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Etliche Krankenhäuser werden mehr und mehr zum Luxus-Hotel. Denn seit einem BGH-Urteil muss sich die Qualität für Erste-Klasse-Patienten deutlich sichtbar von denen der Normalpatienten unterscheiden. Und so erinnert manch ein Krankenzimmer ans Hotel - mit Schreibtisch, Internetanschluss und Minibar.
Margret Lengeling ist nervös. Morgen wird sie am Knie operiert. Der übliche Horror vor dem Krankenhaus. Doch die 78-Jährige hat vorgesorgt, jahrelang. Ihre Zusatzversicherung bezahlt das luxuriöse Einzelzimmer im Herner St. Anna-Hospital, großzügig mit Echtholzparkett ausgestattet, mit einem noblen Badezimmer, dezenter Beleuchtung und einem Balkon auf der Sonnenseite.
Das angenehme Ambiente hat Margret Lengeling sich etwas kosten lassen. Es schrumpft ihre Krankenhausallergie auf ein erträgliches Maß. Geschätzte zwölf Prozent aller Patienten buchen laut Krankenhausgesellschaft NRW die erste Klasse. Kranken-Stationen wie im St. Anna in Herne, in denen Granit statt schnöder Tapete an den Flurwänden klebt, liegen im Trend, seitdem ein Urteil des Bundesgerichtshofes im Jahr 2000 ein deutlich besseres Angebot für Wahlleistungspatienten vorschreibt. In Herne lassen sich sogar rund 20 Prozent der Kunden mit Luxus verwöhnen.
Ganze Trakte sind fein herausgeputzt
Kritiker bemängeln, dass die Richter den Weg für eine Zweiklassengesellschaft in Krankenhäusern geebnet hätten. Befürworter sagen: Die Zweiklassengesellschaft gibt es sowieso, warum sollte sie vor den Krankenhauspforten halt machen?
Erste-Klasse-Patienten gab es schon immer. Sie betten sich in Einzelzimmern, bekommen Chefarztbehandlung und meistens auch besseres Essen. Neu ist: Seit dem BGH-Urteil muss sich die Qualität deutlich sichtbar von denen der Normalpatienten unterscheiden. Da wird auf Heller und Cent abgerechnet, die Mindestzimmergröße vorgeschrieben und die Ausstattung. Krankenhäuser putzen seitdem ganze Trakte fein heraus, nicht wie früher nur einzelne Zimmer auf den jeweiligen Stationen.
Gleich gute Behandlung
Im Anna-Hospital fühlt sich das schicke Einzelzimmer von Margret Lengeling größer an als das Dreibettzimmer in der Nachbarstation. Dazu gibt es Licht durchflutete Aufenthaltsräume, zu denen man auf weichen Teppichböden schreitet. Beim Wechsel von der einen auf die andere Station, von der Luxus- in die Standardklasse, vom Teppich zum Linoleum, lässt sich das Zweiklassensystem an den Schuhsohlen erspüren.
Richtig wohl ist es beim Wandel zwischen den Patienten-Welten auch Theo Freitag nicht. Der Geschäftsführer des Hospitals und weiterer Häuser in der Umgebung spielt aber trotz aller Bauchschmerzen mit: „Das Urteil des BGH zwingt uns zu dieser unterschiedlichen Ausstattung für Wahlleistungspatienten“. Gleichwohl macht der 50-Jährige deutlich, dass die medizinische Behandlung seiner Kunden gleich (gut) sei, ganz egal, ob sie den Wohnkomfort der ersten oder der Standardklasse buchten.
Das Anna-Hospital glänzte als eines der ersten mit gehobenem Ambiente, gilt als Referenz-Krankenhaus. „Wir orientieren uns an Hotels, erläutert der Geschäftsführer. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft listet in ihrem Katalog der Extra-Leistungen auf, was sie unter gehobenen Ansprüchen versteht: beispielsweise gefällige Beleuchtung, Bademäntel, bequeme Sitzgelegenheiten für mindestens zwei Personen, Schreibtisch, Safe, Videogerät, Internetanschluss und – selbstverständlich – eine Minibar. 110 Euro Aufpreis kostet der Luxus im Einzelzimmer, 65 Euro im Zweibettzimmer. Das Angebot steht jedermann offen. Nicht nur Privatpatienten lassen sich hier verwöhnen, auch gesetzlich Versicherte mit Zusatzvertrag oder Patienten, die den Aufpreis aus der eigenen Tasche hinblättern.
Für den Extra-Preis gibt es auch eine Extra-Auswahl auf der Speisekarte. Darf’s heute mal Hirschgulasch sein? Für kranke Gourmets gilt die Augusta-Krankenanstalt in Bochum neuerdings als Top-Adresse mit dem Verwöhnaroma. Feinschmecker können hier wählen zwischen Rinderfilet, Lammcarrée oder Scampis auf Hummer. Hummer im Krankenhaus, dazu nahm das Augusta den Sterne-Koch Ralf Meyer unter Vertrag. Der frischgebackene Chef de Cuisine hat vorher im Kaiserswerther Sterne-Restaurant „Im Schiffchen“ am Herd gestanden, aber auch im „Nassauer Hof“ in Wiesbaden sowie diversen Spitzenhäusern der französischen Schweiz. „Von der Spitzenküche profitieren natürlich auch unsere Normalpatienten“, erklärt Meyer. Bei denen sei die Auswahl aber geringer, und Hummer – der kommt im Dreibettzimmer natürlich nicht auf den Tisch.Luxus wie in einem Fünf-Sterne-Hotel, das lässt Manager auch den Umkehrschluss ziehen: Der edle Breidenbacher Hof in Düsseldorf plant ein medizinisches Zentrum unter seinem Dach. Betuchte Gäste auch aus dem Ausland können sich als Patienten standesgemäß versorgen lassen und zwischendurch auf der Königsallee flanieren gehen.
Gemischt nebeneinander
So gut wie jedes Krankenhaus bietet inzwischen Zimmer oder ganze Stationen für Wahlleistungspatienten an. „Das ist wie bei der Hotelsuche. Ich entscheide selbst, wo ich übernachten will. Das hängt doch davon ab, welche Kaufkraft ich habe“, erklärt Wolfram-Arnim Candidus, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten. Candidus kritisiert aber eine Trennung von Patienten auf gesonderten Stationen. Luxus- und Normalzimmer sollten gemischt nebeneinander liegen: „Bitte keine Ghetto-Bildung von sozial schwächer und besser Gestellten“, fordert Candidus.
Letztendlich komme es den Patienten aber auf die Qualität der medizinischen Leistungen an, sagt Anna-Hospital Geschäftsführer Freitag. So sieht es auch Margret Lengeling. Sie lag vor Jahrzehnten das letzte Mal im Krankenhaus, bei der Geburt einer ihrer Töchter. Die 78-Jährige möchte nach der OP möglichst schnell wieder auf den Beinen sein und dann „so schnell wie möglich wieder nach Hause.“