Essen. Die Studentin hatte ihn verlassen, seine Kontaktversuche abgewehrt. Da stach der Essener zu. Jetzt muss er für fast zehn Jahre in Haft.

Äußerlich unbewegt nahm Thanushan N. das Urteil entgegen. Dass der 25 Jahre alte Maschinenbaustudent aus Essen am 22. Juli vergangenen Jahres tagsüber und auf offener Straße mehrfach auf seine frühere Freundin eingestochen hatte, wertete das Essener Schwurgericht am Freitag als versuchten heimtückischen Mord. Für die laut Richter Jörg Schmitt "sehr, sehr brutale Tat" erkannte die Kammer auf neuneinhalb Jahre Gefängnis.

Gleich anfangs sprach der Richter die Wurzeln des Paares an. Auf der einen Seite der 1995 in Deutschland geborene Angeklagte, dessen Eltern Tamilen sind. Auf der anderen Seite die gleichaltrige Ex-Freundin, die kurdischer Abstimmung ist. Er nutzte diesen Hinweis aber, um zu betonen, dass für die Tat "kulturelle Unterschiede keine Rolle gespielt haben". Beim Angeklagten führte er weiter aus, dass dieser "völlig integriert" gewesen sei, hier das Abitur gemacht und dann das Studium aufgenommen habe.

Trennung nach fünf Jahren

"Es war ein ganz normales, verliebtes Pärchen", sagte Schmitt. Auf der Gesamtschule hatten sie sich kennengelernt, waren schließlich fünf Jahre ein Paar. Dann passierte, was auch anderen Paaren passieren kann. Die beiden lebten sich auseinander. Der jungen Frau gefiel zuletzt nicht, dass er ihr nicht mehr zuhörte, wenig Freude an gemeinsamen Aktivitäten hatte und wieder Marihuana rauchte.

Ende Mai machte sie Schluss mit ihm. Richter Schmitt ordnete das ein: "Das war nicht schön für ihn, das kommt aber täglich tausendmal vor." Thanushan N. wollte sich damit nicht abfinden, kämpfte um die gleichaltrige Frau. Erschwert wurde die Trennung sicher durch das gemeinsame Maschinenbaustudium, bei dem sie sich noch regelmäßig sahen.

Angeklagter entpuppt sich als Stalker

Die 25-Jährige wehrte die Kontaktversuche des Angeklagten ab, er ließ sich davon nicht beeindrucken, entpuppte sich als Stalker. Das Gericht hatte den WhatsApp-Verkehr der beiden gelesen. Dem sei zu entnehmen, dass der Angeklagte immer aggressiver geworden sei. Zum Schluss habe er Ende Juni gedroht: "Dann werden wir uns im Schlechten trennen."

Er steigerte seine Aktivitäten, nachdem sie ihn in der Uni vor anderen Studenten angefahren hatte, er solle sie in Ruhe lassen. Er ging zu ihren Eltern, warf intime Fotos in den Briefkasten.

Auf offener Straße aufgelauert

Das reichte. Sie ging zur Polizei und zeigte ihn an. "Völlig zu Recht", stellte das Gericht fest. Leider nutzte es aber nichts. Am 22. Juli lauerte der Student ihr auf der Sigsfeldstraße im Nordviertel auf, 9.15 Uhr war es. Von hinten stach er ihr ein Küchenmesser in den Rücken. Als "völlig arglos" bezeichnete das Gericht sie. Körperliche Angriffe des Angeklagten, der sich ihr gegenüber immer als Pazifist bezeichnet hatte, habe sie nicht fürchten müssen, betonte das Gericht.

Thanushan N. lief an ihr vorbei, drehte sich um und stach weiter auf sie ein. Richter Schmitt zählte auf: "Neunmal in die Brust, zweimal in den Hals und einmal in den Kopf." Erst als Passanten kamen, ließ er von der lebensgefährlich verletzten Frau ab und rannte weg. Arbeiter einer benachbarten Baustelle waren ihr zu Hilfe geeilt. Einer hatte im Laufen sein Hemd ausgezogen und damit die Blutungen gestoppt.

In einem Waldstück verborgen

Der Angeklagte verbarg sich in einem Waldstück. Stunden später rief er die Polizei an und stellte sich. Das Gericht hatte seinen Notruf vorgespielt. Richter Schmitt: "So geben andere Leute einen Unfall auf dem Parkplatz an."

Die Verteidiger hatten lediglich von einer gefährlichen Körperverletzung gesprochen. Das Gericht sah aber keinen strafbefreienden Rücktritt und hatte auch keinen Zweifel an der Tötungsabsicht. Schmitt: "Wer so zusticht, in diese Körperbereiche, der will töten."