Düsseldorf. Die weltweiten Krisen lassen Kinder heute "zu früh erwachsen werden". Das ist das Fazit von NRW-Jugendminister Laschet, das er bei der Vorstellung einer neuen Studie zur Befindlichkeit des Nachwuchses zog. Umso wichtiger wird die Stabilität des direkten sozialen Umfelds.

Die Sorge vor Arbeitslosigkeit, Armut oder Krieg befällt nicht mehr nur Erwachsene, sondern wirkt sich zunehmend auch auf Kinder aus. „Die Probleme dringen heute immer stärker in die Kinderzimmer”, sagte gestern NRW-Jugendmimister Armin Laschet (CDU) bei Vorstellung des „LBS-Kinderbarometers”. Für Laschet legt der Zehn-Jahres-Vergleich der Studie, bei der regelmäßig 2000 Kinder von neun und 14 Jahren befragt wurden, deshalb den Schluss nahe, dass Kinder sich zu früh von ihrer Kindheit verabschieden und „zu früh erwachsen werden”.

Das Kinderzimmer ist keine Schutzzone mehr

„Die Schutzzone Kinderzimmer gibt es heute nicht mehr”, betonte auch Sozialforscherin Anja Beisenkamp, die beim „Pro-Kids-Institut” der PROSOZ Herten die Lebenswelt des Nachwuchses untersucht hat. Dennoch sehen 86% der befragten Kinder die Zukunft optimistisch und erwarten für sich persönlich ein „gutes ” oder „sehr gutes” Leben. Dabei habe sich die Bedeutung von Familie als Refugium in den letzten zehn Jahren deutlich erhöht.

Laut der Studie nehmen sich Eltern heute mehr Zeit für ihre Kinder, sind besser ansprechbar für Probleme und wollen seltener „ihre Ruhe haben” als in früheren Erhebungen. Je schwieriger die Lage außerhalb des Elternhauses sei, umso wichtiger werde das vertraute Zuhause, so Laschet. Umso wichtiger sei es, Schulen und Kindergärten zu verbessern, und zwar in Zusammenarbeit mit den Eltern. Insgesamt wird daheim heute weniger geschimpft und mehr darüber geredet, wenn Kinder etwas angestellt haben.

Halt im Freundeskreis

Unverändert blieb mit 2 % jedoch der Anteil der Kinder, die regelmäßig daheim geschlagen werden. Immerhin weitere 17 % erhalten „manchmal” Schläge. „Schlagen ist immer ein Zeichen von Hilflosigkeit der Eltern und ein Schichtenproblem”, so Dieter Greese, Chef des Kinderschutzbundes NRW. Zunehmend Halt bei Problemen in Schule oder Familie suchen Kinder auch im Freundeskreis, der laut Studie deutlich wichtiger geworden ist. Mehr denn je sorgen sich 9- bis 14-jährige, ihre Freunde zu verlieren.

Das Taschengeld für Kinder geht nach stetigem Anstieg über Jahre seit 2004 wieder zurück, in der untersuchten Altersgruppe von durchschnittlich 21,88 auf 18,68 Euro im Monat. Greese machte dafür die „wirtschaftliche Drucksituation” verantwortlich. Jeder Zweite bessert das Taschengeld durch „leichte Tätigkeiten” auf. Allerdings hatten auch 7 % der befragten Kinder bereits Schulden.

Mit zunehmendem Alter wächst bei den befragten Kindern das Interesse an Finanzen und Steuern, bei Mädchen an der Armutsbekämpfung. Nur 14% der Kinder haben Vertrauen zu Politikern, „erschreckend wenig” auch im Vergleich zu den 22%, die ihnen eher Misstrauen entgegenbringen. Insgesamt nimmt laut Studie der „relativ große Vertrauensvorschuss”, den Politiker noch bei Viertklässlern genießen, bis Klasse 7 rapide ab. Dabei sind Mädchen eher unentschlossen als Jungen.

Zufrieden mit der Schule

Ein deutlich besseres Ansehen haben Lehrer, an die die befragten Kinder überwiegend gute Noten verteilten. 44% fühlen sich ernstgenommen, wenn sie Vorschläge zum Unterricht machen, viele halten die Lehrinhalte meist für interessant und finden, dass Lehrer „ziemlich” gut erklären können (71 %). Allerdings beurteilen Gymnasiasten und Schüler höherer Klassen Kompetenz und Hilfsbereitschaft ihrer Lehrer skeptischer. Das Beste an der Schule, so das vielleicht etwas überraschende Kompliment, seien die Antworten der Lehrer, gefolgt von Schülerzeitung, Kiosk, Freunden oder Pausen.

Mehr als die Hälfte der Kinder fühlt sich immerhin in der Schule gut bis sehr gut. Es gibt aber auch viele Veränderungswünsche an der Schule. Ganz vorn auf der Liste stehen weniger und leichtere Hausaufgaben. Außerdem wollen viele, dass der Schulhof verschönert wird, mit besseren Spielmöglichkeiten. Auch längere Pausen oder Veränderungen am Stundenplan gaben die Befragten an. Ganz deutlich gestiegen ist der Wunsch nach Mitbestimmung in schulischen Fragen: Im Zehn-Jahres-Vergleich hat sich der Anteil der Kinder, sie im Schulalltag mehr mitreden wollen, immerhin verdreifacht.