Moers. Experten aus Politik und Praxis sprechen über die von Minister Lauterbach geplanten Änderungen. Reformbedarf ist da, aber vieles noch ungeklärt.
Es geht um die Gesundheitsreform. Die SPD in Moers ruft zur Podiumsdiskussion in den Enni Sportpark Rheinkamp. Neben dem rund 70-köpfigen Publikum aus medizinischen und pflegenden Berufen sind fünf Experten geladen. Darunter Dr. Christos Pantazis, Mediziner und MdB. Ebenfalls dabei und in Berlin aktiv ist Jan Dieren, MdB aus Moers, der sich wie viele andere Sorgen um die künftige kommunale Versorgung macht. Die Lage im Gesundheitswesen sei katastrophal, waren sich alle einig. Daher sei auch der Info-Bedarf bei den Menschen sei groß, sagt Atilla Cikoglu als SPD-Fraktionsvorsitzender im Vorfeld.
Dr. Christos Pantazis ist in Berlin eng in das Thema eingebunden und versucht, Licht in den Reform-Dschungel zu bringen. Was teilweise gelang. Hintergrund: Zu viele Eingriffe würden laut Statistik in Häusern ohne Kompetenz erledigt, weiß der Fachmann. Er spricht auch von einer Unterversorgung auf dem Land und von Überversorgung im urbanen Raum. Zudem könnten viele stationäre Fälle heute ambulant behandelt werden, wie man am Beispiel Holland sehe.
Fallpauschalen waren ein Fehlanreiz für die Kliniken
Pantazis weiter: Nachdem die Fallpauschalen vom Bund als Fehlanreiz für die Kliniken erkannt worden seien, solle nun ein System mehr auf Leistungsbasis installiert werden; aufgeteilt nach Leistungsgruppen in den Kliniken wie Allgemeinchirurgie, Viszeralchirurgie und etwa 60 andere Bereiche.
Die beiden Verwaltungschefs der Moerser Häuser, Dr. Ralf Engels (Bethanien) und Ralf H. Nennhaus (St. Josef) sind sich beim Reformbedarf einig. Aber es brauche jetzt dringend eine Zwischenfinanzierung für die Häuser, fordert Engels. Nennhaus kritisiert, dass sich seit Corona alles im Tagesgeschäft um die Finanzierung drehe: „Die Daseinsvorsorge muss wieder stärker in den Fokus.“ Horst Vöge als Vorsitzender des VdK Deutschland weiß: „Wir brauchen vor allem eine patientenverträgliche Lösung, die auch die Menschen auf dem Land beachtet.“ Ebenso sei in die Planung keinerlei Patientenvertretung eingebunden.
Ärzte: Der Unterbau muss auch stimmen
Dr. Reinhard Spicker spricht als niedergelassener HNO-Mediziner und Vorsitzender der kassenärztlichen Vereinigung Kreis Wesel von einer schlechteren Vernetzung von Beleg-Medizinern mit den Kliniken. Daneben erschwerten die Regelungen zu den Notarzt-Diensten den Alltag in den Praxen. Nicht zu vergessen: „Zwei Drittel der Versorgung findet ambulant im Dorf statt. Dieser Unterbau muss auch bei der Reform stimmen!“
Pantazis zur Zeitschiene: Ein fertiger Reformentwurf der zuständigen Kommission liege noch nicht vor. So wisse man noch immer nicht, was im Detail der Inhalt sei. Am 24. April falle der Kabinettsbeschluss. Dann folge die ausführliche Diskussion im Parlament. Hinsichtlich der Ängste: „Noch keine Reform hat das Parlament so verlassen, wie sie hineingekommen ist.“ Der Bund werde zudem einen Transformations-Fonds von 50 Milliarden Euro über die nächsten Jahre einrichten. Und MdB Jan Dieren schätzt (im Nachgang der Veranstaltung), es könnten bis zu einer Entscheidung im Bundestag angesichts der Komplexität des Themas noch einige Monate vergehen - „wenn’s gut läuft.“
Was am Ende von der Krankenhauslandschaft übrig bleibt
Beiträge der Zuhörer ranken sich unter anderem um die überbordende Bürokratie und Dokumentationspflicht, die junge Mitarbeiter zu tragen hätten, oder auch darum, wie die Moerser Häuser auf die Reform reagierten. Nennhaus: „Ob wir uns beispielsweise bei den Leistungsgruppen abstimmen können, wissen wir noch nicht.“ Engels: „Ohne Rahmenbedingungen keine Planung.“ Weitere Frage: Wer die Einordnung nach Leistungsgruppen denn durchführe? „Das ist am Ende Ländersache“, so Pantazis. Eine Antwort auf die Besucherfrage, wie viele Kliniken nach der Reform wohl übrig blieben, konnte keiner auf dem Podium geben.
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