Essen. Zum „Tag des Notrufs“ am 11. Februar berichten Rettungskräfte aus Essen, was hinter dem Notruf 112 steckt – und von kuriosen Einsätzen.
185.000 Mal wurde in Essen im vergangenen Jahr der Notruf 112 gewählt, das sind rund 500 Anrufe pro Tag. Nicht nur in ganz Deutschland, sondern in der gesamten EU erhalten Menschen unter der Nummer schnelle Hilfe. Der europäische Tag des Notrufs 112, der 11. Februar, soll die Bedeutung der Rufnummer hervorheben – das Datum 11.2. enthält die Kurzwahl. Gleichzeitig wird vor Anrufen gewarnt, hinter denen gar kein Notfall steckt. Was genau passiert, wenn jemand die 112 wählt, zeigt der Besuch einer Rettungswache in Essen.
„Es gibt nichts, was man im Rettungsdienst nicht erlebt.“ erzählt Malte-Bo Lueg, Leiter der Einsatzdienste der Rettungswache 20 in der Hachestraße. Jeden Tag hat er mit den unterschiedlichsten Menschen und Notfällen zu tun: „Manchmal helfen wir morgens jemandem in einer prunkvollen Villa im Essener Süden und mittags befreien wir dann einen betrunkenen Mann aus einer Hecke, weil er nicht mehr von alleine aufstehen kann“.
Notrufe in Essen: Sechs bis acht Einsätze am Tag für jedes Rettungsteam
Die vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) betriebene Rettungswache liegt zentral in der Nähe des Hauptbahnhofs, hier arbeiten über 200 Menschen. Nach Angaben des DRK zählt sie zu den Wachen im Stadtgebiet, in deren Umgebung am meisten los ist. Die Sanitäter arbeiten in Acht-Stunden-Schichten, an einem Arbeitstag werden sie zu durchschnittlich sechs bis acht Einsätzen gerufen.
Bis auf zwei Sanitäter, die an der Krankenwagen-Einfahrt gemütlich in der Sonne stehen, ist es an diesem Morgen sehr ruhig auf der Rettungswache. Doch der Schein trügt: Eigentlich ist gerade Hochbetrieb, die meisten Rettungskräfte sind in der Stadt unterwegs und haben zwischen ihren Einsätzen oft keine Zeit, zurück zur Wache zu fahren.
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Wählt jemand die 112, wird er zunächst mit einer Leitstelle verbunden – in Essen wird diese durch die Feuerwehr koordiniert. Von dort aus werden die Sanitäterinnen und Sanitäter verständigt, die sich gerade in der Nähe befinden. Lueg erklärt: „Wir sprechen von einem Acht-Minuten-Radius: Egal, wo man sich in der Stadt aufhält, in spätestens acht Minuten sollte ein Rettungswagen vor Ort sein.“
Digitaler Meldeempfänger übermittelt wichtige Einsatzinformationen an Sanitäter
Der DRK-Auszubildende René Loson hat gerade gemeinsam mit zwei anderen Sanitätern einen verletzten Patienten in die Uniklinik gebracht. An der Hüfte trägt er ein kleines, schwarzes Gerät, den „Digitalen Meldeempfänger“. Er fängt an zu piepen – Zeit für einen neuen Einsatz. Auf einem kleinen Bildschirm erscheinen kurze Informationen wie der Name, die Adresse und akute Beschwerden des Patienten.
Doch nicht immer handelt es sich um wirkliche Notfälle, wenn das Einsatzteam gerufen wird. „Vor ein paar Wochen ging nachts gegen halb drei ein Notruf ein, der Anrufer klagte über Atemnot“, erinnert sich Loson. „Vor Ort stellten wir fest, dass der Mann seinen Gürtel nicht mehr selbst aufbekam. Als wir den Gürtel geöffnet haben, war das Problem gelöst und wir konnten wieder fahren.“
Jeder dritte Anruf bei der Telefonnummer 112 ist kein Notruf
Rund ein Drittel aller Einsätze seien keine akuten, medizinischen Notfälle, schätzt der Leiter des Rettungsdienstes der Wache 20, Matthäus Bannasch. Das bedeute aber nicht, dass die Menschen keine Hilfe benötigen. Manche seien überfordert, wohin sie sich mit ihren Problemen wenden sollen. Banasch erklärt: „Viele Menschen wissen nicht, dass es auch noch die 116117 gibt.“ Unter dieser Nummer erreichen Anrufer den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Die Mitarbeiter stehen auch nachts bei Problemen zur Verfügung, die nicht so akut sind, dass sofort der Rettungsdienst verständigt werden muss.
Daneben gibt es auch Anrufe, die sich am Einsatzort als „soziale Notfälle“ herausstellen. „Manche Menschen verständigen uns, weil sie sich sehr alleine fühlen und deshalb Hilfe brauchen“, berichtet der Rettungsdienstleiter. „Dann setzen wir uns auch mal zehn Minuten gemeinsam mit dem Patienten auf eine Bank im Südpark und schauen uns den Sonnenaufgang an. Wir sind eben Problemlöser auf Rädern.“
>>INFO: GELD- ODER FREIHEITSSTRAFEN BEI MISSBRAUCH
- Auch, wenn das Team des DRK selbst bei sozialen Problemen hilft, sollte die 112 nur in absoluten Notfällen gewählt werden
- Die missbräuchliche Nutzung des Notrufs, beispielsweise „aus Spaß“, oder „um zu gucken, was passiert“, ist sogar strafbar
- Die Rettungsteams des DRK sprechen in solchen Fällen von sogenannten „Enten“
- Laut dem Strafgesetzbuch drohen bei absichtlichem Missbrauch hohe Geld- oder Freiheitsstrafen