Bochum. Friseurbetriebe sind unter Druck. Die Kosten steigen, schwarze Schafe werden nicht überprüft. Bochums Friseure fordern Kontrollen. Mit Erfolg.

Montag ist der Friseur-Samstag. Die Läden haben zu. Bald könnten sie auch am Samstag geschlossen bleiben. Bärbel Nolzen öffnet ihren Betrieb jedenfalls nur noch an vier Tagen in der Woche. „Wegen der Energiekosten“, wie sie sagt. Und die sind nur eines von vielen Problemen, die das Friseurhandwerk mittlerweile plagen, so Edgar Pferner, Obermeister der Innung Ruhr. Er kündigt eine kräftige Preiserhöhung für Anfang November an: „um 20 bis 28 Prozent“. Sonst seien die Belastungen nicht zu stemmen.

Kontrolle: 40 Prozent der Friseure zahlen keinen Mindestlohn

Als vor einigen Wochen die Handwerkskammer (HWK) Dortmund gemeinsam mit dem Ordnungsamt in Hagen 23 Friseurbetriebe kontrolliert hat, keimte in Bochum die Hoffnung auf, auch hier würden die Aufsichtsbehörden mal genauer hinschauen. Vier Betriebe wurden geschlossen, da die Eintragung in der Handwerksrolle nicht mehr gültig war; außerdem leitete das Ordnungsamt Bußgeldverfahren ein. Bei zehn Unternehmen wollte die Kammer noch genauer hinschauen, da sie vor Ort keinen Meister angetroffen hat. „40 Prozent der in Hagen, Hamm, Soest und Dortmund kontrollierten Läden haben nicht den Mindestlohn gezahlt“, sagt Sebastian Baranowski, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Hagen.

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So oder so ähnlich könnte eine Überprüfung auch in Bochum ausfallen, heißt es bei der hiesigen Innung. „Überfällig“, nennt Peter Legsding das. Aber: „Hier hat doch schon lange niemand mehr kontrolliert“, beklagt der Friseurmeister. Ob Handwerkskammer, Ordnungsamt, Versicherungsträger oder Zoll. „Niemand schaut wirklich hin.“ Dabei seien „Dumpingpreise, Schwarzarbeit und die Hinterziehung von Sozialleistungen ein Riesenthema in der Branche“, wie Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Friseurhandwerks, im März im Gespräch mit dieser Zeitung bestätigt hat.

Vorwurf: Behörden schauen nicht hin

Und das ist fatal. Denn: Neben den steigenden Kosten machte den Betrieben die Wettbewerbsverzerrung zu schaffen. „Es ist den Kunden schwer zu erklären, dass der Haarschnitt künftig nicht 20, sondern 30 Euro kosten soll, wenn sie woanders nur sieben, acht oder neun Euro bezahlen müssen“, sagt Johannes Motz, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Ruhr. Einhelliger Tenor beim „Krisengespräch“ an diesem Montag in den Räumen der Kreishandwerkerschaft an der Springorumallee: Wer seinen Beschäftigten den Mindestlohn von zwölf Euro zahle, der könne unmöglich einen Haarschnitt für sieben Euro anbieten. Der Vorwurf: Schwarzarbeit. „Aber niemand kontrolliert“, so Peter Legsding. Und: Die Kammer in Dortmund erteile bei den Anträgen auf eine Betriebseröffnung viel zu viele Ausnahmegenehmigungen.

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Derweil gehen die Belastungen der Betriebe durch die Decke: „Durch die Anhebung des Mindestlohns steigen die Arbeitgeberkosten pro Mitarbeiter um 600 Euro monatlich“, rechnet Sebastian Baranowski vor. Kaum zu stemmen sei die Steigerung der Energiekosten. „Ein Friseurbetrieb ist besonders strom- und wärmeintensiv“, sagt Obermeister Edgar Pferner. Seine Kollegin Bärbel Nolzen aus Hagen zahlt monatlich allein 600 Euro für Strom. „Und weil es sich nicht lohnt, für vier Stunden am Samstag das Geschäft aufzuheizen, haben wir jetzt montags und samstags geschlossen und arbeiten unter der Woche länger. Das sei unterm Strich günstiger.

Friseurhandwerk gehen die Azubis aus

Führt aber auch dazu, dass die Rahmenbedingungen für Beschäftigte nicht gerade rosiger werden. „Es gibt ohnehin kaum noch jemanden, der unseren Beruf erlernen will“, beklagt die Obermeisterin. Nur sechs Azubis haben in diesem Jahr im Bereich der Kreishandwerkschaft Hagen angefangen. In Bochum lernen derzeit gerade einmal 17 junge Frauen und Männer das Handwerk. Fatal.

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Die Obermeister und ihre Mitstreiter setzen auf Aufklärung. „Wir müssen mehr Bewusstsein schaffen: bei den Behörden für die nötigen Kontrollen, bei den Kunden und auch bei Beschäftigten, die auf Zahlung des Mindestlohns pochen müssen.“

Kostendruck: Friseure schränken Geschäftszeit ein

Peter Legsding, Inhaber des Betriebs „Meister L“ an der Viktoriastraße, hat sich derweil auch für eine Verkürzung der Öffnungszeiten entschieden. „Wegen der Energiekosten“, wie er sagt. „Wir öffnen morgens später.“ Nur an den Samstag will er nicht ran. Es bleibt bei der Öffnung des Ladens für vier Stunden. Vorerst.

Handwerkskammer läutet Kampf „Für faire Arbeit“ ein

Immerhin gibt es positive Nachrichten von der Handwerkskammer. Sie hat auf Anfrage dieser Zeitung bestätigt, dass es in allen Städten ihres Zuständigkeitsbereichs zu solchen Kontrollen wie in Hagen kommen wird. Auch in Bochum. Mit Hilfe des extra dafür aufgelegten Projekts „Für faire Arbeit“ soll Schwarzarbeit ebenso aufgedeckt werden wie nicht-qualifizierte Betriebsleiter.

„Wir wissen von der Verärgerung unter den Friseuren und kennen das Phänomen der Billigfriseure“, so Lothar Kauch, Abteilungsleiter Handwerksrolle und Gewerberecht bei der HWK. Tatsächlich sei angesichts der Kostenentwicklung und der Inflation in den vergangenen Monaten spätestens jetzt nicht mehr nachvollziehbar, wie „Haarschnitte für fünf Euro wirtschaftlich real“ angeboten werden können.

Weil die Befugnisse der Kammer allerdings beschränkt sind, so Kauch, werde ein regionales Netzwerk gebildet - mit HWK, Ordnungsämtern, Zoll, Jobcenter, möglicherweise auch mit Gewerkschaften und Berufsgenossenschaften. Alle gemeinsam sollen den Kampf gegen Missstände angehen.