Essen. Eine jahrelang unentdeckte Psychose soll der Grund sein, dass ein 38-jähriger Essener nach Ehestreit seine Wohnung angezündet hat.
Die Brandruine des zweieinhalb Stockwerke hohen Mehrfamilienhauses erinnert noch heute an das Drama vom 13. Juli vergangenen Jahres. Das nachts aus dem Dachgeschoss auf das gesamte Gebäude übergreifende Feuer verletzte zwar keinen Menschen, doch es raubte drei Familien das Zuhause. Ein Feuer, für das der angeklagte Familienvater aus dem Dachgeschoss am Donnerstag vor dem Essener Schwurgericht erstmals die Verantwortung übernahm.
Auf schwere Brandstiftung und versuchten Mord lautet die Anklage. Staatsanwältin Birgit Jürgens wirft dem 39 Jahre alten Moritz K. aus dem Essener Stadtteil Byfang einen heimtückischen Mordversuch "mit gemeingefährlichen Mitteln" vor. Nach einem Ehestreit hatte die Ehefrau am 12. Juli die gemeinsame Wohnung an der Stadtteilgrenze Byfang/Kupferdreh mit den beiden kleinen Kindern verlassen und war wieder einmal mit dem Wohnmobil zu einem Campingplatz gefahren, um dort zu übernachten.
Termin mit Scheidungsanwältin anberaumt
Die Ehe der 38-Jährigen mit dem Angeklagten stand wohl vor dem Aus. Sie hatte laut Anklage bereits einen Termin bei einer Scheidungsanwältin vereinbart. Probleme hatte der Angeklagte auch mit seinen im selben Haus wohnenden Schwiegereltern.
Moritz K. nutzte die Zeit in dieser Nacht zum 13. Juli, um persönliche Gegenstände aus der Wohnung in seine Autos zu bringen. Draußen standen zwei restaurierungsbedürftige Kleintransporter, die er zu Wohnmobilen umbauen wollte. Surfbretter trug er aus der Wohnung, außerdem Kleidungsstücke, Dokumente, Spielsachen, aber auch einen Schrank.
An zwei Stellen Feuer gelegt
Als er fertig war, soll er gegen ein Uhr nachts an zwei Stellen in der Wohnung Feuer gelegt haben. Auf dem Weg durchs Treppenhaus, so heißt es in der Anklage, soll er im Erdgeschoss an der Tür gerüttelt haben, die zur Wohnung seiner Schwiegereltern führt. Ihnen gehört das über 100 Jahre alte Haus gemeinsam mit einer weiteren Familie, die in der ersten Etage lebte.
Aus Angst vor dem Angeklagten hatten die Schwiegereltern sich leise verhalten und die Tür nicht geöffnet. Die Anklage wirft dem 39-Jährigen vor, er sei dennoch von der Anwesenheit der Schwiegereltern überzeugt gewesen. Dadurch habe er "jedenfalls billigend in Kauf genommen", dass das Ehepaar "durch den Brand zu Tode kommt".
Rauchmelder warnten die Schwiegereltern
Moritz K. soll danach mit seinem Motorrad zu seinen Eltern nach Überruhr gefahren sein, wo die Polizei ihn in der Nacht festnahm. Seine Schwiegereltern waren durch die Rauchmelder gewarnt worden und hatten das Haus verlassen. Die Miteigentümerfamilie war in Urlaub. Das Haus brannte aus, gilt als nicht mehr zu retten und abbruchreif.
Den Angeklagten wird die Strafjustiz nicht mit voller Härte zur Verantwortung ziehen. Denn Moritz K. gilt als schuldunfähig, ergab das Gutachten der Psychiaterin Marianne Miller. Der Mitarbeiter der Stadt Essen leidet seit Jahren unerkannt an einer "schizoaffektiven Psychose", sagt die Gutachterin. Sie äußere sich in Realitätsverkennung mit wahnhafter Umdeutung echter Erlebnisse, sei verbunden mit "hoher Anspannung, Irritierbarkeit und zunehmender Reizbarkeit".
Erstmals die Brandstiftung gestanden
In einer von Verteidiger Volker Schröder vorgelesenen Erklärung bekennt der Angeklagte sich erstmals zu der Tat. Zunächst bestätigt er Spannungen in der Ehe, aber auch Auseinandersetzungen mit den Schwiegereltern. Als er den Brand gelegt habe, sei ihm bewusst gewesen, dass diese nicht mehr im Haus waren. Davon habe er sich durch das Rütteln an der Tür überzeugt. Ihm sei auch bekannt gewesen, dass die Miteigentümer Urlaub machten.
Seine Absicht sei es gewesen, die eigene Wohnung "unbrauchbar zu machen". Mit dem Ausmaß des Brandes habe er nicht gerechnet. Anwalt Schröder: "Den Vorwurf des heimtückischen Mordversuchs weist er zurück."
Ehefrau berichtet von Rettungsversuchen
Das Schwurgericht vernimmt am ersten Tag auch die Ehefrau und die Schwiegereltern. Die 38-Jährige berichtet von den zunehmenden Schwierigkeiten in der Ehe und ihren vergeblichen Versuchen, etwa durch einen Paartherapeuten, sie zu retten.
Richter Jörg Schmitt spricht gegenüber dem Angeklagten Punkte an, die Außenstehende als Realitätsverkennung einstufen würden. Bei der Stadt Essen hatte Moritz K. in der Abteilung "Baumwesen" gearbeitet. Er prüfte Pläne, wenn Firmen Leitungen verlegen wollten. Dann ging es darum, Bäume und ihre Wurzeln zu schützen.
Besonderes Verhältnis zu Bäumen
Schmitt fragt, ob er ein besonderes Verhältnis zu Bäumen habe und mit ihnen kommunizieren könne. Das will der Angeklagte so nicht bestätigen, spricht von Zufällen. So habe er mal von einem Waldbrand geträumt und am nächsten Tag habe der Wald am Baldeneysee tatsächlich gebrannt.
Hinweise gab es bei einigen Vernehmungen, dass Moritz K. bei seiner Arbeit vor allem Auseinandersetzungen mit der Telekom als schwierig empfand, sich von dem Unternehmen geradezu "verfolgt" fühlte. Seit mehreren Jahren, so hatte er bei der Gutachterin gesagt, habe er sich aus dem Internet beobachtet gefühlt.
Sieben weitere Prozesstage hat das Schwurgericht angesetzt. Rechnen muss er laut Hinweis des Gerichtes mit der Unterbringung in einer geschlossenen Psychiatrie.