Ruhrgebiet. Wie erleben Leser Diskussionen rund um die AfD? Ulrich S. verzweifelt an den Bekannten, die ihre Informationen aus Videoclips beziehen.
Ein Riss geht durch die Gesellschaft. Wir haben Sie, unsere Leser, gefragt, wie sie Diskussionen mit AfD-Anhängern erleben. Wie sich also das große politische Geschehen im Kleinen spiegelt. Und die Fronten verhärten sich. Es zerreißt Freundeskreise, spaltet im Vereinsheim, ja sogar durchs Ehebett geht dieser Riss. Diese Geschichten der Entfremdung haben wir aufgeschrieben.
Hier erzählt Ulrich S.
Schon in der Pandemie sind in meinem Umfeld befremdliche Meinungen aufgekommen. Abstruse Gedanken, von wem angeblich welche Regelungen mit manipulativen Absichten vorgegeben werden. Das kam auch von Menschen, bei denen ich das niemals erwartet hätte. Das Heizungsgesetz und die vielen Pannen dieser Regierung haben bei vielen Bekannten und Freunden erneut eine erhebliche Skepsis ausgelöst. Viele fühlen sich überfordert.
Auch ich kann mit der Regierungsarbeit nicht zufrieden sein. Ich sympathisiere nicht mit den Grünen oder den Linken und glaube auch, dass man die Probleme der Migrationspolitik angehen muss, aber die Lösungen der AfD sind nicht die richtigen. Als Beamter bin ich von Berufs wegen und auch aus Überzeugung der verfassungsmäßigen Ordnung verpflichtet.
Unser Schwerpunkt zum „Kampf um die Demokratie“
- Zeitzeugin zur AfD (93): „Das war damals in der Nazizeit auch so“
- Anti-AfD-Demos: Wie argumentiert man gegen Populisten?
- Populismus: Wie die AfD unsere Sprache verändert
- Wissenschaftler hat untersucht: So sehen AfD-Wähler die Welt
- Streit um AfD beendet Freundschaft: “Ich saß als heulendes Elend zuhause“
- SPD-Mitglied: „Fast alle um mich herum sind unzufrieden“
- Stammtischparolen im Sportverein: „Der Abend macht keinen Spaß mehr“
- Diskutieren mit AfD-Anhängern: „Ich habe ein halbes Dutzend Kontakte abgebrochen“
- Anti-AfD-Demos: Wir können stolz auf uns sein
Ich bekomme WhatsApp-Nachrichten, mit unwahren Behauptungen und rassistischen Witzen. Politiker werden verächtlich gemacht. Wenn ich nach Quellen frage, heißt es oft: „Keine Ahnung, hab ich nur weitergeleitet.“ Dabei zeigt schon kurzes Googeln in den meisten Fällen, dass es sich um Unwahrheiten handelt. Ich habe dann darum gebeten, mir so etwas nicht mehr zu schicken und habe ein gutes halbes Dutzend Kontakte dadurch abgebrochen – darunter gute Bekannte, Kollegen, Leute aus dem Verein.
Die Sicht der AfD-Anhänger auf solche Diskussionen, lesen Sie hier
Ein Bekannter hat zum Beispiel die Blockade der Habeck-Fähre in Schlüttsiel massiv befürwortet. Er hat einfach bestritten, dass überhaupt Menschen dort bedrängt wurden. Die Berichterstattung hierüber nannte er „von der Lügenpresse ideologisch gesteuert.“ Wenn man mit solchen Leuten spricht, ist es, als wenn sie in einer Blase existierten, in der es nur eine Meinung geben kann.
Erstaunlich finde ich, dass diese Bekannten nicht bildungsfern sind, sozial vernetzt und materiell gut ausgestattet. Die bürgerliche Mitte eben. Sie haben nur wenige Berührungspunkte mit Ausländern. Aber sie pauschalisieren und kommen mit den Schlagworten aus diesen kurzen Videoclips, die sie sich im Internet anschauen.
Immerhin mit einigen Bekannten kann man dazu noch in eine sachliche Diskussion kommen, auch wenn die Auffassungen unterschiedlich bleiben. Hier besteht noch Hoffnung.