Essen. Weil Priester fehlen, dürfen im Ruhr-Bistum jetzt Frauen taufen. In Essen gibt Eva Jansen den Kindern Andrés, Feé, Cheylin den kirchlichen Segen.

Die Kirchenglocke von Sankt Joseph läutet, genau hinein in diesen Satz: „Neuerdings dürfen Frauen taufen.“ Ein Glockenschlag nur, ein Uhr, er gilt nicht Eva Jansen. Aber es hätte auch ein Paukenschlag sein können. In der katholischen Kirche zu Essen-Katernberg, geweiht 1889, spendet an diesem Sonntag kein Priester die Taufe und kein Diakon. Andrés, Feé und Ceylin bekommen den kirchlichen Segen von einer Frau.

„Es ist eine Besonderheit im Bistum“, erklärt die Gemeindereferentin auf dem Kirchplatz. Und nicht nur für Essen, sowas gab es anderswo noch nie. Als Ruhr-Bischof Franz-Josef Overbeck im Frühjahr die ersten 17 Frauen mit der Taufe „beauftragte“, berichteten Zeitungen aus England, Frankreich und Amerika, und weitere Bistümer in Deutschland fragten im Ruhrgebiet an: „Wie macht man das?“

Immer weniger Priester und Diakone, die taufen

„Eine erfüllende Aufgabe“: Eva Jansen hat vom Bistum Essen die Beauftragung zur Taufe erhalten.
„Eine erfüllende Aufgabe“: Eva Jansen hat vom Bistum Essen die Beauftragung zur Taufe erhalten. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Eva Jansen macht es sehr freundlich. Sie begrüßt die Familien noch vor der Kirche in der Sonne, sie lädt sie ein nach ganz vorne in die Bänke vorm Altar, „damit alle gut sehen“, sie sagt Dinge wie: „Und jetzt kommt der Höhepunkt des Ganzen.“ Sie lacht viel und herzlich und umarmt die aufgeregte kleine Gemeinde mit warmen Worten. Ihre Predigt dauert nicht lang, sie nennt sie „ein paar kurze fromme Worte“. Und am Ende wird die 55-Jährige sich bedanken: „Schön, dass ich Ihre Kinder taufen durfte.“ Das ist das Wie.

Das Warum klang bei der Messe im März so: „Wir reagieren als Kirche von Essen auf eine pastorale schwierige Situation“, sagte Bischof Overbeck in seiner Predigt. Es könne deshalb „geboten sein, neben den ordentlichen Taufspendern auch außerordentliche Taufspenderinnen und Taufspender zuzulassen“. In der katholischen Kirche erklärt sein Bistum, stünden „immer weniger Priester und Diakone zur Verfügung“, immer mehr Gemeinden werden zudem zu Pfarreien zusammengelegt. Auch St. Joseph gehört seit dem vergangenen Sommer zu „Heilige Cosmas und Damian“. Zugleich aber wollten „oft der Kirche fernstehende Eltern und Paten“ möglichst persönliche Feiern.

Am Ende war auch Mama Gina nass: Die kleine Feé wird mit dem Wasser aus der Osternacht getauft.
Am Ende war auch Mama Gina nass: Die kleine Feé wird mit dem Wasser aus der Osternacht getauft. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Es hat Kolleginnen gegeben von Eva Jansen, die da gleich abgewunken haben: „Wenn wir nur dürfen, weil der Pastor fehlt, dann wollen wir nicht.“ Tatsächlich ist die neue Möglichkeit kirchenrechtlich eine „Nottaufe“, ein bloßer „Notstopfen“ aber hätten viele nicht sein wollen, weiß die Bottroperin. Sie selbst hat „sofort die Hand gehoben“. Sie findet, es ist „etwas Schönes“, kleine Kinder in die Gemeinschaft der Kirche aufzunehmen, ihnen zu sagen: „Du bist ein Gotteskind.“ Und vielleicht die Familien „wieder mehr für die Kirche zu begeistern“. Beerdigungen, glaubt die gelernte Sozialarbeiterin und Religionspädagogin, könnte sie nicht, „dafür bin ich zu nah am Wasser gebaut“. Aber Taufen? „Super.“

Fortbildung und Tauferinnerung beim Bistum Essen

Also besuchte Eva Jansen eine Fortbildung des Bistums, in der die 17 Frauen (und ein Mann) über die Bedeutung der Taufe sprachen, sich an ihre eigene erinnerten und neben den theologischen ganz „praktische Sachen“ lernten wie: „Wie halte ich das Kind übers Taufbecken?“ Und da kommen am Sonntag „Kantate“, dem vierten nach Ostern, Andrés (3), Feé (2) und Cheylin (20 Monate), und sie kommen zu Fuß. Sie können schon laufen.

