte, wie er einem Schiffbrüchigen vor einigen Jahren das Leben rettete.

Ein passionierter Segler

Unterhaltsam, aber ohne Neuigkeitswert plätscherte die Plauderei zwischen Großmann und Giovanni di Lorenzo dahin – bis der Zeit-Chefredakteur einen Volltreffer landete: Ob es denn stimme, dass der passionierte Hochsee-Segler einmal einen Schiffbrüchigen gerettet habe.

Großmann konnte sein Erstaunen über diese Frage nicht verbergen und schien einen winzigen Moment zu zögern, ehe er mit der Schilderung einer dramatischen Rettungsaktion begann. Mit seiner Familie brach Großmann vor einigen Jahren zu einem Segeltörn in die Ägäis auf. Irgendwann, erzählt er, sah seine Tochter etwas im Wasser treiben. Es habe sich herausgestellt, dass es sich um drei Afrikaner handelte – in Schwimmwesten, gefesselt. Großmanns Luxusyacht habe gewendet, um die Männer an Bord zu ziehen, doch als das Schiff die Stelle erreichte, sei einer der drei nicht mehr zu sehen, ein anderer bereits tot gewesen.

Schauriges Schicksal

Der Überlebende, ein Mann namens Mori, habe in rudimentärem Französisch das schaurige Schicksal der Männer geschildert. Als blinde Passagiere hätten sich die afrikanischen Männer an Bord eines Frachters geschmuggelt. Nach­dem sie entdeckt worden waren, habe man sie zur Arbeit gezwungen, anschließend gefesselt und ins Meer geworfen. Der Kapitän habe schlicht keine Lust auf Papierkram wegen der blinden Passagiere nach der Ankunft im Zielhafen gehabt. 30 Stunden hätten sie im Wasser getrieben.

Die Zuhörer haben längst bemerkt, wie Großmanns Kinn anfängt zu beben, wie seine Stimme stockt und zittert. Nur wenige Sekunden später kann er seine Tränen nicht mehr zurückhalten. „Dieser arme Mensch auf ei­ner Yacht mit Hermès-Handtüchern. Diese Bilder lassen ei­nen nie mehr los“, sagt Großmann. Er ringt um Fassung, zieht ein Taschentuch hervor, putzt sich die Nase.

Großer Zorn über griechische Beamte

Als er das Verhalten der griechischen Behörden schildert, spürt man Großmanns Zorn. Die Beamten hätten nicht das geringste Interesse gezeigt, den glücklich Geretteten zu versorgen. Wieder bebt seine Stimme. Mit einem hilflosen Kopfschütteln entschuldigt er sich beim Publikum.

Weil die Griechen sich verweigert hätten, so Großmann, habe er den deutschen Innenminister angerufen, zu dem er gute Kontakte pflegte. Er habe darum gebeten, dass der Mann aus der Elfenbeinküste nach Deutschland einreisen dürfe. „Ich habe versichert, dass der Mann niemals den deutschen Steuerzahler auch nur einen Pfennig kosten wird“, erzählt Großmann. Er stellte Mori in der Georgsmarienhütte ein, de­ren Eigentümer der RWE-Chef ist. Jedes Mal, wenn er zu Besuch sei, falle Mori ihm um den Hals.

Welch emotionale Wendung an einem Abend, an dem Großmann kurz zuvor noch seinem Ruf als undiplomatischer Konzernlenker gerecht geworden war.