Mülheim. Doppelgänger-Agent fahndet nach Double des Bundeskanzlers. Wie er stattdessen einen Sänger fand – und wieso eine Glatze nicht reicht.

Jochen Florstedt will sie alle. Das sagt er gern, bloß kriegt er einen nicht: Olaf Scholz. Der Bundeskanzler fehlt in seiner Kartei der Doppelgänger, dabei sucht der Mülheimer überall, seit Jahren und auch nicht erst, seit der Mann Chef ist in Berlin. Eigentlich, glaubt der Double-Agent, müssten Tausende so aussehen wie Scholz. Kann aber sein: Sie wollen das gar nicht.

Es gibt Bewerbungen, das wohl. 50 vielleicht in sicher sechs Jahren. „Ich sehe aus wie Olaf Scholz“, schreiben Männer, im besten Fall mit Glatze, aber „Glatze allein reicht nicht“, sagt Jochen Florstedt. Die nach oben spitzen Brauen müssen es sein, der erhöhte Hinterkopf, die Schlupflider. Und das „verschmitzte Grinsen“, das andere Leute schon mal „schlumpfig“ nennen. Der 73-Jährige legt Wert auf die biometrischen Daten, als Profi sieht er die Abstände zwischen Augen, Nase, Mund.

Wer ist echt? Rechts der Bundeskanzler, links Ed Sheeran – oder?
Wer ist echt? Rechts der Bundeskanzler, links Ed Sheeran – oder? © Montage: Mazza | Heidrich/dpa/getty

Ähnlichkeit mit Olaf Scholz, aber 30 Kilo schwerer

Längst hat er viele Menschen in seinem Computer, die Promis ähnlich sehen – oder auch nicht. Im Fall Scholz schickte einer sein kaum erkennbares Bildchen vom Personalausweis. Ein anderer klebte das eigene Antlitz neben das von Scholz, Uli Hoeneß und Anthony Hopkins. Er sehe allen dreien ähnlich, behauptete er. Einer sah auf dem Foto „genau so aus“, frohlockte der Agent für einen kurzen Moment. „Haste auch die Statur?“, fragte er zurück. Äh, nein: Der Mann war 15 Zentimeter größer und 20, 30 Kilo schwerer. „Gibt viel zu lachen“, sagt der Agent resigniert. Denn eigentlich ist es nicht lustig.

Er will sie alle: Der Mülheimer Doppelgänger-Agent Jochen Florstedt sucht seit Jahren vergeblich ein Double für Olaf Scholz. Und für die anderen Minister der Ampel.
Er will sie alle: Der Mülheimer Doppelgänger-Agent Jochen Florstedt sucht seit Jahren vergeblich ein Double für Olaf Scholz. Und für die anderen Minister der Ampel. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Agent will gute Doubles von allen Prominenten

Zumal er das Problem schon kennt: Nach einer Herzogin Meghan fahndet er inzwischen nicht mehr ganz so dringend. Das britische Königshaus ist ohnehin ein Problem, zumal unter Deutschen. Bei der hiesigen Regierung indes könnte man nun böse fragen, ob sich die Suche noch lohnt, angesichts der Umfragewerte für die Parteien der Ampel. Aber darum geht es nicht. „Ich würde“, wiederholt Florstedt, „gerne alle Doubles von bekannten Leuten HABEN.“ Was er damit macht, ist dann die nächste Frage – und eine des Stolzes. Denn Scholz, auch Lindner und Habeck, dazu Baerbock, Lauterbach, Pistorius... sucht Florstedt schon so lange, da dachten diese noch gar nicht an eine Koalition. Jedenfalls nicht öffentlich. Ein Jens Spahn „läuft in Düsseldorf rum“, aber der sei so „geht so“. Und dann wiederum: Angela Merkel ist bis heute gefragt.

Das allerdings kann auch an Ursula Wanecki liegen. Die Doppelgängerin der früheren Bundeskanzlerin aus dem sauerländischen Attendorn ist so gut und so gut im Geschäft, die wird immer noch gebucht. Wie oft war sie in der Heute-Show, bei Feiern sogar von russischen Oligarchen! Inzwischen sei Ursula-Angela sogar Ehrenmitglied einer CDU-Ortsunion, erzählt ihr Agent mit gewissem Stolz. Warum die frühere Bundeskanzlerin beliebt bleibt? „Keine Ahnung“, aber es sind ja sogar Menschen unter Vertrag, deren echte Ebenbilder sind längst tot: Freddie Mercury und Marilyn Monroe, Elvis und Einstein.

