Ruhrgebiet. Kinder, berufstätig oder beides: Das „Kümmern“ bleibt in Familien vor allem an den Frauen hängen. Sogar ihre Partner wünschen sich das anders.

Was essen wir heute Abend? Wann ist der nächste Arzt-Termin? Wer ruft Opa an? Was schenkt man Tante Bärbel zum Geburtstag? Es ist solche „unsichtbare Denkarbeit“, neben dem Haushalt, die in Familien Zeit und Kraft kostet – und meistens sind, die da denken, weiblich. Für eine neue Studie haben Wissenschaftlerinnen diesen sogenannten „Mental Load“ von 2200 Menschen untersucht. Wichtiges Ergebnis: Die Belastung wird mehrheitlich immer noch von Frauen getragen. Selbst, wenn sie in Vollzeit berufstätig sind.

Dass Mütter eher als Väter kochen, putzen, pflegen, ist aus verschiedenen Untersuchungen lange bekannt. Nun blicken Dr. Yvonne Lott und ihre Ko-Autorin Paula Bünger auf die Organisation des Alltags. Und fanden für das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung heraus: „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich in Paarbeziehungen von Erwerbstätigen überwiegend die Frau darum kümmert ..., liegt bei 62 Prozent.“ Fast zwei Drittel der Frauen also übernehmen das „Kümmern“. Die Wahrscheinlichkeit, dass das vor allem der Mann tut, beträgt laut Studie hingegen lediglich 20 Prozent.

Arbeitende Mütter tragen 74 Prozent der Planungsaufgaben in der Familie

Wenn Kinder im Haushalt leben, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Mutter die Planungsaufgaben übernimmt, sogar auf 74 Prozent – auch wenn sie erwerbstätig ist. Selbst wenn eine Frau mit Kindern in Vollzeit berufstätig ist, liegt die Wahrscheinlichkeit immer noch bei 57 Prozent. Und das, obwohl die aktive Teilnahme am Familienalltag zunehmend als wichtiger Bestandteil der Lebensqualität von Männern angesehen werde: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei zu einem eigenständigen Lebensziel geworden.

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Fragen an Väter in Elternzeit: Hast du keine Frau zu Hause?

Dabei ist es egal, ob die Frauen ihre Arbeitszeiten reduziert haben oder nicht. Die Wissenschaftlerinnen fragten nämlich auch, wie stark sich die Frauen durch den „Mental Load“ belastet fühlen: Auf einer Skala von null bis sieben kamen die Frauen im Durchschnitt auf einen Wert von 3,2, die Männer auf 2,8. „Es scheint“, schreiben die Autorinnen, „also nicht so zu sein, dass Frauen durch kürzere Arbeitszeiten mehr mentale Entlastung im Alltag erfahren und etwa mit mehr Entspannung und Energie kognitive Arbeit erledigen.“

Lebensziele von Vätern stehen im Konflikt mit traditionellen Erwartungen

Die Geschlechterforscherinnen Lott und Bünger fordern deshalb Politik und Arbeitgeber auf, bessere Anreize zu setzen, um solche partnerschaftlichen und geschlechtsspezifischen Ungleichheiten zu reduzieren“. Nötig sei es, den „ins Stocken geratenen Wandel der Geschlechterarrangements anzukurbeln“. Denn ganz offensichtlich würden Frauen trotz ihrer Erwerbstätigkeit weiterhin meist als Hauptsorgeverantwortliche betrachtet. Gleichzeitig seien viele jüngere Männer zwar bereit, sich deutlich mehr einzubringen. Aber: „Die Leitbilder und Lebensziele für eine aktive Vaterschaft stehen oft im Konflikt mit traditionellen Anforderungen und Erwartungen, die von Vorgesetzten oder Kollegen und Kolleginnen vorgebracht werden.“

Das bestätigt der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Väterarbeit, Hans-Georg Nelles, im Gespräch mit dieser Redaktion: Die Gesellschaft in Deutschland erwarte von Vätern nach wie vor, „dass sie Vollzeit arbeiten und die Familie ernähren“. Ein Mann, der sich zu Hause stark einbringe, seine Arbeitszeit reduziere, länger in Elternzeit gehe, gelte immer noch als „Paradiesvogel“, als jemand, „der aus der Rolle fällt“.

Wie Väter sich in die Familienarbeit einbringen

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    Nelles hofft auf einen Kulturwandel in den Köpfen, berät seit Jahren auch Unternehmen, wie sie Väter stärker unterstützen können. Die Hans-Böckler-Stiftung empfiehlt Führungskräfteschulungen und bessere Beratungen der Männer beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

    >>>Protokolle von Vätern mit unterschiedlichen Familienmodellen lesen Sie hier: