Essen. . Diplomatie war nie seine Sache. Nun kämpft RWE-Chef Jürgen Großmann mit offenem Visier für die Kernkraft in Deutschland.
Eigentlich ist es eine Rolle, die ihm liegt. Jürgen Großmann ist passionierter Segler. In den Ferien steht der Zwei-Meter-Mann, der sonst den Tanker RWE steuert, am Ruder von Hochseejachten. Dieser Tage allerdings bläst Großmann der Wind bei RWE besonders heftig ins Gesicht. Es läuft nicht gut für den erfolgsverwöhnten Manager. „Die See ist rauer geworden“, räumt Großmann ein, als er in der Essener Grugahalle vor den Aktionären Bilanz zieht. Sogleich folgt ein Satz, mit dem der RWE-Chef seiner Kapitänsrolle gerecht werden will. „Von unserem Kurs bringt uns das aber nicht ab“, sagt er. Aber ob der Konzernchef wirklich mit diesem Sturm gerechnet hätte?
Großmann jedenfalls gibt sich als Kämpfer. Er macht sich gar nicht erst die Mühe, ausgleichend zu wirken. Den Demonstranten vor seinem Rednerpult in der Essener Grugahalle, die „Atombosse nach Fukushima“ rufen, entgegnet er: „Wir haben derzeit in Deutschland so viele Energieexperten wie sonst nur Fußball-Bundestrainer.“
Der RWE-Chef ist mittlerweile der Einzelkämpfer der Energiewirtschaft. Ob er sich wohlfühlt in dieser Rolle? Mit seinem Pro-Atom-Kurs hat er viele Akteure in Politik und Wirtschaft gegen sich aufgebracht. Selbst Oberbürgermeister aus Kommunen mit RWE-Beteiligungen kritisieren offen seinen Kurs. Schließlich ist RWE der einzige der vier großen Atomkonzerne, der gegen die Pläne der Bundesregierung klagt. Plötzlich hat Großmann den Ruf, der Cheflobbyist der deutschen Atomwirtschaft zu sein.
Stahlwerk für 2 D-Mark gekauft
Großmann polarisiert. „Ich bin nicht immer sehr diplomatisch. Aus meinem Herzen habe ich nie eine Mördergrube gemacht“, sagte er vor einigen Monaten in einem Interview mit dieser Zeitung.
Durch seine — gelinde gesagt – direkte Art ist Großmann auch zu Reichtum gekommen. 1993 kaufte er für zwei D-Mark die marode Georgsmarienhütte bei Osnabrück. Das Stahlwerk wurde zur Keimzelle für eine florierende Firmengruppe, die auch heute noch Großmann gehört.
Kürzlich meldete sich der Unternehmer über seine Werkszeitung „Glückauf“ zu Wort. „Wir sind derzeit auf Kernenergie angewiesen“, schrieb er. Viele seiner Betriebe – allen voran die Georgsmarienhütte – sind große Energieverbraucher. Auch während der RWE-Hauptversammlung warnt Großmann vor steigenden Strompreisen, die das Aus für Aluminiumwerke in Deutschland bedeuten könnten.
Vertrag läuft noch bis September 2012
Großmanns Vertrag bei RWE läuft noch bis September 2012. Angeblich hört der Manager gerne ein Lied von Rolf Zuckowski. Der Text lautet: „Leben ist mehr als Rackern und Schuften. Leben ist mehr als Kohle und Kies.“
Dass der 59-jährige Großmann dieser Tage häufiger als Dino der Branche bezeichnet wird, lässt ihn kokettieren. „Dinos sind nämlich beliebt. Gerade bei Kindern“, sagt er.