Ruhrgebiet. „Die bekommen alles ...“ Diesen Satz hört Uwe Skoczypik an vielen Orten. Nun will er aktiv für eine andere Sicht werben.

Ein Riss geht durch die Gesellschaft. Wir haben Sie, unsere Leser, gefragt, wie sie Diskussionen mit AfD-Anhängern erleben. Wie sich also das große politische Geschehen im Kleinen spiegelt. Und die Fronten verhärten sich. Es zerreißt Freundeskreise, spaltet im Vereinsheim, ja sogar durchs Ehebett geht dieser Riss. Diese Geschichten der Entfremdung haben wir aufgeschrieben.

Hier erzählt Uwe Skoczypik, 69, Essen

Zehn Minuten nachdem Olaf Scholz seine Rede zur Zeitenwende gehalten hat, bin ich online in die SPD eingetreten – als Rentner. Mittlerweile bin ich allerdings sehr unzufrieden mit den handelnden Politikern, auch wenn ich weiter für die Werte der SPD einstehen möchte. Um mich herum sind fast alle unzufrieden.

Uwe Skoczypik
Uwe Skoczypik © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Ob im Privaten, beim Gassi-Spaziergang oder in Bus und Bahn: Ich höre sehr viele Gespräche nach dem Motto: „Die bekommen alles, und wir können sehen, wo wir bleiben.“ Zugleich liest man jeden Tag, wie die Bundespolizei am Essener Hauptbahnhof einschreiten muss. Man kann mit eigenen Augen sehen, wie die Dealer am Busbahnhof ihre Drogen verkaufen. Es sind meist junge Männer dunkler Hautfarbe. So einfach ist es natürlich nicht. Viele blenden aus, dass beispielsweise auch die Busfahrer Migranten sind. Es bleibt dennoch ein Gefühl der Unsicherheit, das in sozialen Medien noch geschürt wird.

Unser Schwerpunkt zum „Kampf um die Demokratie“

Viele Menschen trauen sich auch nicht zu sagen, dass sie Angst vor den vielen Menschen haben, die in unser Land kommen. Sie haben Sorge, man könnte sie für „rechts“ halten. So hat mir persönlich noch keiner gesagt, dass er die AfD wählen würde. Aber sehr viele halten Sahra Wagenknecht für eine gute Wahl. Das halte ich auch für problematisch. Ein Bekannter hat mir neulich gesagt, dass er 100-prozentig hinter Wagenknechts Thesen steht. Zu einem Putin-Sympathisanten möchte ich keinen Kontakt mehr haben.

Wenn es zu solchen Diskussionen kommt, dann betrachtet sich das Gegenüber oft als allwissend. Man hat allein den Durchblick, die anderen sind alle „Schlafschafe“.

Die Sicht der AfD-Anhänger auf solche Diskussionen, lesen Sie hier

Für die Europawahlen muss ich mir nun ein dickes Fell zulegen. Wenn ich dort am SPD-Stand helfe, wird all die Kritik auf mich einprasseln, die ich sogar teile. Wenn mir dann einer sagt, er wähle die AfD, werde ich ihm sagen: Ich kann gut verstehen, dass du unzufrieden bist, das bin ich auch. Aber was bemängelst du denn an der Regierung? So kommt man ins Gespräch. Kein Mensch wird mir nachher sagen, dass er seine Meinung geändert hat. Aber Nichtstun wäre das Falscheste.