Was dazu führt, dass Andrés mit seiner winzigen Fliege und den herunterhängenden Hosenträgern zur Inspektion im Altarraum verschwindet und Cheylin auf ihren rot und grün blinkenden Schühchen mitten in der Taufhandlung zurück in die Bank rennt und winkt: „Hallo, Mama!“ Es bedeutet auch, dass sich keiner der drei freiwillig unter die große Muschel stellt, in der Eva Jansen das Taufwasser aus der Osternacht hat. Der Küster wird später sagen, der Gottesdienst sei „lebendig“ gewesen, und die Seelsorgerin, dass „das Wasser überall war, nur nicht auf dem Kopf“. Am Ende ist Feés Mama nass, und unter feuchten Locken hört man Andrés lautstark protestieren: „Nein, nein, ich will das nicht!“ Alle Kinder weinen. Dabei hat Eva Jansen ihre Eltern vorher gefragt.

Cremeweißes liturgisches Gewand über der bunten Halskette

Da stand sie noch vor dem großen Portal, in einem cremeweißen liturgischen Gewand. Sie hat es über Hose, Bluse und die bunte Kette gezogen, früher gab es das bei ihr nicht. Sie wollte als Eva Jansen vor den Menschen stehen, so wie sie Hausbesuche macht oder den Religionsunterricht an der Grundschule, so, wie sie in die Jugendgruppen geht und die Erstkommunion organisiert. Aber seit sie auch Gottesdienste leitet, spürt sie, dass das bodenlange Gewand eine Bedeutung hat, eine Symbolkraft: „Es ist sinnvoll.“ Die Kinder, selbst feingemacht, schauen interessiert auf das Gewand, es verleiht der Frau mit den ultrakurzen grauen Haaren zusätzliche Würde – auch wenn die Täuflinge wohl noch nicht wissen, was das ist.

Mit dem Licht der Osterkerze in St. Joseph entzündet Eva Jansen die Taufkerzen.
Mit dem Licht der Osterkerze in St. Joseph entzündet Eva Jansen die Taufkerzen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Gotteskinder und Königskinder: Wie Täuflinge in die Kirche aufgenommen werden

Sie können auch die dicken Taufkerzen noch nicht tragen und ihre Taufsprüche noch nicht auswendig: „Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben – die Sterne der Nacht, die Blumen des Tages und die Augen der Kinder.“ Das Wort von Dante Alighieri soll Andrés und Feé begleiten, die Eltern von Cheylin geben ihrer Tochter Matthäus 18,4 mit auf den Weg: „Wer sich so klein macht wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte. Und wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf.“

Eva Jansen sagt dem Trio genau das: dass sie jetzt in die Kirche aufgenommen sind, „ein Leben lang geliebte Kinder Gottes“. Und Königskinder außerdem. Das ist ein kleiner Trick, mit dem die 55-Jährige umgeht, dass sie als „Ungeweihte“ nicht salben darf mit Chrisam-Öl. Die Salbung sagt dem Täufling, dass er nun „König“ ist fürs Leben – Jansen verschenkt stattdessen eine Karte mit einer Krone darauf. Sie hat sich auch ein Namenslexikon gekauft, in dem alle Heiligen versammelt sind. Alle Eltern, Paten, Kinder hat sie darin gefunden, Feé abgeleitet von Felicitas und für Cheylin deren Zweitnamen genommen: Marion. Die Kinder sollen ja wissen, wann sie Namenstag haben, welcher Heilige zu ihnen gehört.

Bischof will eine „lebendige Beziehung zu den Täuflingen“

Das Wasser kommt aus einer Karaffe in eine Muschel. Alle drei Täuflinge sind zu groß, um sie über das Taufbecken zu halten.
Das Wasser kommt aus einer Karaffe in eine Muschel. Alle drei Täuflinge sind zu groß, um sie über das Taufbecken zu halten. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Persönlicher kann man eine Taufe kaum feiern, „besser und lockerer“ als beim Pfarrer, sagt der Vater von Cheylin, der hier sein viertes Kind in die Gemeinde bringt. Es bleibe eine wichtige Aufgabe der Tauffeier, hat Bischof Overbeck gesagt, „dabei eine echte Gebetserfahrung zu ermöglichen und vorzuleben“. Dies geschehe „durch eine innige Form des Betens und Singens, wie aber auch eine lebendige Beziehung zu den Täuflingen“ und ihren Eltern. Tatsächlich hat Eva Jansen schon manches Mal gehört: „Du hast uns die Kirche noch einmal näher gebracht.“ Sie ist seit 1995 im Beruf, sie liebt die Bandbreite, „von den Kleinsten bis zu den Alten, ich habe mit allen Lebenslagen zu tun“.

Und nun ist aus Eva, der Gemeindereferentin, auch Eva, die Täuferin, geworden. Eine „erfüllende Aufgabe“, sagt sie selbst – die zu Zeiten ihrer Ausbildung „noch nicht denkbar“ war. Eine Frau, die in der katholischen Kirche tauft! Wie Viele findet sie, dass Frauen in der Kirche „mehr Macht“ bekommen sollten, „mehr Führungsämter“. Zwar ist sie keine, die sich verkämpft, keine radikale Reformerin. Aber eine verheiratete Mutter von drei Kindern, die sicher ist, dass sie „anders auf die Leute zugehen kann als ein zölibatär lebender Priester: Wir Frauen haben ein ganz anderes Charisma, um in der Kirche zu wirken“.