Gelsenkirchen. Popstar Ed Sheeran ist gleich dreimal in Gelsenkirchen. Warum er erstmals weitere Musiker mitgebracht hat und trotzdem allein mehrstimmig singt.
Sie haben ihren Troubadour erwartet mit seiner Gitarre, Straßenmusik unterm Dach: So war es ja immer in 15 Jahren und auch 2018 noch. Und dann endet der Countdown in der Arena auf Schalke mit Blitz, Donner und Feuerwerk, auf den Leinwänden springen Scheiben, es hämmern neben den Herzen die Bässe in der Brust und lieblich animierte Schmetterlinge fliegen davon: Edward Christopher „Ed“ Sheeran kann auch krachend! Der Sänger kommt zum ersten Mal mit Band. (Und bis Samstag ein zweites und drittes Mal.)
Man hätte das wissen können, das Konzert am Donnerstag ist das 35. auf seiner aktuellen „Mathematics“-Tour, aber doch nicht glauben. Sheeran nicht mehr allein mit seinem Publikum, dieser rotschopfige Barde mit seinen Balladen? Nun, es ist auch nicht ganz wahr. Bassist, Keyboarder, Drummer und zwei Gitarristen spielen im halbdunklen Hintergrund von vier Auslegern der riesigen Bühne aus und auch nur bei wenigen der 23 Stücke auf der seit März nur wenig veränderten Setliste. Dann rockt es, dass das Stadion bebt. Im Zentrum aber bleibt der Star allein. Sein Podium ist ein gigantischer Plattenteller in der Hallenmitte, eine Art begehbare Maxi-Single dreht sich um zwei Standmikrofone: Das ist Eds Spiel-Platz.
180.000 Zuschauer in der Arena auf Schalke
Er will ja auch nur spielen. Bislang auf dieser Tour nur in Großbritannien, eben fünfmal im Wembley-Stadion, demnächst in den Hauptstädten Europas, und dazwischen: Gelsenkirchen. So steht es in bunten Buchstaben auf seinem schwarzen T-Shirt, so ruft er es immer wieder begeistert in die Menge (nur klingt es da ein bisschen anders, „Gälsenkirken“). Zweimal lockte der Popstar schon vor vier Jahren hierher, nun sind der Auftritte gleich drei, und weil hinter der Bühne diesmal keine Kurve gesperrt werden muss, werden bis Samstagnacht 180.000 Zuschauer erwartet.
Die wiederum ihre Lieblingslieder erwarten – und kriegen. „Shivers“, „The A Team“, „Castle on the Hill“, das „Galway Girl“, so schnell übrigens, dass selbst Textsicheren die Zunge lahmt. „Photograph“ und „Overpass Graffiti“, „Shape of You“, „Bad Habits“ und „Afterglow“ – der Hits sind inzwischen so viele, dass kaum noch Raum bleibt für neuere Stücke von der aktuellen Platte „Equal“. Zu „Perfect“, seinem eigenen Lieblingslied und dem von vielen zu zweit gekommenen „Lieblingen“ in der Halle, windet ihm die Lichttechnik Girlanden.
Ed Sheeran kann allein zigstimmig singen
Dieser Ed Sheeran aus England ist ein Alleinunterhalter im besten Sinne, singt, jubiliert, plaudert, rappt, wechselt zu jedem Song die Klampfe, hüpft, schwitzt und rennt schneller, als sich der Boden unter seinen Füßen drehen kann. Über ihm spiegeln das sechs Leinwände im Großformat, die aussehen wie überdimensionale Plektrons. Sein Chor hat 64.000 vor allem Frauenstimmen und damit das übliche Problem: Männer in der Unterzahl. Sheeran aber schafft es, sein Ensemble etwa zu „Give Me Love“ mehrstimmig einzuteilen, es ist ein Mitmachkonzert – und er dabei der Einzige, der allein zigstimmig singen kann, mindestens.
Das liegt an seiner Loop-Station, von der er ins Ruhrgebiet gleich fünf Exemplare mitgebracht hat, und die er schnell erklärt (man hat ihm mal vorgeworfen, sein Gesang sei einer aus der Konserve). „Alles live“, betont Sheeran, da ist seine Band schon in den Katakomben: Der Künstler singt, spielt, benutzt die Gitarre als Trommel und das Mikro zum Beatboxen, das alles vervielfältigt er mit einem Fußpedal zum großen Chor, zum großen Orchester. So entwickelt sich jedes Lied als einziges Crescendo, dieser Mann ist 1000 Musiker gleichzeitig und Mensch gewordenes Multi-Tasking.
„Heute wollen alle dieselben Lieder singen“
Das geht nicht? Musik und Mathe sind doch eng verwandt, was vielleicht die Titel von Tour und Tonträgern erklärt: „+–=÷x“ heißt keineswegs „Plusminus gleich Geteilt durch Mal“, sondern ist die Zusammenfassung von Scheiben wie „Divide“ („÷“) und „Equal“ („=“). Die Rechnung jedenfalls geht auf, unterm Strich steht sogar ein großes Plus. Nicht nur, weil die Veltins-Arena ihr Dach zu Konzerten schließen muss; die Light-Show kommt deshalb an Gelsenkirchener Sommerabenden besser als unter freiem Himmel, wie Sheeran erstaunt feststellt. Auch, weil an den drei Abenden „alle mit derselben Absicht gekommen sind: eine gute Zeit zu haben“. Dies ist zwar erneut eine Stadion-Tournee und es wird auch gespielt – aber kein Fußball, „wo einer gewinnt und einer verliert. Heute wollen alle dieselben Lieder singen“.
Trotzdem trägt Ed Sheeran zum Schlussakkord ein Deutschland-Trikot. Drei Zugaben, gute zwei Stunden, Abtritt in – wohin sonst: den Spielertunnel.