Duisburg. Dass es nur „potthässlich“ gibt, stinkt Peter Gärtner. Der Duisburger hat sich das Wort „pottschön“ schützen lassen und hofft auf den Duden.
Am Anfang war das Wort „pottschön“. Eine Eigenkreation, liebevoll von Peter Gärtner aus Duisburg vor bald acht Jahren erdacht, gewürzt mit einer Prise Sprachwitz. Es steht für Heimat, ein Gefühl. Ein Ruhri versteht das Adjektiv auf Anhieb. „Pottschön“ erzeugt starke Bilder. Von gestern und heute. Der Rahmen ist da: Sonnenuntergang vor dem Stahlwerk, Oma schwatzend mit Kissen auf der Fensterbank, draußen pöhlen die rotzigen Blagen. Fotografen von überall haben solche Szenen festgehalten. Deutsche und Zuwanderer, alle Malocher, nach der Schicht vereint bei Pommes und Flaschbier anne Bude. Phänomene, Menschen und Kulturen, die Peter Gärtner endlich unter einen Pott-Deckel bringen würde.
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Gärtner gefällt sein „pottschön“ so gut, dass er es gern als lebendiges Motto und Marke sehen möchte. Bereits 2013 hat er „pottschön“ beim Deutschen Patent- und Markenamt in München schützen lassen. Und sich so die alleinigen Nutzungs- und Verwertungsrechte gesichert. Doch die würde er abtreten. Zum Beispiel für den Ruhr-Tourismus. „Ich fände es gut, wenn ‚pottschön‘ über solch einen Weg in die Welt käme.“
Gärtner rührt die Werbetrommel
Auf der Internetseite pottschön.ruhr (2013 eine der allerersten .ruhr-Domains überhaupt) sowie auf Facebook rührt er seit einigen Jahren die Werbetrommel. Und ruft dazu auf, das Wort fleißig zu verwenden. Dabei will er hoch hinaus von der hiesigen Halde auf den Wort-Olymp. Ein Eintrag im Duden! Ginge das? Wir recherchieren: Die Berliner Dudenredaktion fahndet laufend nach neuen Einträgen. Dabei hilft eine Software. Sie durchforstet Riesenmengen elektronischer Texte nach Unbekannten. „Pottschön“ taucht bisher kaum auf … Ließe sich ändern, wenn hier einfach mal alle Redaktionen vom Niederrhein bis ins Sauerland einen Monat in jedem Artikel mindestens einmal das Adjektiv verwenden, oder?
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Duden-Pressesprecherin Dr. Nicole Weiffen lacht. „Pottschön“ gefällt der gebürtigen Westfälin auf Anhieb. Auch sie sieht gleich diese Bilder von früher und heute. Kumpel beim Fußball, die Emscher befreit aus dem Betonbett, der Ruhrschnellweg, Verkehrs-Aorta für Millionen Menschen im größten Ballungsraum Deutschlands. „Schön“ ohne „pott“ gehört zu den 1000 häufigsten Adjektiven der deutschen Sprache mit derzeit 148.000 Wörtern in der jüngsten Auflage von 2020. Aber: Allein der häufige Gebrauch eines Wortes würde nicht für einen Eintrag ausreichen, winkt die Expertin ab. Auch ob ein Wort schwer zu schreiben sei, spiele eine Rolle. Eine regionale Verwendung hingegen sei kein Tabu. Wer kennt hier schon „klaterig“, ein ostfriesischer Begriff für „schlimm, jämmerlich“. Da muss sogar die Duden-Sprecherin passen!
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„Pottschön“, hier gibt’s kein Vertun, mit Doppel-T, wie der Topf. „Pott“ stammt übrigens vom französischen „pot“ (= Topf) und tauchte im 12. Jahrhundert am Niederrhein auf. Die Römer in Trier kennzeichneten Töpferwaren mit der Inschrift „pottus“. Gärtner verweist auf „potthässlich“. Das steht seit der 18. Auflage von 1980 im Duden, so Dr. Weiffen. Das umgangssprachliche Adjektiv wird eher selten benutzt: Einer von fünf schwarzen Balken wird bei der Häufigkeit angezeigt. „Potthässlich“ ist laut Duden „sehr hässlich“. Wäre „pottschön“ dann „sehr schön“? „Nein“, meint Gärtner. So allgemein wolle er sein Kreativwort nicht belegen. Pottschön ist … vielleicht wie Duisburg. Schauen wir auf das Wort-Beispiel in der Bibel der deutschen Sprache: „eine potthässliche Stadt“. Apropos: Seiner Heimatstadt Duisburg hat Gärtner sein Wort schon angeboten.
