Ruhrgebiet. Für die EM sucht die UEFA weiter „Volunteers“. Warum besonders Gelsenkirchen noch Bedarf hat, eine Hernerin aber unbedingt nach Dortmund will.

Grün ist die Hoffnung, Grün ist aber auch die Hilfe: Die Volunteers der Fußball-EM tragen grasgrüne Kluft. In Gelsenkirchen wurde das Geheimnis gelüftet, die ersten freiwilligen Helfer durften Teile der Uniform schon anprobieren. Derweil sucht die UEFA immer noch Kandidaten, dabei sind 138.000 Bewerbungen für 16.000 Jobs bereits da – und Fendin Ajani aus Herne schrieb die allererste.

Es war Mitternacht im Juni, als die 19-Jährige begann zu tippen, auf Englisch. Um gleich zu beweisen, dass sie auch diese Voraussetzung mitbringt. 13 Minuten brauchte die Studentin, um zu notieren: dass sie die Europameisterschaft „hautnah erleben“ möchte, dass sie „gern mit Menschen in Kontakt“ ist und dass sie nach Dortmund will. Dabei ist für Fendin Gelsenkirchen näher, aber nicht ihrem Herzen – sie ist fußballbegeistert, aber nun mal BVB-Fan.

Das ist Fußball: Dortmund-Fan, aber Karten für Gelsenkirchen

Würde gern bei der Choreo vor dem Spiel mitwirken: Fendin Ajani (19).
Würde gern bei der Choreo vor dem Spiel mitwirken: Fendin Ajani (19). © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Sie sagt das etwas entschuldigend: Die Anprobe ist in Gelsenkirchen, und ihr gegenüber sitzt Gerd. Gerd Blaschczik, 59, haben sie schon angenommen als „Langzeitvolontär“, er unterstützt schon jetzt und „übt“ bereits jahrelang auf Schalke. Diese beiden trennen 40 Jahre, 40 Kilometer – und bei den Vereinsfarben Welten. Aber sie werden gemeinsam dem Fußball dienen und den Fans, die eine in Dortmund, der andere in Gelsenkirchen, wenn im Juni 2024 Europa ins Ruhrgebiet kommt (und Fendin hat noch dazu Karten ergattert – allerdings für die „verbotene Stadt“).

Ihre Bewerbung als Helferin poppte im System der EM-Organisatoren als erste auf, weltweit. „Sie hätte auch aus China kommen können“, sagt ein Mitarbeiter, tatsächlich haben sich Interessenten aus Italien, der Schweiz und sogar den USA gemeldet. Nummer 1 aber eben aus Dortmund: Fendin Ajani wurde noch für denselben Abend zu einem Auswahlgespräch eingeladen.

Fußball verbindet die Freiwilligen

Der Fußball verbindet die Studentin der Forensischen Chemie und den ehemaligen Mitarbeiter einer großen Telekommunikationsfirma: Sie haben beide gespielt. Gerd, bis ein Kreuzbandriss seine Karriere stoppte; Fendin, bis Schule und Studium sie zum Zuschauen verdammten. Aber Fußball, sagt die 19-Jährige, „ist bei uns so ein Familiending“, alle Geschwister und auch der Papa haben auf dem Platz gestanden oder stehen dort noch, und nun reden sie drüber, eigentlich immer. Und Gerd, bei dem steht sein Verein noch vor der deutschen Mannschaft: Der UEFA sagt der Frührentner ab, wenn Schalke gegen Elversberg kickt.

Rivalität zwischen Schalke und dem BVB: „Nur Gefrotzel“

Denn dann gibt er an der Arena den Platzanweiser, „da stehen Leute vor mir, die wissen wollen, wie sie Block 75 finden“. Gerd Blaschczik findet es wichtig, den Fans „mit Freude und Emotion“ zu begegnen. Wenn er derzeit neue Volunteer-Kandidaten aussuchen soll, will er wissen, „wie geben die sich“: Sind sie lustig, empathisch, aufgeschlossen? „Es geht hier ja nicht um einen 250.000-Euro-Job, sondern darum, dass Menschen ihre Freizeit opfern. Da kann ich nicht knallhart fragen.“ Also guckt der 59-Jährige, ob er den Bewerbern auch mal „einen kleinen Spruch drücken“ kann: „Wir sind schließlich hier im Ruhrgebiet.“ Im übrigen kennt er das von der Rivalität zwischen Schalke und dem BVB: „Das ist doch alles nur Gefrotzel.“

Hat Volunteer-Erfahrung auf Schalke: Gerd Blaschczik (59).
Hat Volunteer-Erfahrung auf Schalke: Gerd Blaschczik (59). © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Doch ausgewählt werden muss, sie haben bei der UEFA immerhin 122.000 Bewerber zu viel. Und es könnten noch mehr werden: Die Frist läuft erst am 15. Dezember ab. Die meisten allerdings, gestehen sie beim Volunteer-Team, wollen in Berlin oder München anpacken. Auch Dortmund meldet 3100 Bewerbungen – bei 1600 Helfern, die jeder Spielort braucht. Gelsenkirchen kommt auf 1700, das würde reichen, aber gewünscht sind eigentlich mehr.

