Bonn/Ruhrgebiet. Briefe kommen mancherorts später an. Die Beschwerden über die Post nehmen massiv zu. Auch im Ruhrgebiet – das im Vergleich noch gut dasteht.
Ein schärferes Schwert fordert Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller für seine Behörde. Er will der Post mit Sanktionen drohen können, wenn die Qualität der Zustellung nicht mehr stimmt. Und hier hapert es derzeit offenbar. „Uns erreichen im Moment ungewöhnlich viele Beschwerden“, sagte Müller der Deutschen Presse-Agentur in Bonn. „Wir dringen auf eine zügige Verbesserung der Lage.“ Allerdings seien die gesetzlichen Möglichkeiten der Behörde bei verspäteten oder nicht zugestellten Briefen begrenzt. „Eine bessere gesetzliche Ausstattung mit Sanktionsmöglichkeiten würde uns helfen, um Missständen effektiver zu begegnen.“
Damit die Post besser wird, würden aus Sicht von Müller verbesserte Auskunfts- und Berichtspflichten bei temporären Mängeln helfen. Dann könnte die Behörde gegebenenfalls Zwangs- oder Bußgelder verhängen. Die geforderten Änderungen könnten in der anstehenden Postgesetz-Reform beschlossen werden. „Eine verlässliche Postversorgung ist wichtig für uns alle“, betonte Müller.
Schon jetzt ein Drittel mehr Beschwerden als im ganzen Vorjahr
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Der akute Missstand sieht so aus, zunächst bundesweit betrachtet: Von Juli bis September gingen 11.500 Beschwerden über Post- und Paketdienstleister bei der Bundesnetzagentur ein, in den meisten Fällen ging es um die Briefzustellung der Deutschen Post. Das waren in drei Monaten mehr Beschwerden als im ganzen ersten Halbjahr (8900). Damit sind in diesem Jahr schon ein Drittel mehr Mängel gemeldet worden als im ganzen Vorjahr (15.100).
Auch im Ruhrgebiet schnellen die Beschwerden in die Höhe, allerdings weniger stark als im Bundestrend. Für die Postleitzahlregionen 44, 45, 46 und 47 – das entspricht etwa dem Ruhrgebiet und dem Niederrhein – zählte die Bundesnetzagentur bis Ende September 1.135 Beschwerden, knapp ein Fünftel mehr als im gesamten Jahr 2021 (959).
Kommt es in einem Gebiet oder zu einem bestimmten Thema verstärkt zu Beschwerden, führt die Bundesnetzagentur „Anlassprüfungen“ durch. Diese können also ein Indiz sein für die Schwere der Qualitätsmängel. Hier schneiden Ruhrgebiet und Niederrhein bislang gut ab. Nur in Krefeld habe es im September ein solche gegeben, teilte die Bundesnetzagentur auf Anfrage mit. Dabei führte sie bundesweit bereits 44 Anlassprüfungen durch, 2021 waren es im gesamten Jahr nur 16.
Das Ruhrgebiet steht noch vergleichsweise gut da
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Die Post selbst erklärt, dass es „derzeit auch bei uns zu deutlich mehr krankheitsbedingten Personalausfällen kommt, insbesondere, wenn auch nicht allein durch Corona“, so Sprecherin Britta Töllner. „Momentan können wir dies im Ruhrgebiet und Niederrhein weitgehend kompensieren, zum Beispiel durch Aushilfen, das Hinzuziehen von Kräften aus anderen Bezirken und Standorten sowie Neueinstellungen. Die Auswirkungen für die Kunden sind aktuell grundsätzlich eher gering.“
Allerdings könne sich die Lage „punktuell“ dort anspannen, wo es kurzfristig zu vielen gleichzeitigen Krankmeldungen kommt. Das war zum Beispiel in Bochum der Fall von der Vorweihnachtszeit bis in die dritte Januarwoche. Menschen warteten zum Teil wochenlang auf wichtige Briefe, die Genehmigung der Krankenkasse für eine Operation, Rechnungen an Firmen, Ausschreibungen, ein Anwalt klagte über versäumte Fristen wegen tagelang verspäteter Zustellung, Zeitschriften im Abo kamen sehr viel später.
Damals kam auch das Corona-Notfallkonzept der Post zum Einsatz (ebenso wie in Dinslaken von Anfang bis Mitte Juli). Dabei liefert die Post nur alle zwei Tage aus, die Zusteller bedienen also im Tageswechsel nur eine Hälfte des Gebietes. „Das führt zwar zu längeren Brieflaufzeiten, verhindert aber Zustellausfälle über längere Zeiträume“, so die Postsprecherin. „Unsere Zustellkräfte geben ihr Bestes. Wir können jedoch nicht ausschließen, dass es zu Verzögerungen kommen kann.“
„Sanktionen helfen uns nicht“
Ein solches Notfallkonzept setzt lokal auch die gesetzliche Vorgabe außer Kraft, nach der die Post mehr als 80 Prozent aller Briefe am nächsten Werktag und mehr als 95 Prozent nach zwei Tagen zustellen muss. Bundesweit erfülle sie aber noch immer die Vorgaben, erklärte eine Bundessprecherin der Post. „Sanktionen helfen uns in dieser herausfordernden Situation nicht.“ Stattdessen brauche man dringend eine Reform des Postgesetzes, die unter anderem die Effekte weiter sinkender Briefmengen berücksichtige.
Die Post-Sprecherin wies darauf hin, dass die Bundesnetzagentur bei der Obergrenze der von 2022 bis 2024 gültigen Briefporti nur eine Inflation von einem Prozent und Produktivitätssteigerungen angenommen habe, die in der Zustellung unrealistisch seien. Zudem kämpfe man mit aktuell stark schwankenden Mengen, da Kunden und Wettbewerber, die das Post-Netz mitnutzen, „teils unkalkulierbar hohe Mengen einliefern und so unser Zustellnetz destabilisieren“.
Doch nicht nur der hohe Krankenstand macht der Post Probleme. Wie viele andere Branchen leidet sie mancherorts unter Personalmangel. Man tue derzeit „alles, um weitere Mitarbeiter zu finden und hohe Ausfälle aufgrund von Corona zu kompensieren und so die gewohnte gute Qualität zu liefern“, so die Sprecherin. „Jeder verspätet ankommende Brief ist einer zu viel und dafür entschuldigen wir uns bei unseren Kunden.“
Bundesnetzagenturchef Müller sagte, man erkenne an, dass der Arbeitsmarkt und Corona die Postdienstleister wie andere Branchen auch vor besondere Herausforderungen stellten. „Dennoch gelten weiterhin die gesetzlichen und vertraglich vereinbarten Qualitätsanforderungen.“ Diese sollten möglichst schnell wieder erfüllt werden. (mit dpa)