Kaum zu glauben und auch nicht wahr: Ursula Wanecki aus Attendorn alias Angela Merkel. Sie wird auch Jahre nach dem Abgang der Kanzlerin gut gebucht.
Kaum zu glauben und auch nicht wahr: Ursula Wanecki aus Attendorn alias Angela Merkel. Sie wird auch Jahre nach dem Abgang der Kanzlerin gut gebucht. © picture alliance/dpa/Dieter Menne | -

Chuck Norris, Udo Lindenberg, Angelina Jolie sind gefragt

Laufen alle. Auch Chuck Norris, Daniel Craig (James Bond), Udo Lindenberg, Jürgen Klopp, Johnny Depp oder Angelina Jolie. Und die Blues Brothers, von denen Florstedt selbst einer ist – der kleine, dicke. Nur die Politiker nicht, aber die gibt‘s ja auch nicht. „Dringend gesucht“, steht auf der Internetseite der Doppelgänger-Agentur, darunter eine Liste mit Namen: Auch nach Cem Özdemir, Nancy Faeser, den FDP-Ministern, zudem Staatschefs wie Emmanuel Macron oder Joe Biden wird gefahndet.

 Scholz oder nicht? Diesem Bewerber hat Jochen Florstedt eine freundliche Absage geschickt.
 Scholz oder nicht? Diesem Bewerber hat Jochen Florstedt eine freundliche Absage geschickt.

Die Suche trieb Jochen Florstedt im vergangenen Jahr nach Düsseldorf. Es war die Nacht der Museen, der Gastgeber einer Ausstellung mit Doppelgänger-Fotos erbarmte sich: „Du brauchst doch einen Scholz, dann laden wir Kandidaten ein.“ Was soll man sagen: „Dann standen wir da. Es kam kein einziger Scholz, keiner.“ Aber dann fiel Florstedts Blick auf einen Mann weiter hinten: „Aber wenigstens ist doch ein Ed Sheeran da!“

Es war nicht der Popsänger aus England, es war Maciej Kazmierzcak aus Ratingen. Aber der sieht genau so aus.

Die roten Wuschelhaare, die Brille, der Etwas-mehr-als-Drei-Tage-Bart. Das offene Karo-Hemd überm T-Shirt, das er auch privat gern trägt. Dieses Grinsen, das sagt: Komm, sing mit mir! Dabei kann Maciej gar nicht singen („ich bin nicht wirklich musikalisch“) und Gitarre spielen auch nicht. Aber er hat ein Instrument und immerhin schon zwei Unterrichtsstunden geschenkt bekommen, er muss sie nur noch nehmen. Maciej Kazmierzcak sagt, es sei „schön, dass man aussieht wie einer, der positiv rüberkommt“. Hat ein Popmusiker es deshalb leichter als ein Politiker?

Ed Sheeran, der echte? Nur fast: Maciej Kazmierzcak aus Ratingen sieht dem Sänger täuschend ähnlich.
Ed Sheeran, der echte? Nur fast: Maciej Kazmierzcak aus Ratingen sieht dem Sänger täuschend ähnlich. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Unter dem roten Schopf Ed Sheerans steckt Maciej Kazmierzcak aus Ratingen

Der 34-Jährige, der eigentlich Architekt ist, fiel schon als Ed Sheeran auf, da war der „noch neu“. Eine Kommilitonin sprach Maciej an: „Du siehst aus wie...“ Wie wer, fragte der zurück und sah sich den Typen mal an. Gefiel ihm ganz gut, „aber den kennt ja keiner“. Denkste, mit den Jahren fiel ihm häufiger auf, dass Menschen hinter ihm stutzten, tuschelten, ihn heimlich fotografierten. Inzwischen lässt er sich ab und zu bewusst knipsen. „Wenn ich den Leuten etwas Freude machen kann, gerne.“ (Und ein bisschen schmeichelt es ihm auch.) Viele sprechen ihn einfach an, „das erleichtert den Einstieg ins Gespräch“.

Und, schon reich und berühmt?, hat ihn neulich jemand gefragt. „Ich arbeite dran“, hat das Sheeran-Double gesagt. Aber die Wahrheit ist: Bisher hat noch niemand Ed, den Zweiten, gebucht. Was vielleicht daran liegt, dass Maciej sich den echten noch nicht draufgeschafft hat. „Du brauchst nicht zu singen“, sagt Jochen Florstedt seinen Gesangs-Doubles, aber vielleicht ist es auch nicht genug, so auszusehen wie jemand, der damit berühmt geworden ist. „Lern die Texte, beweg die Lippen, Vollplayback geht immer.“ So macht er es als Blues-Bruder selbst.

Was muss man als Olaf Scholz können? Singen jedenfalls nicht. Ihm ähnlich zu sehen, würde erstmal reichen.

Jochen Florstedt ist selbst ein Double: Hier als kleinerer der beiden Blues Brothers.
Jochen Florstedt ist selbst ein Double: Hier als kleinerer der beiden Blues Brothers. © Florstedt | Volker Rost

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