Keine Fahrer: Ehrengäste wohnen nicht in Gelsenkirchen

Deshalb brauchen sie auch Gerd Blaschczik, dabei würde der so gerne fahren. Aber Fahrer suchen sie nur in Düsseldorf, in Gelsenkirchen gibt es keine: „Kein Bedarf, die Gäste wohnen eher nicht hier im Hotel.“ Gerd könnte sich aber auch das „Venue-Management“ vorstellen, also die Organisation am Stadion selbst. Er würde dann die Arena an die UEFA übergeben. Oder die Akkreditierung. Oder das Spiel-Management. Oder…

Fendin würde gern tanzen. Also, „wahrscheinlich nicht wirklich tanzen“, aber mitmachen bei der Zeremonie vor der Partie: Fahnen tragen, schwenken, was auch immer choreographiert wird auf dem Platz. „Ceremonymaker-Volunteer“ nennen sie das. In ihrer Freizeit tanzt Fendin Hip-Hop, sie singt. Und backen kann sie auch, aber das wird wohl eher nicht gefragt.

Falls der Fußball sie im Stadion nicht braucht, würde die Studentin auch in die „Fanzone“ gehen. Dort ist man ein „Gesicht der EM“, und dafür machen die Helfer das: für den Kontakt mit den Menschen, dafür, Teil des Turniers zu sein. Dafür nehmen sie ihren Jahresurlaub, und Fendin würde sogar die Labortage an der Uni nacharbeiten. Sie ist jetzt schon stolz, dass „so viele EM-Spiele in Nordrhein-Westfalen stattfinden dürfen“. Und auch Gerd, der hat „nicht gleich eine breite Brust“, aber fühlt es doch: „Es ist etwas Besonderes, dass Gelsenkirchen dabei ist.“

EM-Finale in Berlin: Wer spielt, wer holt den Titel?

Und dass sie die Uniform schon einmal probetragen dürfen. Es ist noch nicht das „finale finale Design“, aber doch schon zu sehen: Jacken und Shirts sind grasgrün, kurze und lange Hosen grau, dazu gibt es Kappen und Turnschuhe. Steht den beiden. „Schön grün“, sagt jemand spontan. „Grün ist die Hoffnung.“ Aber worauf? Dass sie in dieser Farbe die eigene Mannschaft feiern werden bis zum Schluss – das glaubt ja kaum einer. „Wäre schön, wenn sie weit kämen“, sagt Fendin. „Im Vorfeld zu viele Querelen“ hat Gerd gesehen. „Echt schwierig, das in kurzer Zeit noch rumzureißen.“ Europameister wird Spanien, glaubt Gerd. Fendin tippt auf Frankreich. Das Finale in Berlin werden sie beide nicht live sehen. Sie werden im Ruhrgebiet gebraucht.

Das Logo der Fußballeuropameisterschaft.
Das Logo der Fußballeuropameisterschaft. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

>>HIER KANN MAN SICH BEWERBEN:

Noch bis Freitag, 15. Dezember, suchen die zehn Gastgeberstädte gemeinsam mit der UEFA insgesamt 16.000 Volunteers für die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland. Das Turnier findet vom 14. Juni bis zum 14. Juli in statt, in NRW sind neben Dortmund und Gelsenkirchen auch Köln und Düsseldorf Spielorte.

Die freiwilligen Helfer sollten mindestens 18 Jahre alt sein, Deutsch und Englisch sprechen und mindestens an den Spieltagen in ihrer Stadt zur Verfügung stehen. Als Dank bekommen sie den Dress, eine Versicherung, ein Zertifikat, die Verpflegung, ein Ticket für den Nahverkehr für die Zeit des Events, ein Geschenk und die Einladung zu Auftakt- und Abschiedsparty.

Bewerber werden im Vorfeld persönlich oder per Video interviewt. Im Januar soll das Team für alle zehn Städte stehen.

Bewerbungen unter https://www.euro2024volunteers.com/