Recklinghausen. Standesamt und Kirche? Macht doch jeder. Paare, die einen besonderen Ort für ihre Trauung suchen, können ab September „unter Tage“ heiraten.

„Wie sagt man im Bergbau? Vor der Hacke ist es duster!“ 44 Jahre lang arbeitete Bergbauingenieur Bernd-Uwe Seeger unter Tage. Dass sich dort, wo einst bis zu 200 Auszubildende lernten, einmal Brautpaare das Ja-Wort geben würden, damit hätte der 61-Jährige wohl nicht gerechnet. Vor ein paar Monaten erhielt er eine Anfrage von einem Pärchen, das noch in diesem Jahr im ehemaligen Trainingsbergwerk in Recklinghausen heiraten wollte. „Ich dachte: ‚Das muss doch möglich sein!‘“, sagt der Vereinsvorsitzende, der daraufhin Kontakt mit dem Standesamt aufnahm. Und siehe da: Im Oktober findet die Hochzeit statt – „ganz unbürokratisch“, freut sich Seeger.

Neben dem Fördermaschinenhaus „um die Ecke“ hat Recklinghausen damit einen weiteren Trauort, „den nicht jede Stadt vorweisen kann“, so Bürgermeister Christoph Tesche. Ab September können Brautpaare in dem ehemaligen Trainingsbergwerk in Recklinghausen heiraten. „Eine Stadt“, sagt Tesche, „sollte nie vergessen, wo sie herkommt und was sie groß gemacht hat“. Der neue Trauort sei daher auch „ein kleines Dankeschön an den Bergbau“.

Trauzimmer in ehemaligem Schutzbunker

Grubenlampen, Kohle-Stücke und die heilige Barbara, Schutzpatronin der Bergleute: Auch wenn die Trauung in Wahrheit nicht „unter Tage“ stattfindet, Bergbau-Stimmung kommt dennoch auf. Das Übungsbergwerk befindet sich unter der Halde, die ab 1870 mit dem Teufen der Schächte für das Bergwerk Recklinghausen II entstand. Dort, wo sich Paare demnächst das Ja-Wort geben können, war ursprünglich der Eingang zu einem Schutzbunker. Er war während des zweiten Weltkriegs für die Bergleute und Anwohner errichtet worden.

Bernd-Uwe Seeger ist Vorsitzender des Vereins Trainingsbergwerg Recklinghausen. 44 Jahre lang arbeitete der Bergbauingenieur unter Tage.
Bernd-Uwe Seeger ist Vorsitzender des Vereins Trainingsbergwerg Recklinghausen. 44 Jahre lang arbeitete der Bergbauingenieur unter Tage. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Und so tropft es in dem außergewöhnlichen Trauzimmer zwar nicht von der Decke, eng zusammenrücken müssen die Gäste aber trotzdem. Etwa 40 Menschen haben in dem länglichen Raum Platz, der aufgrund seiner Wölbung noch schmaler wirkt. Hinter einem Tisch mit weißer Decke stehen Stühle in rotem Samt – immer vier in einer Reihe. Direkt neben der Tür steht eine kleine Bar mit Zapfanlage. Hier können die frisch Vermählten nach der Trauung mit den Gästen auf ihr Glück anstoßen.

Ehemalige Bergmänner: „Wir haben unseren Beruf zum Hobby gemacht“

Ehemalige Bergleute und Bergbaubegeisterte haben es sich zur Aufgabe gemacht, das Trainingsbergwerk auch nach dem Ende des deutschen Steinkohlebergbaus zu erhalten. Zu dem Verein gehören heute rund 370 Mitglieder. „Wir haben unseren Beruf zum Hobby gemacht“, sagt Dirk Knorn, der für die Wartung und Instandhaltung der Maschinen zuständig ist. „Es macht einfach Spaß“, ergänzt sein Bruder Jörg. „Es ist wie eine große Spielwiese für Männer.“

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Und der ein oder andere Kumpel stand bereits im Hochzeitsanzug im Dreck: Vereinsmitglied Bernd Stock und seine Frau wollten im vergangenen Jahr eigentlich ihre Silberhochzeit feiern. Doch wegen Corona fiel sowohl die Feier als auch die geplante Reise ins Wasser. Als Alternative gab es ein Fotoshooting in weißem Brautkleid und dunkelblauem Anzug. „Er passte noch“, sagt Stock und lacht. Die Bilder hängen in dem Flur, der zum Trauzimmer führt.

Wie den ehemaligen Bergmännern liegt es auch Standesamtsleiter Martin Groll am Herzen, die Bergbautradition aufrecht zu erhalten: „Mein Vater war 40 Jahre lang Bergmann“, erzählt Groll. Und auch wenn er selbst nie in die Grube eingefahren sei: „Ich bin mit dem Bergbau aufgewachsen, kenne die Begriffe.“ Umso mehr freue er sich, das Christoph Tesche ihm die erste Trauung im Oktober überlässt. Denn auch der Bürgermeister führt als Standesbeamter im Jahr etwa 30 bis 35 Trauungen durch. „Ich denke, ich spreche für uns beide, wenn ich sage: ‚Das ist eine sehr erfüllende Aufgabe!‘“, so Tesche – „eine der schönsten Aufgaben, die ich habe“.

Weitere Informationen:

■ Ab September sind Eheschließungen im Trainingsbergwerk in Recklinghausen montags bis mittwochs um 14 Uhr möglich. Individuelle Termine gibt es nur nach Absprache.

■ Der Verein Trainingsbergwerk Recklinghausen berechnet für das besondere Arrangement ein Zusatzentgelt in Höhe von 300 Euro. Eventuelle Kosten für einen Sektempfang kommen noch hinzu.