Ruhrgebiet. Während andere Städte ihre Parkgebühren erhöhen, schafft eine Kommune sie ab. So unterschiedlich sind die Kosten in NRW - ein Einblick.
Im Café „Manufaktur Bockreiter“ sitzen die Gäste unter einem gewissen Zeitdruck, denn sie müssen immer nach einer Stunde raus, um einen Parkschein zu ziehen. Auch im Tanzlokal „Taktus“ wird das als störend empfunden, im nahen „Halftime“ undsoweiter . . . Seit 22 Jahren erhebt die Stadt Herzogenrath in ihren drei Zentren Parkgebühren, „für die Gastronomie ist das ganz schlecht“, sagt der Erste Vorsitzende des örtlichen Gewerbevereins, Guido Werner (55), der, an dieser Stelle nicht ganz unerwartet, auch der Wirt ist.
Nun wird die Stadt diese Parkgebühren wieder abschaffen, wohl als einzige Stadt in NRW. Gegen jeden Trend, gegen allen Zeitgeist; niemand erinnert sich an einen solchen Fall, kein Städtetag, kein ADAC und kein Umweltverband. „Die noch befindlichen Gewerbe in der Stadt sehen das alle positiv“, sagt Guido Werner. Man hört es heraus: Wie fast alle Klein- und Mittelstädte, kämpft auch Herzogenrath mit Leerständen und Schließung. „Der normale Einzelhandel ist rückläufig.“
„Gute Kommunalpolitik muss gucken, dass es in der Stadt läuft“
Deswegen will die Stadt dagegen halten: mit der Abschaffung der Parkgebühren zum 1. September. Der Rat wird das Ende Juni so beschließen, vermutlich einstimmig. „Gute Kommunalpolitik muss gucken, dass es in der Stadt läuft“, sagt Bürgermeister Benjamin Fadavian (SPD): „Wir müssen sehen, wo wir bleiben. Wir kämpfen um jedes Geschäft.“ Der örtliche Einzelhandel bekomme einen Standortvorteil, verglichen mit den Nachbarstädten, meint der 34-Jährige.
Mit dem Alleingang handelt sich die Stadt erhebliche Kritik ein. „Überbordender Straßenverkehr und Parksuchverkehr sind ein großes Problem in allen Städten. So lockt man jetzt noch mehr Autos an“, sagt Michael Müller-Görnert, Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Fußgänger und Radfahrer brächten höhere Umsätze, „Autofahrer nehmen mal etwas Größeres mit, aber die anderen kommen regelmäßig“. Die Deutsche Umwelthilfe spricht in der „Rheinischen Post“ von „einem absoluten Rückschritt für den Klimaschutz, die Aufenthaltsqualität und die Mobilität für alle in der Stadt“.
Eine Stunde Parken kostet in Düsseldorf 4,50 Euro - in Oberhausen einen
Freilich gab es noch einen anderen Grund für die Entscheidung von Herzogenrath: Die Parkautomaten sind noch dieselben wie vor 22 Jahren, etwa die Hälfte ist kaputt. Neue anzuschaffen, würde sich erst in zehn Jahren auszahlen, rechnet die Stadtverwaltung vor, bei geschätzten Einnahmen von jährlich 40.000 Euro pro Automat und Betriebskosten von 25.000 Euro.
Der ADAC meint, dass die Abschaffung von Parkgebühren „ein Weg für kleine und mittelgroße Städte sein könnte“, so Roman Suthold vom ADAC Nordrhein: „Sie haben nicht den Parkdruck wie in Metropolen.“ Die Bewirtschaftung koste „oft mehr, als die Einnahmen bringen“. Viele kleinere Städte hätten gar keine, aber eine Abschaffung habe „noch keine überlegt“.
Die Überlegungen andere Kommunen gehen auch genau in die andere Richtung: Vielerorts sind Parkgebühren zuletzt gestiegen, Städte wie Bochum oder Essen verringern sogar unter dem Druck des Klimas die Zahl der Parkplätze, zunächst geringfügig. In Düsseldorf-Mitte liegt der Preis für eine Stunde Parken jetzt schon bei 4,50 Euro, im „City-Kernberich“ von Essen bei 3,50 Euro. Durchschnittlich kostet es zwei Euro in den Innenstädten von Dortmund und Duisburg, 1,60 Euro in Bochum, einen Euro in Oberhausen und Gelsenkirchen.
Bürgermeister: Auf der Straße gratulieren mit die Leute
- Neuer Radstreifen in Bochum: Autofahrer verlieren Platz
- Umbau des Hamborner Altmarks: Frust der Kaufleute wächst
- Autos raus aus der Innenstadt: So will Oberhausen vorgehen
Die allermeisten Einzelhändler und Einzelhändlerinnen im Land sind sowieso strikt dagegen, die Fahrkundschaft zu vergraulen: Sie fürchten, dass die sich dann umorientiert. So wie die Stadt Herzogenrath hofft, ohne Parkgebühren attraktiver zu werden. Die Stadt von der Größenordnung Hattingens grenzt mit ihrem Süden an Aachen und westlich an das holländische Kerkrade. In beiden muss fürs Parken bezahlt werden, in anderen, kleineren Nachbarstädten nicht.
„Wir wollen, dass die Leute bei uns einkaufen und sich lange Wege nach Aachen oder Köln sparen, das ist ökologisch“, sagt Fadavian, der Bürgermeister. Er habe nur positive Rückmeldungen, auf der Straße würden ihm die Leute gratulieren. Auch bei Facebook überwiegt die Zustimmung, zumindest, bis die Diskussion entgleist, in diesem Fall erst mit dem zwölften Kommentar. Vorher dominieren solche Stimmen: „Politik ohne ideologische Scheuklappen, und das von einem Sozi. Alle Achtung!“ Von September an müssen Autofahrer und Autofahrerinnen in Herzogenrath Parkscheiben nutzen. Und sie können dann auch länger stehen als eine Stunde.