Essen./Hattingen. Auf vier Jahre und neun Monate Haft erkannte das Landgericht Essen in einem Fall häuslicher Gewalt. Es überbot damit den Staatsanwalt um fast zwei Jahre.

Nach seiner Verurteilung warf der Angeklagte seiner Frau eine Kusshand zu, und sie antwortete mit einem sehr freundlich wirkenden Nicken in seine Richtung. Dabei hatte die XII. Essener Strafkammer den 41-Jährigen gerade erst verurteilt, weil er seine Ehefrau mehrfach übel misshandelt haben soll. Für vier Jahre und neun Monate soll er ins Gefängnis.

Es ist ein klassischer Fall häuslicher Gewalt, wie er vor den Strafgerichten oft rekonstruiert wird. Erst kommt die Liebe, dann die Gewalt und dann die Versöhnung, bis es irgendwann doch zu einem Strafverfahren kommt.

Seit Mai 2021 ein Paar

Im Mai 2021 waren sie ein Paar geworden, hatten im ländlichen Hattinger Stadtteil Niederbonsfeld gewohnt. Sie kannten sich da schon beruflich, die 53-Jährige war seine Vorgesetzte. Als sie zusammenkamen, hatte er den Betrieb allerdings schon verlassen.

Schon in Hattingen war es zu Gewalttaten gekommen. Deshalb zog die Frau am 1. August im Essener Stadtteil Horst in eine eigene Wohnung. Doch auch da kam es zu diesem verhängnisvollen Wechselspiel zwischen Gewalt, Versöhnung und Rücknahme der Anzeige durch die Frau.

Richter spricht von "toxischer Beziehung"

Richter Simon Assenmacher sprach im Urteil von einer "toxischen Beziehung". Für Außenstehende sei nicht nachzuvollziehen, warum die Frau imer wieder zu Andreas K. zurückgekehrt sei, warum sie ihn im Dezember 2021 sogar geheiratet hatte. Laut Urteil hatte der Angeklagte seine Frau mehrfach fast bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt, sie eingesperrt und ihr eine Pistole an den Kopf gehalten.

Von krankhafter Eifersucht des Angeklagten sprach die Kammer. So hatte Andreas K. am 21. Januar mal wieder das Handy seiner Frau kontrolliert. Danach ging er mit einer Säge und einer Sporttasche auf sie zu und drohte ihr, sie zu zerstückeln.

Aus der U-Haft Liebesbriefe geschrieben

Obwohl der Angeklagte die Vorwürfe zurückwies, hatte das Gericht keinerlei Zweifel an der Aussage der Frau. Ihre Angaben seien durch objektive Beweismittel gestützt, betonte Assenmacher. Er erinnerte an die zahlreichen Liebesbriefe, die der Angeklagte aus der U-Haft an seine Frau geschrieben habe. Mit keinem Wort sage er darin, dass sie gelogen habe.

Verteidiger Roland Rautenberger hatte Freispruch beantragt, Staatsanwalt Niclas von Hobe hielt zwei Jahre und acht Monate Haft für angemessen. Damit zeigte sich Rechtsanwalt Volker Schröder, der die Frau in der Nebenklage vertrat, nicht einverstanden. Viereinhalb Jahre Haft beantragte er. Aber selbst diesen Antrag überbot das Gericht.

Was aus der Ehe wird? Am Mittwoch ist Scheidungstermin. Verteidiger Rautenberg bat das Gericht deshalb, nach seinen Angaben auch auf Wunsch der Frau, um ein kurzfristiges Gespräch seines inhaftierten Mandanten mit ihr.