Essen. Wenn es kracht auf dem Parkplatz, beruft sich einer der Beteiligten oft auf die Regel „rechts vor links“. Kann er das? Der BGH hat entschieden.
Es passiert jeden Tag irgendwo im Land. Dutzendfach, hundertfach. Auf dem Parkplatz vor dem Discounter oder am Baumarkt. Kurz nicht aufgepasst und es hat gekracht. Verletzt wird in der Regel niemand, aber der Blechschaden ist schnell vierstellig. „Parkplatzunfälle sind ein großes Thema“, weiß Arndt Kempgens, Fachanwalt für Verkehrsrecht aus Gelsenkirchen.
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Parkplatzunfälle sind vor allem ein strittiges Thema. Denn oft beruft sich einer der Beteiligten auf § 8 Absatz 1 Satz 1 der Straßenverkehrsordnung: Wer von rechts kommt hat Vorfahrt. Die Großraumparkplätze, sagen sie, seien schließlich für jedermann frei zugänglich. Deshalb gelte auch die StVO.
Völlig gegensätzliche Urteile in der Vergangenheit
Ja, sagt Kempgens, solche Parkplätze sind in der Tat „verkehrsöffentliche Flächen“. Dennoch lasse sich die Straßenverkehrsordnung nur „sinngemäß“ anwenden. Ein Umstand, der in der Vergangenheit zu teils völlig gegensätzlichen Urteilen vor Gericht geführt hat, wenn es um die Rechts- vor Links-Regelung ging.
Damit ist nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH), das in dieser Woche veröffentlicht wurde, nun Schluss (Az. VI ZR 344/21). Die Richter in Karlsruhe urteilten in einem Fall aus Lübeck. Dort hatten zwei Autofahrer auf einem Baumarkt-Parkplatz einen Unfall gebaut, weil sie sich wegen eines parkenden Sattelzugs nicht rechtzeitig gesehen hatten. Der Kläger kam von rechts und meinte, dass er deshalb nicht für den Schaden des Unfallgegners hafte.
Strenge Vorfahrtsregeln nicht erforderlich
Das sahen die Richter anders. „Rechts vor links“ gelte auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung nur in Ausnahmefällen, urteilten sie – nur dann nämlich, wenn die Fahrspuren „eindeutigen Straßencharakter“ haben. Was auf den meisten Parkplätzen nur bei den Zu- und Abfahrten der Fall ist.
Es handelt sich, so der BGH, deshalb nicht um eine Kreuzung, wenn zwei Fahrgassen eines Parkplatzes aufeinander treffen. Typischerweise seien die Flächen zudem vor allem zum Rangieren und zum Be- und Entladen da. Außerdem seien auch Leute zu Fuß unterwegs. All das stehe „einer zügigen Fahrweise entgegen“.
Juristen loben Deutlichkeit des Urteils
Strenge Vorfahrtsregeln seien deshalb gar nicht erforderlich, so die Richter weiter. Gegebenenfalls müssten sich Autofahrer untereinander verständigen. Auf Großraumparkplätzen dürften Fahrer in der Regel ohnehin nur langsam fahren und müssten jederzeit bremsbereit sein. Erst recht, wenn der Parkplatz voll und die Verkehrsverhältnisse unübersichtlich seien.
Das Urteil überrasche ihn nicht, sagt Anwalt Kempgens. „Was ich nicht erwartet habe, ist die Deutlichkeit, mit der der BGH diese extrem wichtige Rechtsfrage entschieden hat. Nun ist endgültig klar, dass auf Parkplätzen besonders defensiv gefahren werden muss.“