Oberhausen. Zu jung, zu unerfahren: Viele wollten Brigitte und Uwe die Hochzeit ausreden. Sie sagten: „Jetzt erst recht.“ Was Paare von ihnen lernen können.

Es sollte der schönste Tag ihres Lebens werden. Stattdessen wollte der Standesbeamte ihnen noch während der Trauung die Hochzeit ausreden. Brigitte und Uwe Dockhorn waren zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 18 und 20 Jahre alt. „Im Standesamt war ich so schockiert, dass ich es noch nicht einmal geschafft habe, meiner Brigitte den Ring anzustecken“, erinnert sich der heute 69-jährige Uwe Dockhorn. Das habe er dann hinterher an einer Ampel gemacht. „Das wird nicht gut gehen“, „Ihr seid zu jung“, „Es ist noch viel zu früh“, kritisierten auch Verwandte und Bekannte die Entscheidung. Doch anstatt sich verunsichern zu lassen, sagten sich beide: „Jetzt erst recht.“

Heute, fast 50 Jahre später, ist das Paar aus Oberhausen noch immer glücklich verheiratet, hat eine Tochter und eine Enkeltochter. Es ist ihre erste und soll auch ihre letzte Liebe sein. Heutzutage ist das eher eine Seltenheit, zeigen Zahlen des Statistischen Landesamtes: Vor 20 Jahren wurden in NRW noch deutlich mehr Ehen geschlossen als heute. 2022 gaben sich rund 85.000 Paare das Ja-Wort, im Jahr 2000 waren es noch mehr als 97.000 Paare. Zum Vergleich: 1960 haben sogar 146.000 geheiratet. Geschieden wurden im Jahr 2022 in NRW 30.448 Ehen, im Schnitt nach rund 15 Jahren.

Liebe seit 50 Jahren: Auf der Kirmes in Duisburg hat es gefunkt

Auch bei den Dockhorns war nicht immer alles gut – nicht zuletzt, weil ein schwerer Unfall Uwe fast das Leben gekostet hätte. Was dem Paar in schwierigen Zeiten geholfen hat und wie die beiden es schaffen, nach fast 50 Jahren immer noch ein erfülltes Eheleben zu führen, erzählen sie in unserer neuen Folge der WAZ-Serie „So liebt das Ruhrgebiet“.

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Kennengelernt haben sich Uwe und Brigitte Dockhorn auf einer Kirmes in Duisburg. Auf der „Raupenbahn“ hat es bei Uwe gefunkt: „Sie war meine Traumfrau – klein, große Augen, Löwenmähne“, erinnert er sich. „Mich hat erstmal gar nichts an ihm fasziniert. Vor allem seine langen Haare nicht“, sagt sie trocken. Heute sitzen die beiden nebeneinander auf ihrem Sofa. Er hat die Hand auf ihren Oberschenkel gelegt. Sie schenkt ihm Kaffee nach. „Dass wir hier so sitzen, liegt daran, dass Uwe nicht locker gelassen hat. Irgendwann hat er mich überzeugt“, sagt die 67-Jährige.

Uwe und Brigitte Dockhorn kaufen gerne auf Flohmärkten ein und bringen Schätze für ihre Wohnung von ihren Reisen mit.
Uwe und Brigitte Dockhorn kaufen gerne auf Flohmärkten ein und bringen Schätze für ihre Wohnung von ihren Reisen mit. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

„Brigitte ist mein Sechser im Lotto“, sagt Uwe. „Ich weiß nicht, wo ich heute ohne sie wäre.“ Denn in Uwes Leben gab es eine Zeit, in der er wortwörtlich mit dem Leben kämpfte. Mit Mitte 30 hatte er einen schweren Motorradunfall. Fast ein Jahr verbrachte er im Krankenhaus, litt an einer Knochenmarkentzündung. Im Raum stand die Frage, ob sein Bein amputiert werden muss. „In dieser Zeit habe ich meinen Lebenswillen verloren, hatte Existenzängste und Sorge davor, dass Brigitte mich verlassen könnte.“

50 Jahre Ehe: „Das Reisen hält unsere Liebe jung“

Brigitte blieb. Greift bist heute immer wieder nach seiner Hand. Hilft ihrem Mann im Alltag mit seinem steifen Bein. Spielt abends mit ihm „Rummy Cup“ oder schaut sich mit ihm Urlaubsvideos an. Reisen ist ihre große gemeinsame Leidenschaft. Mexiko, Malediven, Afrika, Hawaii: Fast die ganze Welt haben sie schon zusammen bereist. Ihre Andenken findet man überall in der Wohnung. Da ist etwa die große Giraffenstatue neben dem Sofa oder die zwei kleinen Affen-Figuren auf der Fensterbank. „Das Reisen hält unsere Liebe jung“, sagt Uwe Dockhorn.

Die beiden teilen noch ein weiteres Hobby: ihren Youngtimer, der bald Oldtimer wird. Mit ihm fahren sie zu Oldtimer-Treffen an den Gardasee oder in die Berge. Genauso wichtig für eine glückliche Ehe sei es aber, auch mal Dinge alleine zu machen. „Ich bin jahrelanger Fan des Fußballvereins Hamborn 07. Da bin ich regelmäßig unterwegs, die Jungs anfeuern“, sagt Uwe Dockhorn. Brigitte fügt hinzu: „Da bin ich froh, wenn du mal weg bist. Es gibt ja genug zu tun.“

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Gleichberechtigung ist den beiden in ihrer Partnerschaft wichtig. „Man ist schließlich noch ein Individuum, das sollte man sich für eine glückliche Beziehung beibehalten“, sagt Brigitte. Als ihr Mann seinen Motorradführerschein machte, wollte sie auch einen Führerschein fürs Auto machen. „Ich wollte nicht wie ein klein Mütterchen zu Hause sitzen“, sagt sie. „Ich wollte auch unabhängig sein.“

Oberhausener Ehepaar: „Es sind die kleinen Dinge im Alltag, die unsere Beziehung ausmachen“

Und dann sind es noch die kleinen Dinge im Alltag, die ihre Beziehung ausmachen. „Egal, wie lange man zusammen ist: sich in den Arm nehmen, sagen, dass man sich lieb hat und vor dem Schlafen einen Kuss auf die Wange geben“, sagt Brigitte Dockhorn. Im Großen und Ganzen sei sie altmodisch. In ihrem Leben wollte sie nur einmal heiraten. „Bislang geht der Plan auf“, sagt sie. Uwe ergänzt: „Wenn Brigitte vor mir sterben würde, wüsste ich nicht, was ich machen sollte.“ Brigitte überlegt einen Moment. „Ich würde dir vorher noch das Wäschewaschen anlernen“, sagt sie.

Einen Wunsch haben die beiden: Den Standesbeamten, der einst nicht an ihre Liebe geglaubt hat, würden sie gerne wieder treffen – und ihm zeigen, dass die Hochzeit die beste Entscheidung ihres Lebens war.

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