Essen. Ansturm vor der Ruhe. Warum kurz vor dem Lockdown in vielen Städten der Ruhrgebietes noch jede Menge los ist.

Alles muss raus. Zwei Tage vor dem Lockdown ist in vielen NRW-Innenstädten eine Rabattschlacht ausgebrochen. Und manch einer scheint die kommenden ruhigen Tage mit der Renovierung seines Hauses verbringen zu wollen. Am liebsten übrigens mit gut geschnittenem Haar.

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Die ersten Männer und Frauen mit Kamm und Schere in der Hand werden in Bochum bereits um kurz nach sieben in ihren Läden gesehen. Und es ist gerade erst richtig hell geworden, da stehen die Telefone beim „Coiffeur Le Figaro“ in der Innenstadt nicht mehr still. Weil viele Kunden die Haare noch schön haben wollen vor Weihnachten. Und vor Weihnachten heißt in diesem Fall vor Mittwoch. Vor dem Lockdown.

Haare schneiden bis um Mitternacht

Mirko Schoroth, Friseurmeister und Inhaber des Salons Pure in Essen arbeitet in diesen Tagen bis spät in die Nacht.
Mirko Schoroth, Friseurmeister und Inhaber des Salons Pure in Essen arbeitet in diesen Tagen bis spät in die Nacht. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

„Kann ich noch kommen?“, fragen die Anrufer. Oder: „Haben Sie noch einen Termin für mich?“. Anfangs kann Bünyamin Altun noch „Ja“, sagen. Stunde um Stunde hat der Chef des Friseurbetriebs dafür die Öffnungszeiten nach hinten geschoben. 22 Uhr? 23 Uhr? „Man wird sehen.“ Mirko Schoroth, Inhaber des Salons „Pure“ in Essen-Rüttenscheid, der montags eigentlich geschlossen hat, will an beiden Tagen gar bis Mitternacht schneiden. Interessenten gibt es offenbar genug. „Viele denken sich: besser ein später Haarschnitt als gar keiner.“

Aber auch dieser Tag hat am Ende nur 24 Stunden. Und der Dienstag hat nicht mehr. Schroth hat am Montagnachmittag noch ein paar Termine, Altun nicht. „Tut mir leid, nichts mehr frei“, muss er schon um kurz vor halb zehn sagen. Und viele andere Friseure im Revier müssen das wenig später auch. Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks, spricht dann auch von einem „riesiger Kundenansturm“.

Rabattschlacht in der Fußgängerzone

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Den gibt es in den Innenstädten des Ruhrgebietes auch. Nicht überall, nicht zu jeder Uhrzeit, nicht vor jedem Laden, aber so oft, dass den meisten Virologen die Haare zu Berge stehen dürften. Was nicht nur daran liegt, dass manche immer noch auf der Suche nach den letzten Weihnachtsgeschenken sind, sondern vor allem daran, dass der Handel zur Schnäppchenjagd geladen hat. Die Preise in vielen Geschäften fallen jedenfalls schneller als die Aktien am Schwarzen Freitag. „Lohnt sich echt heute“, sagt ein junges Pärchen in der Dortmunder Fußgängerzone, das „gleich noch raus zum Möbelhaus“ will. „Das soll jetzt auch alles viel billiger sein.“

Vor vielen Geschäften bildeten sich auch gestern längere Schlangen.
Vor vielen Geschäften bildeten sich auch gestern längere Schlangen. © dpa | Sebastian Willnow

30, 50, teilweise sogar 70 Prozent gibt es jedenfalls in den Innenstädten. Besonders günstig ist alles, was auch nur entfernt an Weihnachten erinnert, denn: „Wer kauft Mitte Januar noch „Weihnachtskugeln?“, fragt eine Ladenbesitzerin. „Wenn wir dann überhaupt schon wieder öffnen dürfen.“ Ganz wohl, gibt sie zu, sei ihr bei der Aktion auch nicht aber „ich habe keine Wahl“. „Langsam wird es eng, es ist ja schon der zweite Lockdown.“

Letzte Besorgungen im Baumarkt

Für die Baumärkte in NRW ist es der erste. Aber für Anja und Thomas Schmidt kommt er überraschend. „Hätten wir nicht gedacht.“ Schnell sind sie gegen Mittag gekommen und wuchten nun ein paar große Eimer Farbe in den Kofferraum ihres Autos. „Nach Silvester wollen wir den Flur streichen“, sagt die 53-Jährige. „Man muss die Zeit irgendwie nutzen. Sonst kann man ja nichts machen.“

Kein Einzelfall. Man erwarte bis Dienstagabend schon eine „erhöhte Kundenfrequenz“, heißt es auf Anfrage bei der Bauhaus-Kette. Und andere Märkte erwarten vor allem für den frühen Dienstagabend „ein volles Haus“. Und dann, ab Mittwoch? Man hoffe, so Bauhaus, auf eine ähnliche Regelung wie in Sachsen. Wo die Corona-Schutzverordnung einen Lieferdienst erlaube. „100 Euro Mindestbestellwert, dann bringen wir die Ware in einem Umkreis von 20 Kilometern vorbei.“ Außerdem gebe es für Profi-Handwerker weiterhin die Möglichkeit, Ware abzuholen.

Handwerker sehen keine Probleme

Selbst wenn letzteres in NRW nicht möglich sein sollte, ist das angeblich kein Grund zur Sorge. „Die meisten Firmen kaufen ihre Sachen beim Fachhandel“, sagt etwa Ralf Marx, Obermeister der Innung für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Dortmund und Lünen. Und der sei weiterhin geöffnet, Engpässe seien jedenfalls nicht zu erwarten.

Lang vereinbarte Termine könne man deshalb halten, bei Notfällen helfen. „Wenn etwas kaputt geht zu Hause, einfach anrufen“, sagt Marx und spricht dabei nicht nur für seine Innung. „Wir kommen.“