Bottrop. Nächtelang diskutiert und gestritten, nun acht Jahre zusammen: Ein Bottroper Paar hat um die Beziehung gekämpft und gewonnen. Was es anderen rät.
Nächtelange Diskussionen, Streit über die richtige Kindererziehung, zerbrochene Vasen: Jessica und Pascal Klösener waren gerade einmal drei Monate zusammen, als sie das erste Mal zur Paartherapie gingen. Ihre beiden Ehen waren zuvor gescheitert. Nicht noch einmal sollte es soweit kommen. Das Paar hat um seine Beziehung gekämpft. Und ist nun seit acht Jahren zusammen und managt eine Patchworkfamilie.
„Wir sind angekommen in der Beziehung“, sagen sie. Der Weg dahin war hart, aber auch lehrreich. Die Sozialarbeiterin und der Feuerwehrmann aus Bottrop erzählen, wie sie ihn gemeistert haben.
Die Geschichte der beiden ist der erste Teil unserer Serie „So liebt das Ruhrgebiet“. Hier stellen wir Menschen an Rhein und Ruhr vor, die eine besondere Liebesgeschichte haben, uns bewegen, inspirieren und Vorbild sein können.
Jessica Klösener erinnert sich noch gut an den ersten Kontakt mit Pascal. Sie sitzt auf ihrem Sofa und öffnet noch ein „allerletztes Mal“ die Dating-App, bevor sie ihr Profil endgültig löschen will. Zu oft ist sie enttäuscht worden. Sie wischt in der App hin und her. Da lächelt sie ein Mann an, Pascal. In den Armen hält er seine beiden Kinder. „Sympathisches Bild“, schreibt Jessica.
Dass Pascal bereits Kinder hat, war für Jessica Grundvoraussetzung, um ihn näher kennenzulernen. Ihre Tochter war damals fünf Jahre alt. Wie schwer es wirklich sein würde, eine Patchworkbeziehung zu führen, das war ihr vorher allerdings nicht klar. „Als wir uns kennengelernt haben, waren da nicht nur er und ich“, sagt Jessica. „Da waren auch die Kinder und die Expartner mit ihren Bedürfnissen.“
Nächtelang lagen die beiden wach und diskutierten. Darüber, wie sie die Kinderzeiten regelten. Wie sie es schaffen konnten, als neue Familie neue Routinen einzuführen. Wie sie Weihnachten verbringen würden. Und wie sie innerhalb der Familien „gesund Grenzen setzen“ konnten. Dabei haben sie viel gelernt.
Tipp eins: Hilfe suchen
Jessica und Pascal Klösener merkten schnell: Sie brauchen Hilfe, einen Perspektivwechsel. „In der Paartherapie wurde uns ganz klar gesagt, dass wir uns trennen müssen, wenn wir das nicht hinkriegen“, erinnert sich Pascal. „Das hat mich wachgerüttelt und mir bewusst gemacht, dass ich erst mit dem Alten abschließen muss, um woanders wieder neu anzufangen.“
Für ihn eine herausfordernde Situation. Pascal beschreibt sich selbst als Harmoniemensch, „ich wollte immer allen gerecht werden.“ Jessica hingegen fiel es anfangs schwer, Meinungsverschiedenheiten zu akzeptieren. „Im Streit habe ich oft laut und impulsiv reagiert“, sagt sie. Pascal ergänzt: „Wir haben gestritten wie die Kesselflicker.“
Heute, acht Jahre später, sitzt er gemeinsam mit seiner Frau in ihrem Wohnzimmer in Bottrop. An der Wand hängen viele Familienfotos. Sie zeigen Jessica, Pascal, ihre Kinder. Direkt daneben ein Schild mit der Aufschrift: „Liebe muss nicht perfekt sein, sondern echt.“ Vom Sofa aus blicken sie auf ein großes Bild von ihrer Hochzeit auf Norderney. Alle fünf strahlen in die Kamera. Sie haben es geschafft, sind eine glückliche Familie.
Tipp zwei: Reden hilft
Was ihnen in schweren Zeiten geholfen hat, ist Kommunikation. „In einer Beziehung ist es das A und O, Probleme direkt anzusprechen, bevor sie einen von innen aufessen“, betont Jessica. „Wir wollen einander verstehen und dabei auch unser eigenes Verhalten reflektieren.“ Niemals verlassen sie etwa im Streit das Haus.
Gründe ich eine Familie? Weitere Texte zum Thema gibt es hier:
- Kinderwunsch: „Er wollte kein Baby. Ich habe mich getrennt“
- Rahel (28): „In diese Welt möchte ich keine Kinder setzen“
- Geburtstrauma: „Konnte mich nicht über mein Baby freuen“
- Wieder schwanger im Job: „Mein Chef war geschockt“
- Nach sechs Fehlgeburten: „Fühle mich frei, nicht kinderlos“
- Social Freezing: Wenn der Kinderwunsch auf Eis gelegt wird
Noch immer ist die Kindererziehung manchmal ein Streitthema. „Wir versuchen das dann über Fragetechniken, Ich-Botschaften und paraphrasieren zu klären“, sagt Pascal. Da lacht Jessica. „Wenn ich merke, dass er die Techniken anwendet, sage ich, dass er das bitte lassen soll, weil ich genau weiß, was er vorhat. Irgendwann lachen wir dann darüber.“
Tipp drei: Zeit zu zweit nehmen
„Es ist wichtig, sich neben dem Familienalltag als Paar nicht aus den Augen zu verlieren“, betont Jessica. Deshalb schreiben sich die beiden gegenseitig kleine Zettel, auf denen gemeinsame Aktivitäten wie „Sauna“ oder „Kurztrip“ stehen. Diese ziehen sie dann an ihrem „Date-Wochenende“. Die Expartner passen an diesen Tagen auf die Kinder auf. „Patchwork hat auch viele gute Seiten“, sagt Jessica und lacht.
Am Anfang der Beziehung schenkte sie ihrem Mann ein großes Glas. Hinein stecken sie ebenfalls kleine Zettel, auf denen sie gemeinsame Erlebnisse festhalten. Am Jahresende holen sie die Zettel raus und lesen sie sich vor. „Diese kleinen Rituale halten unsere Beziehung lebendig“, sagt Jessica.
Ihre Erfahrungen will sie weitergeben. Deshalb hat Jessica Klösener vor kurzem ihre Ausbildung zur Mediatorin abgeschlossen. Künftig möchte sie andere Paare bereits vor ihrem Ehe-Versprechen dabei unterstützen, die gegenseitigen Bedürfnisse und Erwartungen besser kennenzulernen und dadurch mögliche Konflikte zu vermeiden, die im schlimmsten Fall zur Trennung führen.
Bottroper Patchworkpaar: Gestärkt aus der Krise
Letztlich spielte für die Familie auch die Zeit eine große Rolle. Wer eine Krise übersteht, den wirft so schnell nichts aus der Bahn. Auch die Kinder sind älter, selbstständiger geworden, woraus sich für das Paar neue Freiräume ergeben. Dennoch können sie sich nicht ausruhen. „Wir arbeiten ständig daran, das System zu erhalten, weil so viele Personen daran hängen“, sagt Jessica – Ehe, Ex-Partner, Kinder. Sie haben aber ihre Methoden gefunden.
+++ Kennen Sie unseren Familien-Newsletter? Hier anmelden – und Freizeit-Tipps und vieles mehr erhalten +++