Ruhrgebiet. Heiko Schmidt (46) leidet an einem Hirntumor und gilt als austherapiert. Doch auf einem Forum in Essen spricht er bald. Wofür er sich einsetzt.

Eigentlich wollte Heiko Schmidt an jenem verfluchten Tag die örtlichen Ehrenamtlichen auszeichnen. Doch als er vor ihnen stand, fand er die Worte nicht, die er aufgeschrieben in der Hand hielt. „Das waren vielleicht anderthalb DIN A4-Seiten, aber ich war nicht in der Lage, sie vorzulesen“, erinnert er sich. Wenig später stand es fest. Krebs. Hirntumor. Glioblastom. Mit das Bösartigste, was man kriegen kann.

„Ich bin jetzt Rentner geworden“, sagt der 46-Jährige Schmidt, der frühere hauptamtliche Bürgermeister von Sonsbeck, bei der Begrüßung an der Haustür. Nach OP, Chemo und Bestrahlung war er 2020 ins Amt zurückgekehrt, war überwältigend wiedergewählt worden. „Nach der ersten OP haben wir noch Hoffnung gehabt“, sagt seine Frau, Nadine Schmidt (47).

„Ich bin ein positiv denkender Mensch“

Heiko Schmidt spricht offen über seine Krankheit.
Heiko Schmidt spricht offen über seine Krankheit. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Doch die Krankheit kam zurück. Zum 30. Juni 2023 hat er sich in den Ruhestand versetzen lassen. „Irgendwann muss man sich in sein Schicksal fügen, jedenfalls, was das Amt angeht.“ Wie lange Schmidt noch lebt, das weiß er nicht, das kann auch niemand sagen. Doch die Zeit will er nutzen.

Heiko Schmidt nimmt am kommenden Montag, dem 23. Oktober, am nächsten „Hallo-Doc-Form“ bei Funke in Essen teil. Es geht eben um das Glioblastom, um Therapien und künftige Ansätze. Unter mehreren Medizinern auf dem Podium ist Schmidt der einzige Betroffene. „Ich will ja anderen Betroffenen noch Hoffnung geben“, sagt er.

Er gilt als austherapiert. Keine Heilung möglich nach heutigem Stand. Doch man sieht es ihm nicht an. Schmerzen hat er auch nicht. Geringe Sprachstörungen hat er, die Vergesslichkeit von Namen und Terminen ist größer geworden. „Ich bin ein positiv denkender Mensch.“ Und so hat er, der Austherapierte, weitere Behandlung angestrebt: Chemo in Essen, Bestrahlung in Wesel. Läuft Viele Termine. Nadine Schmidt fährt.

„Langfristige Ziele sind für uns unrealistisch geworden“

Das Rathaus von Sonsbeck war neun Jahre Heiko Schmidts Wirkungsstätte.
Das Rathaus von Sonsbeck war neun Jahre Heiko Schmidts Wirkungsstätte. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Dass er sich der Öffentlichkeit stellt, hat noch einen anderen Grund. Schmidt setzt sich ein für die bessere Vernetzung unter den beteiligten Ärzten und Krankenhäusern. „Es kann nicht sein, dass man die Daten einer medizinischen CD nicht übertragen kann. Dass da eine Person“ (seine Frau) „hinfahren muss und die CD transportieren“. Dass Ärzte eine bestimmte medizinische CD nicht öffnen können, weil es dafür unterschiedliche Programme gibt. Dass eine neue Ärztin die bisherige Behandlung aus den Notizen einer App (seiner App) rekonstruieren muss. Hat Schmidt so erlebt, wie er sagt.

Wie viel Zeit bleibt? „Die Ärzte sind da sehr zurückhaltend . . . Langfristige Ziele wie ein großer Urlaub sind für uns unrealistisch geworden.“ Man setze sich kleine Ziele: „Zeit für unsere Tochter, gucken, wie sie sich entwickelt und dass alles klappt.“

Lina, die Tochter, ist jetzt 14. In seiner Zeit als Bürgermeister habe er wegen der Belastung viel von ihr verpasst, sagt Nadine Schmidt. Dann zu ihm: „Aber die Zeit, die du ihr jetzt gibst, das saugt sie richtig auf.“ Er sagt: „Dass das nicht heilbar ist, das weiß ich, und es könnte meine Todesursache sein. Aber ich möchte Zeit gewinnen für meine Familie und sehen, wie sie sich entwickelt. Wenn ich Linas 18. Geburtstag noch erleben könnte: Das wäre schön.“

Hallo-Doc-Forum diskutiert öffentlich Therapien des Glioblastoms

Das Glioblastom, eine besonders bösartige Form von Hirntumor, ist Thema beim nächsten „Hallo Doc!-Forum“ in Essen. Funke und die Selbsthilfe-Organisation „yeswecan!cer“ laden für den kommenden Montag, den 23. Oktober, zu einem kostenlosen Informationsabend ein: „Diagnose Glioblastom - Therapien und Perspektiven für Betroffene.“

Was sind Optionen außerhalb der Standardtherapie? Was ist in naher Zukunft abzusehen? Es geht um effektive Behandlungsansätze und letztendlich darum, die Lebensqualität der betroffenen Patienten zu verbessern.

Dazu äußern sich auf der Bühne die Neuroonkologen Professor Martin Glas (Essen), Professor Michael Sabel (Düsseldorf) und der Internist Professor Gustav Dobos (Duisburg). Dazu kommen Dr. Laurèl Rauschenbach , Preisträger der Deutschen Akademie für Neurochirurgie, und Heiko Schmidt, früherer Bürgermeister von Sonsbeck und selbst Glioblastom-Patient.

„Die Krankheit ist bösartig“, sagt Professor Martin Glas von der Initiative „Gemeinsam gegen Glioblastom“. Das Thema laufe am Rande der Gesellschaft, gehöre aber in ihre Mitte. „Wir können es nicht heilen, aber es hat sich dennoch schon eine Menge getan.“

Das Forum am 23. beginnt um 17 Uhr im Großen Saal des Funke-Gebäudes am Jakob-Funke-Platz 1 in Essen und endet gegen 20 Uhr. Anmeldungen unter 0177 241 8761 oder eventbrite.com.