Essen. Diagnose und Behandlung sind oft extrem schwer, viele seltene Erkrankungen sind unheilbar. Im Ruhrgebiet gibt es zwei spezialisierte Zentren.
- Seltene Erkrankungen sind gar nicht so selten.
- Aber es fehlt weltweit an Experten und Wissen.
- Wo gibt es Ansprechpartner und Hilfe? Wir haben die wichtigsten Informationen für Sie zusammengetragen.
Was ist eine seltene Erkrankung?
In Europa gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Als weltweit seltenste Erkrankung überhaupt gilt RPI, die „Ribose-5-Phosphat-Isomerase-Defizienz“. Sie führt zur Zerstörung des Hirngewebes, bislang sind drei Fälle bekannt. Eine der häufigsten seltenen Erkrankungen ist Mukoviszidose (Zystische Fibrose). An dieser Stoffwechselerkrankung leiden allein in Deutschland 8000 Menschen.
Wie häufig sind seltene Erkrankungen?
Seltene Erkrankungen sind überhaupt nicht selten, es gibt um die 8000 verschiedene – und jährlich kommen neue hinzu. Weltweit sind deswegen insgesamt 300 Millionen Menschen betroffen. In Deutschland leben Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums zufolge vier Millionen Menschen mit einer seltenen Erkrankung. Das sei einer von 20, erklärt der Essener Humangenetiker Prof. Frank Kaiser. „In jedem Klassenraum sitzt statistisch betrachtet also einer.“
Wie ist der typische Verlauf einer seltenen Erkrankung?
Den gibt es nicht. Seltene Erkrankungen führen zu sehr komplexen und sehr unterschiedlichen Krankheitsbildern. Der Verlauf ist allerdings meist chronisch, die Erkrankung selten heilbar. Oft treten erste Symptome schon im Kindesalter auf. Denn: „Wir wissen heute, dass 80 Prozent der seltenen Erkrankungen genetisch bedingt sind“, erläutert Kaiser, Leiter des Instituts für Humangenetik am Universitätsklinikum Essen.
Wo liegt die besondere Problematik seltener Erkrankungen?
Betroffenen fehlt es oft an grundlegenden Informationen zu Ursachen, Symptomen und Behandlungsmöglichkeiten. Sie fühlen sich „alleingelassen“ von der Medizin.
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Es gibt nur sehr wenige Experten, sagt Privatdozentin Alma Osmanovic, ärztliche Leiterin des Essener Zentrums für Seltene Erkrankungen (EZSE). Die richtige Diagnose sei darum schwierig, werde oft erst nach jahre- oder sogar jahrzehntelanger Leidenszeit gestellt. Deshalb sei es wichtig, Hausärzte für das Thema zu sensibilisieren; sie zu ermuntern, bei einem komischen Bauchgefühl („da passt ein Patient absolut nicht ins Schema der mir bekannten Krankheiten“) an ein spezialisiertes Zentrum oder in eine Sprechstunde für unklare Erkrankungen zu überweisen.
Auch die Behandlung ist schwierig. Wirksame Therapien sind vielfach unbekannt. Für Wissenschaftler und Pharmaindustrie ist die Forschung im Bereich „Seltene Erkrankungen“ zudem nicht besonders attraktiv (obwohl Zulassungsverfahren von der Europäischen Kommission gefördert werden). Im Englischen heißen seltene Erkrankungen darum auch „Orphan Deseases“ (Waisen-Krankheiten) und die Mittel zu ihrer Behandlung: „Orphan Drugs“.
Wo finden Betroffene Hilfe?
Das „Orphanet Deutschland“, angesiedelt beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, sammelt Wissenswertes rund um seltene Erkrankungen. Hier finden Betroffene Informationen (auch über Medikamente), Literatur, Hinweise auf aktuelle Studien sowie Adressen von Selbsthilfegruppen, Experten und spezialisierten Zentren.
Im Netzwerk „Achse“, haben sich Selbsthilfeorganisationen zusammengeschlossen. Das gemeinsame Ziel: Menschen mit seltenen Erkrankungen (und die, die sie therapieren wollen) miteinander in Kontakt zu bringen, deren Interessen politisch zu vertreten und Wissen zu vermitteln sowie die Forschung zu fördern.
Deutschlandweit gibt es 36 Zentren für seltene Erkrankungen, meist an Unikliniken. Sie dienen als Anlaufstelle für Betroffene, bündeln die Expertise und sind untereinander sowie international vernetzt. In NRW finden sich sieben „ZSE“, in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Köln und Münster sowie in Essen (EZSE)und Bochum (CeSER).
Warum ist der 29. Februar der Tag der seltenen Erkrankungen
Der 29. Februar ist der weltweite „Rare Desease Day“, weil eben auch dieser Tag ein so seltener ist, der seltenste im Kalender. Er wird seit 2008 genutzt, um Öffentlichkeit für das Thema zu schaffen. Mancherorts erstrahlen an diesem Tag öffentliche Gebäude, Monumente oder Sehenswürdigkeiten in den Farben der „Waisen der Medizin“: pink, blau, grün und lila.
In Nicht-Schaltjahren fällt der Tag der Seltener Erkrankungen im Übrigen nicht aus – er findet dann am 28. Februar statt.