Ruhrgebiet. Etliche Städte planen, Parkplätze am Straßenrand in der City zu streichen. Sie haben andere Vorstellungen, wie Autofahrer in die Stadt kommen.

Dass die Verkehrswende sich ausgerechnet zwischen den Kneipen „Rosi“ und „Zum Posthörnchen“ materialisieren würde, war eigentlich nicht zu erwarten. 18 Parkplätze sind dafür in Gelsenkirchen-Mitte vorübergehend weggefallen zugunsten einer Installation aus hölzernen Sitzmöbeln, freundlicher Bepflanzung und gutem Willen, und Stadtbaurat Christoph Heidenreich konterte die erwartete Kritik am Parkplatz-Klau vorauseilend: „Ich habe auf der ersten Ebene im Parkhaus was gekriegt.“ Ja, da soll es hingehen . . .

Denn die Verkehrswende wird ganz sicher nicht dabei stehen bleiben, hier und da einen weiteren Radweg, eine nächste Busspur aufploppen zu lassen. Oder ein Handvöllchen Parkplätze für eine gewisse Zeit durch die sogenannten Stadtterrassen zu ersetzen, also geschützte Treffpunkte für Anwohner und Nachbarn auf Parkflächen und Fahrbahnen.

Drei Umbau-Varianten haben eines gemeinsam: Keine Parkplätze mehr

Witten Wiesenstraße, Herne Eickeler Markt, Gelsenkirchen Weberstraße, etliche mehr - und durch Polsum ist gar eine Terrasse gewandert. Da klebt sich niemand fest, sie stellen nur was auf. Ein besonders differenzierter Leserbrief hat das neulich „weltfremden Studenten-Schwachsinn“ genannt.

Doch es ist bald Schluss mit lästig. Es wird ernst. So gibt es in Bochum ein Verkehrskonzept zugunsten neuer Fahrrad-Achsen, das vorsieht, am zentralen Südring rund 55 Parkplätze - je nachdem, wie die Leute parken - zu streichen. „Es geht darum, Busse und Fahrradfahrer im Gesamtverkehr besser unterzubringen“, sagt Planungsamtsleiterin Heike Möller. Die drei Umbau-Varianten der Straße haben nur eines gemeinsam: keine Parkplätze mehr. „Wenn wir da keine mehr haben, stellt sich gar nicht die Frage, auf der Straße einen Parkplatz zu suchen. Dann fährt man gleich in die Parkhäuser“, sagt Möller.

Parkplätze in der Innenstadt sollen anders genutzt werden

In Essen nebenan gibt es einen politischen Beschluss. Bezirksvertretung, das kann sich also wieder ändern. Aber da steht, Essen habe im Kern 1250 bewirtschaftete Parkplätze an Straßen und 6000 in Parkhäusern. Die seien nie ausgelastet. „Die Idee ist jetzt, die Autofahrer dazu zu bewegen, ihre Autos in den Parkhäusern zu parken und die Parkplätze in der Innenstadt anders zu nutzen“. Fahrrad, Fußgänger, Freizeit, Abteilung Grün und Blüh, Spielflächen . . . 120 Parkplätze würden demnach in einem ersten Schritt entfallen.

Solange man denken kann, aber mindestens seit zehn Jahren diskutiert Mülheim, den überaus öden Rathausmarkt umzubauen. Der Knackpunkt waren immer die Parkplätze dort. Nun hat der Planungsausschuss beschlossen: Wir machen den Platz neu und autofrei. 30 Parkplätze fallen weg. Auch hier steht schon die Lösung Parkhaus im Raum: Eine Analyse zeigt, dass sie in Mülheim zu Spitzenzeiten zu 80 Prozent besetzt sind, aber normalerweise zur Hälfte leerstehen.

