Essen. Beim Hallo Doc!-Forum wurde über den Hirntumor Glioblastom diskutiert. Welche alternativen Therapien es gibt und was die Psyche damit zu tun hat.
Jeder zweite Mensch erkrankt in Deutschland im Laufe seines Lebens an Krebs. Ein schwerer Schlag – vor allem, wenn man an einer bösartigen Form erkrankt, die unheilbar ist. Darüber, die Perspektiven sowie die Alternativen zur Standardbehandlung waren die Themen des „Hallo Doc!-Forums“, das von der Funke Mediengruppe und der Selbsthilfe-Organisation „yeswecan!cer“ veranstaltet wurde.
Der Abend in der Funke-Zentrale in Essen drehte sich um das Glioblastom, die wohl bösartigste Form eines Hirntumors. Vor rund 120 Zuschauern sprachen Experten im Rahmen der Kampagne „Gemeinsam gegen Glioblastom“ über die Krankheit und ihre Behandlungsmöglichkeiten. Heiko Schmidt, selbst Glioblastom-Patient, erzählte, was ihm persönlich besonders geholfen hat. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
- Lesen Sie auch: Krebspatient: „Ich will anderen Betroffenen Hoffnung geben“
Was ist eigentlich ein Glioblastom?
Ein Glioblastom ist ein bösartiger Hirntumor, wenn nicht sogar der bösartigste. Es ist eine der aggressivsten Krebserkrankungen bei Erwachsenen. Das Glioblastom wächst nahezu ausschließlich im Gehirn und Rückenmark. „Meist entsteht das Glioblastom ohne Vorstufen, quasi aus dem Nichts“, sagte Professor Michael Sabel vom Universitätsklinikum Düsseldorf. Es gibt allerdings noch eine weitere Art von Hirntumoren: Sie entstehen, wenn andere Krebserkrankungen in das Gehirn streuen. Das sei bei Glioblastomen aber äußerst selten.
Jährlich erkranken in Deutschland etwas 30.000 Menschen an einem Hirntumor, etwa ein Zehntel davon an einem Glioblastom. „Es ist extrem wichtig über diese Erkrankung zu sprechen, sodass sie und vor allem die Betroffenen nicht am Rande stehen“, betonte Professor Martin Glas von der Uniklinik in Essen.
- Lesen Sie auch: Krebs mit 29: Kristina Hardt lebt mit dem Tod vor Augen
Wie sind die Heilungschancen?
„Beim Glioblastom haben wir eine Erkrankung, die wir nicht heilen können“, so Glas. Wie lange die Patienten mit dem Tumor noch leben werden, könne nicht pauschal beantwortet werden. „Jeder hat seine eigene Erkrankung und dadurch auch unterschiedliche Erwartungen“, weiß der Experte: „Wir können Zahlen nennen, es gibt hierfür natürlich gute Statistiken, aber ich sage den Patienten immer: Überraschen Sie uns alle, schlagen Sie die Statistik!“
Wie bemerkt man die Erkrankung?
Es gibt keine klassischen Anzeichen bei einem Glioblastom. Es gibt aber häufige Symptome, die auch auf andere Erkrankungen des Gehirns hinweisen können. Sie können aber auch harmlos sein. Ein plötzlicher epileptischer Anfall, akut auftretende neue Verhaltensweisen oder Defizite können Alarm-Symptome sein, zum Beispiel eine Wesensänderung, Gedächtnisstörungen oder eine Sprachstörung. Auch die schleichende Entwicklung, dass sich beispielsweise ein Arm schlechter bewegen lässt, kann ein Anzeichen sein. „Wenn so etwas auftritt“, so Glas „macht es sicherlich Sinn, ein Bild vom Kopf machen zu lassen.“
- Lesen Sie auch: Ärztin aus Essen hat Krebs: „Jetzt sehe ich Medizin anders“
Wie sieht die Standardtherapie aus?
Über eine MRT-Aufnahme kann ein Hirntumor festgestellt und zumindest der Verdacht auf ein Glioblastom erhoben werden. „Am Anfang steht dann immer eine Operation“, sagte Dr. Laurèl Rauschenbach von der Uniklinik Essen. Dabei geht es entweder zunächst nur darum, Proben für weitere Untersuchungen zu entnehmen oder direkt möglichst viel vom Tumor selbst zu entfernen. „Das hängt von der Lage des Tumors im Gehirn ab.“
Nach der Operation erhält der Standardpatient, wie Rauschenbach ihn nennt, eine Strahlen- und Chemotherapie, beziehungsweise eine medikamentöse Therapie. Die vierte Therapiesäule stellt die Behandlung mit den sogenannten elektrischen Wechselfeldern dar, ergänzte Prof. Glas. In regelmäßigen Abständen werden MRT-Bilder gemacht, um den Verlauf zu kontrollieren. Aber: „Leider bleiben auch nach der Strahlentherapie noch Restzellen“, beantwortete Michael Sabel die Frage aus dem Publikum: „Wir können das Glioblastom nicht heilen, aber dennoch die Krankheit immer besser bekämpfen.“
Gibt es Alternativen zur Standardtherapie?
Ja. Die integrative Onkologie ist beispielsweise eine Kombination aus konventioneller Medizin und wissenschaftlich geprüfter Naturheilkunde, erklärte Professor Gustav Dobos (Uniklinik Essen). „Das Ziel ist nicht der Ersatz, sondern eine Begleitmaßnahme anzubieten.“
Diese befasst sich besonders mit dem Lebensstil der Patienten und ist auf die Achtsamkeit ausgerichtet. Ziel der integrativen Onkologie sei es, eventuelle Nebenwirkungen zu verringern, die körperliche sowie psychische Gesundheit zu verbessern und so die Lebensqualität weitestgehend zu erhalten. Außerdem sollen Depressionen reduziert und die Einhaltung der gesetzten Therapieziele verbessert werden.
Kann ausreichend körperliche Bewegung den Krankheitsverlauf beeinflussen?
„Die verbesserte körperliche Fitness kann die Prognose von Krebserkrankungen verbessern und reduziert die Gefahr, dass Depressionen auftreten“, sagte Gustav Dobos. Das sei auch schon bei einem geringen körperlichen Einsatz möglich. Betroffene sollten laut Experten dreimal wöchentlich 60 Minuten joggen oder schwimmen oder täglich 60 Minuten radfahren oder spazieren gehen. Wie viel Sport möglich sei, hänge aber immer von der Erkrankung und der körperlichen Verfassung ab. Generell gelte: „Patienten mit Glioblastom sollten körperlich so fit und aktiv wie möglich sein.“
Spielt die Psyche eine Rolle?
Es ist wichtig, wie man selbst mit der Diagnose umgeht, weiß Heiko Schmidt. „Das eigene Mindset ist sehr wichtig. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich nicht so gesund hier sitzen könnte, wenn ich nicht selber daran gearbeitet hätte.“ Wirklich gesund ist Schmidt jedoch nicht. Der ehemalige Bürgermeister von Sonsbeck, das am Niederrhein liegt, kann nicht geheilt werden. Schmidts Selbstwahrnehmung bestätigte Dobos: „Depression und Angststörungen verschlechtern die Prognose eines Glioblastoms.“ Akupunktur, Yoga und Meditation seien beispielsweise Therapien, um die Angst zu reduzieren und die Depression positiv zu beeinflussen. „Ich empfehle jedem Patienten, vor allem denen mit Glioblastom, auch zu meditieren.“