Ein passendes Logo gibt es auch schon
Gärtner ließ für „pottschön“ auch ein passendes Logo gestalten. Links grau, rechts grün. Wie die A40 im Essener Süden oder eine Wiese am Rhein-Herne-Kanal. Oder gleich wie das ganze Ruhrgebiet – Abenteuerland aus 53 Städten, in dem Einheimische und Touristen was erleben können. Dieser Mix aus einzigartigen Industriedenkmälern, Museen, Rad- und Wanderwegen verdiene dies eine Adjektiv: „pottschön“. All inklusive viel Natur.
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Dass sich Gärtner im Sinne der Heimat einmal so ins Zeug legen würde, überrascht ihn selbst. „Für Arbeitskollegen habe ich 2012 eine Tour durch Duisburg organisiert.“ Der gelernte Nachrichten-Ingenieur liebt die Präzision. Generalstabsmäßig plante er den Besuch der Düsseldorfer Gruppe. Er nahm sein Revier wie ein interessierter Touri in den Blick und erkundete all die neuen und alten Wunder vor der Haustür. Erst danach lud er die Kollegen ein. „Ich habe meine Stadt neu entdeckt und eine größere Sympathie entwickelt“, so Gärtner. Und durch die rosa Brille sei ihm damals besagtes Wort in den Sinn gekommen. „Pottschön“ als Ausdruck einer positiven Grundhaltung, einer selbstbewussten Liebeserklärung an die herbe Revier-Schönheit. „Mir san mir“, verkündet der Bayer und stemmt das Bierglas. Der Berliner steht zu sich, „arm, aber sexy“. Könnte da nicht der Ruhri stolz das „pöttische“ Pendant rufen? Der Pott ist schön, kurzum „pottschön“.
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„Pottschön“-Gegner stört zu viel Revierromantik. Sie winken dankend ab und erinnern an den Strukturwandel: Zechen dicht, Stahlproduktion verlagert. Alles Fotos fürs Museum. Die Suche nach einer neuen Identität hat auch Gärtner im Blick. „Kohle und Stahl bieten der Region schon lang keine Perspektive mehr. Es gilt, soziale und wirtschaftliche Herausforderungen und viele weitere Aufgaben zu meistern.“ Dennoch: „Wir Ruhris sind doch stolz darauf, schwierigste Situationen gemeinsam meistern zu können“, unterstreicht er. Zurück zur Wort-Idee. Die trägt das Happy End klar in sich. Da schließt sich der Kreis. „Grün ist die Hoffnung, auch im Logo.“ So soll es aufwärts gehen im Revier. „Vor allem in den Köpfen seiner Bewohner“, findet Gärtner. Das wäre doch „pottschön“!
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So tickt der Pott
Essen is fettich! Die Sprache des Potts verkasematuckelt „Komme bei den Oppa“ (Verlag Ellert & Richter, 12 Euro) mit Ruhri-Alphabet und Sprachführer durch unseren Revier-Alltag. Auch denjenigen, die dat und wat außerhalb der Region salonfähig gemacht haben, werden kleine Porträts gewidmet – von Kumpel Cerwinski bis Herbert Knebel. Im gleichen Verlag und ebenfalls von Autor Rolf Kiesendahl, hier gemeinsam mit Sylvia Lukassen, erschien jüngst „Ruhrgebiet für Kenner: Wahres, Rares, Erstaunliches“ (12 Euro), mit Tipps für Tagesausflüge. Wie zur Villa Hügel, von der man erfährt, dass sie mit ihren 269 Räumen im Grundbuch als Einfamilienhaus geführt wird.
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