Duisburg. .

Michael Schreckenberg ist Panikforscher, einer ohne Konzert- oder Demo-Erfahrung.

Direkt nach der Katastrophe, als deren ganzes Ausmaß höchstens erahnt werden konnte, sprach er schon in die Mikrofone. Michael Schreckenberg, Professor für die Physik von Transport und Verkehr an der Universität Duisburg-Essen. Der Tenor seiner Statements war immer derselbe: Am Sicherheitskonzept der Loveparade hat es nicht gelegen. Das war in Ordnung.

Am Rande der Pressekonferenz nach dem Desaster wurde er dann noch deutlicher. Plötzlich sprach er von „Einzelpersonen, die Gewagtes beginnen . . ., die auch eine gewisse Mitschuld trügen“. Gemeint waren jene Menschen, die in der Enge des Tunnelwegs begannen, nach oben zu klettern. Und noch einmal bestätigte der 53-Jährige, die Planung für die Loveparade sei so detailliert gewesen, „wie ich es noch nie erlebt habe“. Wenn es Lehren aus Duisburg zu ziehen gäbe, dann die, dass man in Zukunft bei solchen Sicherheitskonzepten mehr „auf die Dynamik der Menschen abzuheben habe“.

Nicht mit jedem einzelnen Zaun befasst

Schreckenberg wird oft als Stauforscher, neuerdings auch als Panikforscher bezeichnet. Der Physiker beschäftigt sich mit der Simulation und Optimierung von Transportsystemen in großen Netzwerken, mit Prognosen für Verkehr und Analysen von Menschenmengen, wie man auf seiner Internetseite nachlesen kann. Schreckenberg jedenfalls fand das Sicherheitskonzept für die Loveparade „plausibel“, obwohl er sich, wie er sagt, natürlich nicht mit jedem einzelnen Zaun befasst habe.

Dass er Theoretische Physik an der Universität Köln studiert hat, kann man sich gut vorstellen. Denn bei allem, was er erklärt, wirkt er genau so. Sehr theoretisch. Die einzige Veranstaltung mit größerer Menschenansammlung, die er je besuchte, sei das Red Bull Air Race in Berlin gewesen, an dem er mitgearbeitet habe. Kein größeres Rockkonzert, keine Demonstration mit Hunderttausenden hat er erlebt. Und so hat es etwas Zynisches, wenn er von einer Mitschuld jener spricht, die in ihrer Panik aus der Enge den Weg nach oben suchten.