Hattingen. Ob Energie oder Material: Friseure in Hattingen beklagen rasant steigende Kosten. Was sie davon halten, die Preise für Kunden anzuheben.

Friseure sind frustriert: Während sie noch immer mit den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie kämpfen, explodieren die Energiepreise. Shampoo und Kosmetika sind so teuer wie selten zuvor. Die gestiegenen Kosten auf die Kunden abzuwälzen und mehr Geld zu verlangen, ist aus Sicht der Betriebe zweischneidig.

Hattinger Friseurin erinnert an die bleibenden Kosten für den Gesundheitsschutz

Seit 25 Jahren führt Sandra Siede ihren Salon an der Bruchstraße und hatte gehofft, dass nach eher schwieriger Corona-Zeit nun allmählich Normalität zurückkehrt. Doch die Preisentwicklung von Gas und Strom werde zu einer erheblichen Belastung, sagt die 52-Jährige. Die Hersteller von Kosmetikartikel würden ohnehin permanent pro Jahr die Preise anheben. Schließlich müsse man auch berücksichtigen, dass nach wie vor Masken, Tests und Desinfektionsmittel gekauft werden müssen. „Wir haben nun mal einen Beruf, bei dem wir sehr nah am Kunden sind. Da hat Gesundheitsschutz Vorrang.“

Um Abstände zu wahren, „besetzen wir auch längst nicht jeden Platz, sondern kommen auf eine Quote von höchstens 70 Prozent“. Schweren Herzens entschloss sie sich Anfang des Jahres, für jede Leistung 50 Cent mehr zu nehmen. Dafür hätten die Kunden auch durchaus Verständnis gezeigt und ihr die Treue gehalten. Aber einen solchen Schritt könne man nicht beliebig oft wiederholen.

Mit Preisanhebungen gehen Betriebe sehr behutsam um

Innungsobermeister Andreas Rüggeberg: Bei höheren Preisen im Salon besteht die Gefahr, dass Kunden ausbleiben.
Innungsobermeister Andreas Rüggeberg: Bei höheren Preisen im Salon besteht die Gefahr, dass Kunden ausbleiben. © Patrick Kirschh

Die Betriebe laufen dann nämlich Gefahr, so Andreas Rüggeberg, Obermeister der heimischen Friseur-Innung, dass Kunden ausbleiben und somit auch die erhofften Einnahmen. Er beobachtet, dass die Friseurinnen und Friseure ganz behutsam die eigenen Preise anpassen, wenn sie sich überhaupt dazu entschließen.

Nach Einschätzung des Obermeisters steht den Betrieben aber noch eine weitere Belastung ins Haus: Durch die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro reiche beispielsweise der Tarif für Gesellen im ersten Jahr nach der Prüfung nicht mehr aus. Da müssen die Salons entsprechend nachbessern, so Rüggeberg.

Er sieht aber ebenso wie die Hattinger Friseurmeisterin Marlies Meyer noch eine weitere Entwicklung voraus: Wenn der Mindestlohn steige und ohnehin Verbraucher über steigende Kosten auf breiter Front klagen, dann komme man nicht umhin, generell an der Lohnschraube zu drehen. „Wir werden die Löhne entsprechend angleichen müssen“, sagt die Inhaberin des Salons Altstadt Flair. Sie zahle selbst auch jetzt schon über Tarif und man müsse eben schauen, wie es finanziell weitergeht.

Innungsverband fordert niedrigeren Steuersatz für die Betriebe

Innung gehören 32 von 200 Friseurbetrieben an

Von den rund 200 Friseursalons im Ennepe-Ruhr-Kreis gehören nur noch 32 der Innung an, erklärt Obermeister Andreas Rüggeberg.

Ein Grund liege unter anderem darin, dass die Betriebe nicht mehr bereit seien, den Beitrag von 300 bis 500 Euro im Jahr zu zahlen. Die Innung biete allerdings für die Mitgliedschaft eine Reihe von Dienstleistungen, von der Rechtsberatung angefangen über Informationen bis hin zur Weiterbildung.

Zum Innungsbezirk gehören mit Ausnahme von Wetter die Städte im EN-Kreis.

Nachdem bereits zu Jahresbeginn die Preise um einen Euro angehoben hat, stand jetzt wieder der Frage nach einer weiteren Preisrunde an. In gemeinsamer Runde mit den Beschäftigten habe man sich aber dagegen entschieden. Bei den Überlegungen habe auch die Erfahrung aus über zwei Jahren Corona samt Lockdown eine Rolle gespielt. Beispielsweise entdeckten so manche Kunden, dass zum Haarefärben nicht zwingend der Friseursalon notwendig sei, sondern es sich auch daheim bewerkstelligen lasse. Das Material sei schließlich im Handel erhältlich.

Berufskollege Hans-Jörg Nolte hat ohnehin große Sorge, dass die vielen schlechten Nachrichten, vom Krieg in der Ukraine bis hin zu den überall wachsenden Kosten, die Stimmung der Menschen trübt. Das wiederum bekomme man auch gerade in seiner Branche zu spüren, weil das Geld dann für einen Friseurbesuch nicht mehr so locker sitzt.

Angesichts der Sorgen und Nöte vieler Betriebe habe auch schon der Innungsverband der Friseure reagiert, so Obermeister Rüggeberg. „Er fordert den Gesetzgeber auf, gegenzusteuern und den Mehrwertsteuersatz herabzusetzen von 19 auf sieben Prozent“. Ob das Bemühen aber von Erfolg gekrönt werde, müsse man abwarten. In der jetzigen Situation sollte aber nichts unversucht bleiben.