Innenstadt ist mehr als „ein Laden mit einem Parkplatz davor“

Der überaus öde Rathausmarkt von Mülheim soll umgebaut werden. Dann gibt es dort keine Parkplätze mehr.
Der überaus öde Rathausmarkt von Mülheim soll umgebaut werden. Dann gibt es dort keine Parkplätze mehr. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Autos rein in die Parkhäuser und damit Autos raus aus der Stadt: Da bewegen sich diese Revierstädte im Landestrend. Hamburg arbeitet an einer Innenstadt (und verschiedenen Szenevierteln), in der möglichst nur noch Anwohner, Handwerker, Lieferanten und Menschen mit Behinderung an der Straße parken können. Wiesbaden will alle Ortsfremden direkt in Parkhäuser lotsen.

Auch Frankfurt ist dabei. Verkehrsdezernent Wolfgang Siefert (Grüne) über die nahe Zukunft: „Da ist ein bisschen Fahren, da ist Lieferverkehr, viel mehr Raum für Fußgänger und Radfahrer, aber auch viel Grün und mehr Aufenthaltsqualität.“ Eine Innenstadt sei mehr als „ein Laden mit einem Parkplatz davor“.

Im kleinen Gladbeck entfallen gerade 190 Parkplätze für einen Fahrradweg, zunächst für ein Jahr, Ersatz gibt’s weiter draußen. Autofahrer schimpfen (wie, nicht ganz unerwartet, an den anderen Stellen auch). In Duisburg-Ruhrort entzweit die autofreie Umgestaltung des Neumarkts die Leute: „Wir sind ja nicht gegen eine Veränderung, wir sind nur dagegen, dass so viele Parkplätze wegfallen“, sagt ein Geschäftsmann. Und für eine vielbefahrene, gern zugeparkte andere Straße in Duisburg gibt es (vage) Pläne eines „Pop-up-Waldes“ in Parkbuchten: Man sieht förmlich, wie die Bäume in die Höhe schießen.

Auf Parken im öffentlichen Raum gibt es keinen Anspruch

Zählungen in Bochum, Essen und Mülheim zeigen: In den Parkhäusern und Tiefgaragen gibt es an normalen Tagen immer viele freie Plätze.
Zählungen in Bochum, Essen und Mülheim zeigen: In den Parkhäusern und Tiefgaragen gibt es an normalen Tagen immer viele freie Plätze. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Ein ,Weiter so’ mit der autogerechten Stadt wird es nicht geben, und zwar deshalb: „Straßen und Häuser sind da, also ist der Platz begrenzt. Wenn das Fahrrad gefördert werden soll, muss der motorisierte Individualverkehr eingeschränkt werden“, sagt ein Amtsleiter.

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Anne Klein-Hitpaß vom „Deutschen Institut für Urbanistik“ sagt: „Die Innenstädte sind in einer Umbruchphase. Heute hat man noch das Gefühl, das Auto steht im Mittelpunkt und nicht der Mensch.“ Im Forschungsprojekt „Verkehrswende: Kurzer Prozess!“ arbeitet sie an der Frage, wie dieser Umbruch beschleunigt werden kann „in Anbetracht der Klimaschutzziele und des wachsenden Drucks aus der Zivilgesellschaft, zum Beispiel in Form von Radentscheiden“.

In Bochum macht die Zivilgesellschaft auf X Druck, dem alten Twitter. „Verkehrswatch Bo“, ein privater Kanal aus dem Umfeld der Radwende, meldet sich mehrmals täglich mit immer neuen Vergleichen, etwa so: „Um 8 Uhr sind 4267 von 5585 Parkplätzen in Parkhäusern nicht besetzt, eine Flächenverschwendung von 53.337,5 Quadratmetern“. So ist es oft, da ist offenbar viel Luft. Weitere Parkplätze am Straßenrand wird die Stadt nicht streichen. Stand jetzt. Aus dem Rathaus ist auch schon der Satz gekommen: Parken im öffentlichen Raum sei ein Angebot, es gebe keinen Anspruch darauf.