Oberhausen. .
In Oberhausen könnte der Altmarkt in Christoph-Schlingensief-Straße umbenannt werden. Gerd Lepges, Vorsitzender des Freundeskreises "Theater für Oberhausen" will dem Künstler damit ein Denkmal setzen. Doch der Vorschlag ist umstritten.
Das ist nicht umstritten: Es gibt nicht viele Künstlerpersönlichkeiten, mit denen sich die Stadt schmücken kann. Der Schauspieler Will Quadflieg ist einer von ihnen.
Vor vielen Jahren widmete man ihm einen Platz, den das Theater Oberhausen heute mit einem gewissen Stolz im Adresskopf trägt. Und auch der vor kurzem verstorbene Christoph Schlingensief zählt zu jenen Künstlern, die den Namen der Stadt international bekannt gemacht haben.
Nicht nur deshalb soll nach ihm die Straße „Altmarkt“ in Christoph-Schlingensief-Straße benannt werden – ginge es nach Gerd Lepges, Vorsitzender des Freundeskreises „Theater für Oberhausen“. Denn hier wuchs der Künstler auf, befand sich die Apotheke und das Haus der Eltern. Doch sein Vorschlag ist umstritten, gar als „kritisch“ betrachtet ihn die Stadt: Zwar lassen sich ihre Kosten für Schilder, Änderung von Grundbucheintragung, Stadtplan und EDV nicht so einfach beziffern, wie ein Sprecher der Stadt sagt, doch der bürokratische Aufwand sei hoch. Das könnte auch für die etwa 29 Anwohner und wenige Geschäfte gelten, die ihre Adresse auf Personalausweisen und Briefköpfen ändern lassen müssten.
Zuviel Stress also für rund 50 Meter Straße? Zumindest überzeugte Lepges bereits den kulturpolitischen Sprecher der SPD Manfred Flore von seiner Idee: „Ich finde, Oberhausen kann auf Christoph Schlingensief stolz sein.“
„Oberhausen hat Diamanten und sollte sie auch zeigen.“
Dennoch hat Flore die Verwaltung gebeten, die Meinung der Anwohner, Eigentümer und Geschäfte zu prüfen. Gibt es von ihnen keine Einwände, könnte Flore den Antrag auf Umbenennung im Februar in der Bezirksvertretung Alt-Oberhausen stellen. Und stimmt dieser zu, beschließt darüber der Rat der Stadt.
Einen Fan in der Straße hat der Künstler sicher: Czeslaw Golebiewski, der Wirt des Gdanska, lernte Schlingensief nur kurz kennen, „aber es gibt Menschen, die vergisst man nicht. Seine Ideen gingen immer einen Schritt weiter. Er war ein Freund im Geiste“. Den Mut etwas ändern zu wollen, bewundert Golebiewski, „wenn er über Afrika sprach.“ Und die Offenheit des Künstlers gegenüber den Menschen.
Der Altmarkt, findet der Gdanska-Chef, wäre für eine Schlingensief-Straße genau der richtige Platz. Ohnehin sei es verwirrend gleichzeitig einen Altmarkt-Platz, eine gleichnamige Straße im Süden und im Norden die Marktstraße zu haben. Seine Kosten für die Adressänderung? Golebiewski winkt ab, „Kleinigkeit“. Schließlich würden dadurch die Besucher der Innenstadt auf den Künstler aufmerksam, sagt er: „Oberhausen hat Diamanten und sollte sie auch zeigen.“
Verwaltungskosten und bürokratischer Aufwand werden befürchtet
Doch diese Meinung wird von manch anderen Geschäften an der Straße nur bedingt geteilt. Genannt werden wollen sie nicht, doch sie befürchten Verwaltungskosten und bürokratischen Aufwand: Kunden müssten etwa über die neue Anschrift informiert, Visitenkarten gedruckt werden. Zumal die Adresse sich herumgesprochen habe: Man wisse, wo der Altmarkt ist.
Eine Schlingensief-Straße? „Lieber als einen John-Lennon-Platz“, findet Karin Jochums, denn wenigstens hat er – im Gegensatz zu dem verstorbenen Beatle – etwas mit Oberhausen zu tun. Aber es müsste ja nicht unbedingt hier sein, glaubt sie, „vielleicht gibt es auch eine neue Straße“ in einem Neu-Baugebiet.
Jochums erinnert sich gerne an Schlingensiefs provokante Kunst-Experimente – „er ging keine eingetretenen Pfade, das fand’ ich gut!“
Die Stadt ist Christoph Schlingensief etwas schuldig, glaubt Rainer Kreikemeier: „Oberhausen ist durch ihn bekannter geworden und so viele Berühmtheiten haben wir nicht.“ Die provokanten Kunst- und Afrika-Projekte „sind anzuerkennen“, sagt er. Doch der 66-Jährige sieht auch die Kosten der Umbenennung – „vielleicht ein Rattenschwanz“.
Anwohner und Geschäfte sollen einverstanden sein
„Absolut kein Problem“, sieht der CDU-Fraktionsvorsitzende Daniel Schranz für eine Umbenennung der Altmarkt-Straße, schränkt aber ein: „Wenn die Anwohner und Geschäfte einverstanden sind.“ Über die Köpfe der Bürger hinweg wolle man es nicht, dann müsse eben eine andere – vielleicht Neubaustraße – dafür gefunden werden.
Unterstützung gäbe es von der FDP – sofern der bürokratische Aufwand nicht zu hoch sei, findet die Fraktionsgeschäftsführerin Regina Boos. Doch auf ein Neubaugebiet würde sie nicht warten wollen, „wenn, dann in der Innenstadt, daran führt kein Weg vorbei“. Denn hier seien von der Kirche bis zur Apotheke die Wurzeln des Künstlers.
Den Einspruch „zu viel Aufwand“ will Dirk Paasch, Fraktionsvorsitzender der Linken, nicht gelten lassen: „Aufwand ist immer da.“ Politisch sei Schlingensief in Ordnung, so Paasch, er erinnert an die Arbeitslosen-Partei und die Aktion „Chance 2000“. Für die Grüne Heike Laß (Bezirksvertretung Alt-OB) wirkt der Vorschlag der Umbenennung allerdings wie „übers Knie gebrochen“. Man solle das Lebenswerk ehren, aber man solle es gut durchdenken: „Warum keine Schule oder ein anderes Gebäude?“, fragt Laß.
Christoph Schlingensief