Bochum/Bad Nauheim. In Bad Nauheim wird Deutschlands erstes Elvis-Standbild aufgestellt. Möglich gemacht hat es eine Bochumerin – mit Know-how aus dem Revier.
Die Armbanduhr des Gefreiten Presley zeigt fünf nach halb vier, als der Fotograf auf den Auslöser drückt. In fescher Ausgehuniform posiert der prominente Besatzungssoldat im März 1959 an einem Brückengeländer in Bad Nauheim für die Kamera. Anderthalb Jahre lang ist die hessische Kurstadt damals Elvis’ Zuhause fern der Heimat. Am kommenden Freitag kehrt der King nach 61 Jahren zurück: Aus Bronze lehnt er dann an exakt derselben Stelle am frisch renovierten Brückengeländer – detailgetreu vom Uniformknopf bis zum Uhrzeiger.
Dass bald Besucher aus aller Welt in Bad Nauheim Selfies mit Elvis schießen können, haben sie Angela Storm und Meike Berger zu verdanken. Die Fans und Freundinnen kommen dabei nicht aus der Gegend, sondern aus Lübeck (Storm) und Bochum. Nach Bad Nauheim, der Elvis-Pilgerstätte in Europa, fahren Sie regelmäßig gemeinsam, seit sie sich vor 15 Jahren auf einem Fan-Event in Soest kennenlernten. Ein großes Elvis-Festival im Sommer hat die Kurstadt mittlerweile, auch eine kleine Gedenkstele für den einstigen Promigast. Doch das reichte den beiden nicht: „In China, in Australien, in Brasilien, in Las Vegas – überall stehen Elvis-Bronzen. Nur in Deutschland nicht, wo er die längste Zeit außerhalb der USA verbracht hat. Das kann doch nicht sein“, so Meike Berger. Deshalb entschieden die Freundinnen vor drei Jahren: „Wir wollen Elvis ein würdiges Denkmal setzen!“
Die Stadt brachte die Brücke ins Gespräch
Doch wie geht man sowas an? „Wie haben einfach die Stadt gefragt, ob sie eine Elvis-Bronze haben wollen, wenn wir uns um die Finanzierung kümmern,“ erzählt die Bochumerin, die den King schon als Sechsjährige im Fernsehen kennen- und schätzen lernte. Dem großzügigen Angebot der leidenschaftlichen Fans stand die Bad Nauheimer Verwaltung aufgeschlossen gegenüber. Wie ihr Elvis aussehen sollte, wusste das Duo schon: „Elvis war als Soldat in Deutschland, er hat hier keine Konzerte gegeben. Deshalb war für uns klar, wir ziehen dem jetzt keinen Jumpsuit an, sondern der kriegt seine Army-Uniform“, so Meike Berge, die in Bochum als Sozialarbeiterin bei der Stiftung Overdick arbeitet. Die Stadt brachte schließlich die Brücke von dem in Fankreisen bekannten Elvis-Foto als Standort ins Spiel – denn die musste eh gerade saniert werden.
Die beiden Frauen sammelten überall für ihr Projekt
Fehlte nur noch: das Geld. Ein Crowdfunding-Konto musste her, und unter dem programmatischen Titel „Elvis in Bronce“ trugen Storm und Berger die Kunde von ihrem Projekt via Social Media in die Welt. Auch ganz analog gingen die beiden auf Spendenfang – mit der Sammelbüchse in der Hand: „Wir hatten einen Stand auf dem Elvis-Festival, wir haben bei ,Elvis, das Musical’ gesammelt, wir sind zu Vereinen gefahren“, so Meike Berger. Mit 20.000 Euro hatte man anfangs gerechnet, letztlich kostete das Projekt knapp doppelt so viel.
Die Augen waren besonders schwierig
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Schließlich die Frage: Wer entwirft eigentlich Elvis’ Abbild in Bronze? Die Wahl fiel nicht auf einen klassischen Bildhauer, sondern auf das Mülheimer Unternehmen „Ego3D“. Nach der Vorlage des historischen Fotos sollte Elvis plastisch und in Lebensgröße im 3D-Drucker Gestalt annehmen. Klingt einfach, war es aber nicht. „Man hat uns eine erste Vorlage geschickt, und wir haben gedacht: ,Ach du Schreck, der sieht ja gar nicht aus wie Elvis‘“, erinnert sich die 46-jährige Bochumerin. „Die Firma war eigentlich zufrieden, aber wir als Fans sehen natürlich deutlich kritischer hin.“ Kurz: Es musste nachgebessert werden, assistiert vom doppelten Kennerblick: „Wir sind nach Mülheim gefahren und haben uns rechts und links neben den PC gesetzt.“ Dort saß der digitale Bildhauer und modellierte den King nach Anleitung Stück für Stück im Detail. „Wir waren zwei oder drei Mal mit dicken Stapeln Bildern da und haben den ganzen Tag an Feinheiten gearbeitet. Am Gesicht und vor allem an den Augen.“ Die waren besonders schwer, wie Meike Berger erkennen musste: „Elvis hatte einen ausdrucksstarken Blick und sehr dichte Wimpern. Aber wir reden von einer Bronzestatue – da ist nichts mit Wimpern, die kann man nicht in Bronze gießen.“
200 Stunden Arbeit
Nach insgesamt 200 Stunden – Fan-Freunde aus der Szene recherchierten u.a. sogar die historisch korrekten Army-Abzeichen – war der gedruckte Elvis aus Mülheim schließlich fertig. Was noch fehlte, war der Bronzeguss – und das Geld dafür, immerhin knapp die Hälfte der Gesamtkosten. Auftritt für einen weiteren Bochumer in dieser Geschichte: Michael Wesselmann, ebenfalls treuer Elvis-Fans und dennoch Meike Berger bis dato unbekannt. „Ein gemeinsamer Bekannter gab uns den Tipp, ihn nach einer größeren Spende zu fragen“, erzählt sie. Der 53-jährige Privatier – vor vier Jahren verkaufte er sein Unternehmen „Wahlkampfwerbung Wesselmann“ – besitzt selbst kostbare Elvis-Sammlerstücke wie signierte Kleidungsstücke und war begeistert von der Elvis-Statue: „Ich hab gesagt, da springe ich gerne ein, ich übernehme den kompletten Bronzeguss“, so der Wattenscheider.
Der King entsteigt dem Feuer
Im letzten Herbst war es deshalb soweit: In der Gießerei entsteigt das bronzene Abbild des King dem Feuer. Für Meike Berger und Angela Storm ein bewegender Moment: „Als wir ihn zum ersten Mal sahen, sind Tränen geflossen.“ Längst könnte er schon auf seiner Brücke stehen, doch Corona verzögerte Elvis‘ Bad-Nauheim-Comeback. Nächsten Freitag, zum jährlichen Elvis-Festival, wird er endlich enthüllt – um auf Instagram & Co. um die Welt zu gehen. Mit dabei: Fans, Presse, Stadtoffizielle – und mit Meike Berger, Michael Wesselman und Immanuel Günther von Ego3D auch drei Menschen aus dem Ruhrgebiet, die mitgeholfen haben, dass Deutschland seinen ersten Bronze-Elvis bekommt.
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