Dortmund/Duisburg. „Warmes Wasser, Strom für Föne und Hauben - kaum eine Branche treffen die steigenden Energiepreise so stark wie die Friseure im Revier.

Am Morgen hat es geschneit, draußen kommt das Thermometer kaum über die Null-Grad-Marke. Aber bei Frank Kulig ist es angenehm warm. „Natürlich“, sagt der 66-Jährige, „das ist schließlich ein Friseur hier.“ Lange Aufenthalte, feuchte Haare – „wenn ich hier nicht vernünftig heize, kann ich gleich Krankenscheine verschicken“, sagt Kulig. „Vernünftig heizen“ aber kostet so viel Geld, wie noch nie. Der Obermeister der Friseurinnung Dortmund und Lünen nickt. „Das ist aber nur eines von vielen Problemen.“

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Natürlich weiß Kulig, dass fast alle in Handel und Handwerk die Energiekrise und die stark gestiegenen Preise spüren. Und er will auch nicht jammern. „Aber wir sind schon stärker betroffen, als viele andere Branchen“, findet er. „Denn für uns ist es besonders schwierig, Energie zu sparen.“ Nicht nur die Raumtemperatur muss nämlich stimmen, auch die des Wassers. 800 Liter, stets auf 60 Grad vorgeheizt, schwappen im Vorratsbehälter seines Ladens. „Das kostet.“ Genau wie der Strom für Föne und Hauben. „Da kommt was zusammen.“

Neuer Tarifvertrag - Löhne der Angestellten stark gestiegen

Friseursalons haben es nicht leicht zur Zeit: Alles wird teurer und die Kunden kommen seltener.
Friseursalons haben es nicht leicht zur Zeit: Alles wird teurer und die Kunden kommen seltener. © dpa | Jan Woitas

Das tut es, wie auch Markus Lotze weiß, der in Duisburg zwei Friseurgeschäfte betreibt und stellvertretender Obermeister der dortigen Innung ist. „Die Kosten für Gas und Strom haben sich verdoppelt“, sagt er. Bei ihm fallen nun 4000 Euro im Monat an. „Das ist schon eine Menge.“ Aber es ist keine Ausnahme. Auch Kulig zahlt mittlerweile 100 Prozent mehr für seinen Strom.

Zu den stark gestiegenen Energiekosten kommt der seit Oktober geltende neue Tarifvertrag für die Beschäftigten im Friseurhandwerk mit Lohnsteigerungen von teils über 25 Prozent. Die seien aber zumindest bei ihm nicht der Grund dafür, dass der Preis für den Haarschnitt oder die neue Frisur gestiegen sei, sagt Kulig. „Die Lohnerhöhung nehme ich voll auf meine Kappe.“ Den teuren Strom und die ebenfalls drastisch gestiegenen Einkaufspreise für Shampoos und Tönungen aber, die musste er weitergeben an die Kundschaft – allerdings „nicht eins zu eins“. „Das hat kaum jemand gemacht“, sagt der Obermeister.

Zeit zwischen den Friseurbesuchen wird länger

„Bei vielen Kunden sitzt das Geld ja auch nicht mehr so locker“, erklärt Stephanie Wimar, Friseurmeisterin aus Duisburg, die Zurückhaltung. Und Kollege Wetzel spricht von „einem schmalen Grat“, auf dem die Friseure sich bewegen. „Wenn man zu teuer wird, bleibt die Kundschaft irgendwann weg.“

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Das macht sie jetzt teilweise schon. Wetzel erzählt von einer Studie, die herausgefunden hat, dass Frauen, die einst im Schnitt noch neunmal im Jahr zum „Haare machen“ gegangen sind, schon vor Corona nur noch sechsmal vorbeigekommen sind. „Und seitdem ist das Besuchsintervall noch einmal um 1,5 gesunken.“ Auch Männer schauen statt einmal im Monat nur noch alle fünf Wochen vorbei.

Viele Menschen schneiden sich die Haare mittlerweile selber

Kulig kennt das Phänomen. „Als die Friseure während der Pandemie schließen mussten, haben sich zahlreiche Menschen eine Haarschneidemaschine gekauft.“ Viele von ihnen lassen sich damit auch jetzt noch die Haare schneiden, statt Geld für einen Friseurbesuch auszugeben, hört er immer wieder. Ähnlich sieht es bei Tönungen aus. „Wird mittlerweile auch gerne zu Hause gemacht“, sagt der Obermeister. Das merke der eine Salon mehr als der andere. „Ich habe viele Stammkunden, die immer noch regelmäßig kommen.“

Ihnen hat er in vielen Gesprächen erklärt, warum es teurer geworden ist, sich bei ihm die Haare schneiden zu lassen. Wetzel und Wimar haben das ebenfalls getan, „und die meisten haben auch Verständnis gehabt“. „Trotzdem kommen manche jetzt seltener“, hat Wimar festgestellt. „Bei ihnen ist das Geld einfach zu knapp geworden.“

Schwarzarbeit ist kaum zu entdecken

Schere und Kamm reichen für viele „Hausbesuche“. Für Friseurbetriebe eine harte Konkurrenz.
Schere und Kamm reichen für viele „Hausbesuche“. Für Friseurbetriebe eine harte Konkurrenz. © dpa | Sebastian Kahnert

Oder sie sind zu einem der Billig-Salons gewechselt, die es im Ruhrgebiet an jeder Ecke gibt. „Wie die bei zehn Euro für einen Haarschnitt wirtschaftlich überleben können, ist uns allen ein Rätsel“, sagt ein Friseur aus der Nähe von Bochum. Auch „Einzelunternehmer“, die mit Schere und Kamm in der Jackentasche und Lockenwicklern im Rucksack zum Hausbesuch kommen, werden zur Konkurrenz. Schwarzarbeit, die kaum entdeckt werden kann und nicht nur für Kulig „ein völlig unterschätztes Problem“.

„19% Mehrwertsteuer für die einen, null Prozent für die anderen, das macht jede Branche kaputt“, warnt deshalb auch der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks und fordert die Herabsetzung des Mehrwertsteuersatzes auf Friseurdienstleistungen von 19 Prozent auf 7 Prozent.

Für manchen wäre es vielleicht die letzte Chance. Alteingesessene Betriebe, ist Obermeister Kulig überzeugt, „werden die Krise überstehen“. „Vielen junge Kollegen aber, die keine Reserven anlegen konnten in den vergangenen Jahren“, weiß er, „steht das Wasser bis zum Hals.“