Dortmund. Immer öfter blockieren Lastwagen derzeit PKW-Rastplätze. Finden Reisende in den Winterurlaub keine Haltegelegenheit zur Pause mehr?

Die A1 ist Martin Püschel heruntergekommen mit seinem Kombi, ist dann auf die A2 gewechselt und schließlich über die A43 gefahren. Sechs Park- und Rasthöfe hat er angesteuert. „Um auf die Toilette zu gehen und mir mal kurz die Füße zu vertreten.“ Hat beides nicht funktioniert. „Wenn ich überhaupt drauf gekommen bin, gab es nirgendwo einen Platz, auf dem ich mein Auto abstellen konnte“, erzählt der 58-jährige Geschäftsmann. „Wie soll das denn erst Weihnachten werden? Das kann doch alles nicht sein.“

Kann es doch. Am Wochenende sowieso und auch in der Woche. „Gegen 17.30 Uhr geht es los“, sagt Andreas Kurz, Leiter des Verkehrsdienstes der Autobahnpolizei Dortmund. Dann haben die meisten Trucker die erlaubte Fahrzeit erreicht und fahren ab von der Bahn. Um einen Platz für die Nacht zu finden. Platz, der immer knapper wird. „Es wird jedes Jahr schlimmer“, sind sich Trucker und Polizei einig.

Geparkt wird der LKW, wo gerade Platz ist

Abgestellt wird der 40-Tonner, wo Platz ist. Zur Not sogar in der Parkplatzzufahrt. Auch das hat Püschel erlebt, spricht von „Zentimeterarbeit“, die notwendig gewesen sei, um an einem in der Einfahrt parkenden Sattelschlepper vorbeizukommen. „Da hat sich der Verkehr hinter mir schnell bis auf die Standspur gestaut. Ich dachte, jeden Augenblick kracht es hinter mir.“ Eine begründete Sorge. Europaweit kommt es durch solche Situationen nach Daten der zuständigen EU-Kommission rund 40-mal im Jahr zu tödlichen Unfällen.

Der ADAC hat das Problem in Zahlen erfasst. Letztes Jahr hat er die falsch abgestellten Lkw an insgesamt 96 Raststätten entlang der wichtigsten Schwerlastverkehrsrouten gezählt. An fast jeder zweiten Rastanlage (46 von 96) parkten Lkw höchst riskant in Ein- und Ausfahrten oder auf dem Seitenstreifen der Autobahn. Auf 92 von 96 Anlagen befanden sich die Laster außerhalb markierter Flächen, also etwa in den Fahrgassen zwischen den Lkw-Stellplätzen. Und auf 86 Rastanlagen standen Lkw im absoluten Halteverbot oder auf nicht für sie freigegebenen Parkflächen, beispielsweise Pkw-Parkplätzen.

70 neue Stellplätze an A44 freigegeben

Natürlich ist das Problem bekannt in den Verkehrsministerien und bei der Autobahn GmbH. Und es wird ja auch gebaut. Letzte Woche erst hat die Autobahn Westfalen die frisch ausgebaute Tank- und Rastanlage „Am Haarstrang-Süd“ an der A44 bei Werl wieder für den Verkehr freigegeben. Mehr als 70 neue Parkplätze für den Schwerlastverkehr stehen nun zur Verfügung. Sogar um gleich 170 Plätze wird derzeit die Rastanlage Lichtendorf Süd erweitert. Landesweit aber fehlen in NRW nach Schätzung der Bundesanstalt für das Straßenwesen (BASt) 4000 Plätze – bundesweit sollen es sogar 40.000 sein.

Verständigung per Übersetzungs-App

Deshalb ist die Polizei gefragt, um die falsch parkenden Trucker zu verscheuchen. Zumindest, wenn sie sich oder andere gefährden. „Dann greifen wir natürlich durch“, sagt Andreas Kurz. Das verbotene Halten und Parken auf der Autobahn, beziehungsweise dem Standstreifen, kann mit einem Bußgeld in Höhe von 30 bis 105 Euro bestraft werden, wer auf dem Rastplatz falsch steht, zahlt immerhin noch 35 Euro.

Summen, die nur bedingt abschrecken. „In manchen Nächten“, erzählt ein Beamter, „habe die einen gerade weggeschickt, da stehen schon die nächsten da.“ Immerhin: die Sprachbarriere, die es vor allem bei osteuropäischen Fahrern zu überwinden gilt, ist niedriger geworden. „Mittlerweile arbeiten wir oft mit einer Übersetzungs-App, die auf den Dienst-Handys installiert ist“, erklärt Luisa Baier, Sprecherin der Autobahnpolizei Münster. „Das funktioniert ganz gut.“

Das tut es in Dortmund auch. „Außerdem sind wir inzwischen multikulturell aufgestellt“, sagt Kurz. „Viele Beamte sprechen auch russisch. Das wird von den meisten osteuropäischen Truckern verstanden.“

Pflicht zur Ruhepause wichtiger als PKW-Parkplatz

Werden PKW-Parkplätze auf dem Rastplatz von 40-Tonnern zugestellt, ist die Autobahnpolizei meist zurückhaltend. Die Pflicht zur Ruhepause sei wichtiger als die Vorgabe, nur bestimmte Parkflächen zu nutzen, heißt es auf Anfrage bei mehreren Pressestellen. Bedeutet: „Der Parkraum für Pkw ist daher reduziert.“ Vor allem in der verkehrsstarken Vorweihnachtszeit.

Und über Weihnachten selbst? Gibt es da gar keinen Platz mehr für Reisende auf den Autobahnparkplätzen? Weil LKW-Fahrer, die an den Feiertagen nicht fahren dürfen, alles zugestellt haben? Da kann die Polizei nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre beruhigen. „Die Zahl der über die Feiertage gestrandeten Trucker ist nach dem Gefühl vieler Kollegen stark zurückgegangen“, sagt Baier.

Die meisten deutschen Fahrer seien zum Fest bei ihren Familien, ergänzt Kurz. Und auch viele ausländische Trucker schafften es dank besserer Disposition in den letzten Jahren bis in die Heimat. Und wer das nicht tut, verbringt die erzwungene Freizeit an den ganz großen Rasthöfen. „Da ist die Chance größer, auf Landsleute zu treffen.“ Noch lieber aber, sagt Kurz, „versuchen die Fahrer, solche Tage abseits der Autobahn zu verbringen.“ Was er gut verstehen kann. „Wer will schon“, fragt Kurz, „das ganze Weihnachtsfest nur auf vorbeifahrende Autos schauen?“

Lesen Sie auch: