Essen/Hamburg. Personalisierte Promi-Videobotschaften auf Bestellung werden immer beliebter in Deutschland. Nicht nur, wenn sie von Ralf Richter kommen.
Er hat nicht viel. Nur ein paar Stichworte und Namen. Aber das reicht Ralf Richter, um daraus etwas Persönliches zu machen. Mal zum Geburtstag, mal zum Hochzeitstag, zur bestandenen Prüfung oder einfach so. Ralf gratuliert, macht ein paar Witzchen oder Mut. Und er macht das so, wie nur Richter das machen kann. Oder sein Alter Ego Kalle Grabowski. „Shoutout“ oder „waves“ nennen sich diese personalisierten Videobotschaften auf Bestellung, die derzeit immer beliebter werden in Deutschland. Nicht nur Ralle Richter.
Allein „wewave“, die Agentur, bei der Richter unter Vertrag steht, hat fast 100 mehr oder weniger bekannte Promis zu Preisen zwischen 10 und 100 Euro pro Video im Angebot. Dazu zählen neben Richter sein TV-Kumpel Martin Semmelrogge, die Hamburger-Kiezgröße Kalle Schwensen, diverse Ex-Fußballer wie Hansi Müller, Uli Borowka oder Jens Nowotny, Moderatoren von Spartensendern, Sternchen aus Soaps, Reality TV-Helden sowie Evil Jared Hasselhoff. Letztgenannter ist nicht mit David verwandt, sondern Bassist bei der Bloodhound Gang und Commissioner der Bier Pong Liga, einem vor allem bei Jugendlichen extrem beliebten Trinkspiel mit Bierbechern und Tischtennisbällen.
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Kontakt zwischen Kunde und Promi
wewave ist nicht allein in Deutschland. Memmo, Shoutout, Chattyco oder Fandreams heißen ähnliche Angebote. Bei den einen steht Wolff-Christoph Fuss unter Vertrage, bei den anderen sind es Reiner Calmund oder der Comedian Markus Krebs. Bekanntere Frauen: Carmen Geiss, Ella Endlich, Sonja Zietlow, Ulrike von der Groeben oder Jahrhundert-Playmate Gitta Saxx. Vieles ist ähnlich auf den Portalen. Sie vermitteln den Kontakt zwischen Kunden und Promi und kassieren dafür Prozente. Bei dem Hamburger Start-Up „wewave“ allerdings müssen die Promis mindestens zehn Prozent ihrer Einnahmen für wohltätige Zwecke spenden. „Das war für uns von Anfang an ein ganz wichtiger Punkt“, sagt Oliver Schulze (43), der das Unternehmen zusammen mit seinem Berufsschul-Kumpel Henning Manninga gegründet hat.
Grüße per Video in einer Zeit, in der persönliche Begegnungen kaum stattfinden – ein Corona-Idee also? „Könnte man meinen“, sagt Schulte. Ist aber nicht so. „Die Idee hatten wir schon 2019.“ Da erinnerte sich Manninga an Frank Zander, der in den 1990er-Jahren personalisierte Geburtstagsständchen sang, auf CD brannte und verschickte. „Das haben wir aufgegriffen.“ In den USA hat das auch jemand gemacht, obwohl er Frank Zander wahrscheinlich nicht kennt. Dort gibt es bereits seit 2017 die Urmutter aller Shoutout-Dienste, die sich Cameo nennt (Filmsprech für Gastauftritt).
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In Deutschland war der Start nicht einfach. Schulze und Manninga rannten keine offenen Türen ein „Das war eine Sache, die man den meisten Promis erst einmal nahe bringen musste“, sagt Schulze. Richter allerdings war schnell überzeugt. „Ich fand das sofort gut“, erinnert sich der 63-jährige im Gespräch mit der Sonntagszeitung. Er kannte Sonderwünsche von Fans ja schon. Hier ein Foto, da ein Autogramm mit Spezial-Widmung. „Ralf, machst du mal?“ „Kalle, kannst du mal…?“ Kalle konnte und Ralf machte. „Fanbetreuung“, sagt er. Ist halt Ruhrpott. „Da macht man so was.“ Aber mit den Videos, findet der gebürtige Essener, „bekommt das ja eine ganz neue Qualität“.
Da will er selber nicht zurückstehen. 95 Euro kostet ein Shoutout von ihm. „Das ist“, weiß er, „für viele Leute viel Geld, gerade in diesen Zeiten“. Dafür sollen sie auch was bekommen. „Da musst du was abliefern, alles andere wäre unfair.“ Technisch ist das für Richter und Kollegen kein Problem. Sie alle haben eine App von wewave bekommen, auf der die Anfragen der Interessenten landen. „Willi hat Geburtstag, ist begeisterter Hobby-Kicker, hat aber ein paar Pfunde zu viel auf dem Leib und keine Puste mehr.“ Oder: „Mein Sohn Oliver hat seinen Bachelor gemacht, ist aber traurig, weil er nicht feiern darf im Augenblick.“
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Mit viel hömma und sachma
Echtes Leben eben, aus dem Richter dann eine Nachricht macht. Mal 30 Sekunden lang, mal auch zwei Minuten. Gratulierend, aufmunternd, Mut machend, witzig – vor allem aber „Grabowski like“. Mit viel hömma und sachma, der reviertypischen Direktheit, und stets von Herzen. Dat is Ruhrpott pur, aber mit jeder Menge Vorbereitung und dann ins Tablet gequatscht und abgeschickt an den Auftraggeber. „So ein Video machse nicht zwischen Tür und Angel“, sagt Richter. Er überlegt sich was, ist quasi immer was am Planen dran. Vieles lernt er auswendig, denn: „Wenn das so aussieht, als würdest du alles ablesen, ist das nicht schön.“
Die Mühe lohnt sich. „Ich bekomme jede Menge Anfragen“, sagt Richter. Auch ungewöhnliche. „Einer hat neulich seine Jugendliebe nach vielen Jahren im Internet wiedergefunden. Für den war ich praktisch so eine Art Brautwerber.“ Firmen können sich übrigens zwecks Werbung auch melden. Ist dann aber teurer, kostet 750 Euro. „Dafür bisse dann aber auch lange Gesprächsthema in den sozialen Medien.“ Ein Architektenbüro hat ihn wohl deshalb auch schon mehrfach gebucht.
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Kunden der Generation Bang Boom Bang
„Die meisten privaten Kunden sind älter.“ Bang-Boom-Bang-Generation, auch mal „Das Boot“ oder „Rote Erde“. „Ich habe ja nicht so viele Filme gemacht wie manch anderer Kollege. Aber die, die ich gemacht habe, sind oft Kult geworden.“ Vor allem im Ruhrgebiet, aber nach Richters Erfahrungen nicht nur da. „Es melden sich Leute aus dem ganzen Land.“
Das kommt auch den Offroad-Kids zugute, einer Hilfsorganisation für Straßenkinder, Ausreißer und junge Obdachlose in Deutschland. An sie geht Richters Spendenanteil. „Die können es gebrauchen.“ Jetzt, aber auch wenn Corona irgendwann endlich einmal Geschichte ist. „Ich hoffe nicht, dass sich die Sache nach Corona erledigt hat“, sagt der Schauspieler. „Ich würde jedenfalls gerne weitermachen.“
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Wewave wäre es erwartungsgemäß recht. „Wir haben“, erzählt Schulze, „noch jede Menge Wunschkandidaten, die wir gerne für die Plattform gewinnen würden.“ Zum Beispiel? „Tom Gerhardt und Christoph Maria Herbst wären schon toll.“
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