Essen. 15 Jahre alt ist der Essener. Acht Jahre soll er ins Gefängnis. Das Gericht verurteilte ihn wegen Mordes, weil er seinen Bruder tötete.
Auf Mord lautet das Urteil. Die Essener Jugendstrafkammer ist sicher, dass der 15-Jährige seinen vier Jahre älteren Bruder heimtückisch erstochen hat. Deshalb verurteilte sie den Schüler am Dienstag zu acht Jahren Jugendstrafe.
Fünf Tage lang hatte die XXV. Strafkammer unter Ausschluss der Öffentlichkeit über den Fall verhandelt. Aber die Frage nach dem Motiv des laut Urteil voll schuldfähigen Angeklagten bleibt auch nach dieser Zeit ungeklärt. Er selbst hatte längere Zeit von einer Art Notwehr gesprochen, als er seinen Bruder vom Selbstmord hatte abhalten wollen. Dabei habe dieser das Messer auf ihn gerichtet. Er will es ihm aus der Hand genommen und sich gewehrt haben.
Keine Hinweise auf Streit
2016 war die achtköpfige Familie aus dem Irak nach Deutschland eingewandert. Sie hatte eine Wohnung im Essener Stadtteil Steele bezogen und sich offenbar gut eingelebt. Die Kinder galten als integriert, der angeklagte Hauptschüler erzielte gute Noten. Es gab auch keine Hinweise auf Streitigkeiten zwischen den Brüdern.
Nach außen hatte nichts darauf hingedeutet, was in der Nacht zum 9. August 2022 in einem der Kinderzimmer geschah. Diesen Raum bewohnten der 15-Jährige und sein Bruder. Um 2:40 Uhr soll der Jüngere ans Bett seines Bruders getreten sein und den Schlafenden mit 17 Messerstichen getötet haben.
Siebenmal den Kopf getroffen
Siebenmal traf das Messer mit der 20 Zentimeter langen Klinge den Kopf, sechsmal drang es in Schulter oder Hals ein und viermal in den Rücken. Der Bruder hatte offenbar keine Chance.
Allerdings gelang es ihm noch, aus dem Bett in den Flur zu gelangen. Dort brach er aber zusammen. Der Lärm hatte die übrigen Familienmitglieder aufgeschreckt. Sie hatten den Notarzt alarmiert, er kam jedoch für jede Rettung zu spät.
Mit dem Bruder allein im Zimmer
Rettungskräfte und Polizisten erinnerten sich an ein großes Durcheinander, als sie an dem Haus eintrafen. Alle Familienmitglieder waren aufgeregt, an ihrer Kleidung haftete das Blut des Toten. Dass der 15-Jährige der Täter ist, wird auch damit begründet, dass er mit dem Bruder allein im Zimmer war. Und an seiner Kleidung war besonders viel Blut.
Richter Markus Dörlemann ging auf die Frage ein, warum es zu der Tat gekommen sei. Aber darauf gibt es keine Antwort. Dörlemann im Urteil: „Die Kammer will und darf sich nicht an Spekulationen beteiligen.“
Schüler fehlt die Erinnerung
Der Jugendliche selbst war in der Verhandlung von der ursprünglich von ihm angeführten Notwehrlage abgerückt. Er hatte angegeben, tatsächlich fehle ihm jede Erinnerung an das Tatgeschehen.
Auch Staatsanwältin Elisa Haering war von einem Mord ausgegangen und forderte neun Jahre Jugendstrafe. Die Verteidiger Heiner Lindemann und Andreas Wieser hielten dagegen eine mildere Strafe für angemessen. Sie solle die psychische Ausnahmesituation für den Angeklagten berücksichtigen.
Angeklagter nicht vorbestraft
Mit acht Jahren Jugendstrafe blieb die Kammer unter der möglichen Höchststrafe von zehn Jahren. Unter die acht Jahre wollte das Gericht aber nicht gehen. Der Schüler sei zwar nicht vorbestraft, weitere Argumente für eine Milderung sahen die Richter nicht. Angesichts der Tat sei die Jugendstrafe in dieser Höhe notwendig für erzieherische Maßnahmen.