Ruhrgebiet. Essen, Duisburg, Herne, Hagen, Unna: Immer mehr NRW-Städte reißen bei den Corona-Infektionen den kritischen Wert. Welche Regeln gelten wo?

Die Sätze der Enttäuschten beginnen alle gleich: „Wir wären jetzt...“ Auf dem Weg nach Norddeich, schreibt Petra. Unterwegs nach Juist, sagt Nadja. Nach Greetsiel, an die Ostsee, nach Bayern. Allerdings, „der Traum ist geplatzt“, die Kinder sind traurig, die Pläne dahin, viele Nun-doch-nicht-Urlauber „maximal angekotzt“: Sie kommen allesamt aus Herne. Corona-Risikogebiet. Das Beherbergungsverbot der meisten Bundesländer bremste Reisende aus betroffenen Städten ausgerechnet am ersten Ferienwochenende aus. Endlich Ferien? Eigentlich Ferien…

Die Regelung sei „sehr unglücklich“, findet Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD), auch viele Virologen haben die neue Regel zur Eindämmung der Pandemie kritisiert. Aber es hilft nichts, beschlossen ist beschlossen: Gastwirte in fast ganz Deutschland dürfen Urlauber aus Risikogebieten nicht mehr aufnehmen. Und dieser Risikogebiete werden auch im Ruhrgebiet immer mehr: Herne, Hagen, Hamm, Unna, seit Sonntag Essen. Auch der Kreis Recklinghausen mit den Städten Gladbeck, Herten und Recklinghausen selbst gehört dazu. Am Montag rutschte auch Duisburg über den kritischen 50er-Wert.

Gäste weiter reduziert: Brautpaar sagt Hochzeit kurzfristig ab

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Sie alle haben einen Inzidenzwert von mehr als 50 erreicht oder schon weit überschritten. Das heißt, dass sich innerhalb der vergangenen sieben Tage mehr als 50 Menschen in der Stadt, gerechnet auf 100.000 Einwohner, mit dem Corona-Virus angesteckt haben.

Das hat Folgen – nicht nur für den geplanten Urlaub. Zum Beispiel dürfen nach den bisher geltenden Regeln des Landes NRW dann nur noch maximal 25 Menschen zusammen feiern. Für ein Brautpaar aus Herne bedeutete das bereits am Freitag: Die geplante Hochzeitsfeier, wegen der steigenden Ansteckungszahlen schon kurzfristig auf 50 zusammengeschrumpft, hätte noch einmal halbiert werden müssen – und wurde dann lieber ganz abgesagt. Als das Paar eigentlich vor dem Altar stehen wollte, räumten Bräutigam und Schwiegermutter im Restaurant die Deko ab, der Wirt blieb auf dem Rinderbraten sitzen.

Essen: „Ausnahmen sind nicht möglich“

Einziges Mittel, um in den meisten Bundesländern. urlauben zu können: ein negativer Corona-Test.
Einziges Mittel, um in den meisten Bundesländern. urlauben zu können: ein negativer Corona-Test. © dpa | Kay Nietfeld

In Essen (Inzidenzwert 57,3), das seit Sonntag offiziell „Hotspot“ ist, tritt ab Montag eine neue Allgemeinverfügung in Kraft: Private Feiern zu besonderen Anlässen im öffentlichen Raum sind auch hier dann nur noch mit höchstens 25 Gästen erlaubt. Sind mehr als elf geladen, muss die Feier drei Tage vorher beim Ordnungsamt angemeldet werden. Diese Regel gilt auch für Beerdigungen. Die Stadt betont: „Ausnahmen sind nicht möglich.“

Wer sich einfach so treffen will, etwa in der Kneipe, darf in Essen nur noch zu sechst sein. Das gilt auch in Herne(Inzidenzwert 86,3). In Köln (59,7)sind es fünf, in Hamm(64,2), Hagen (71,0) und im Kreis Recklinghausen (56,8) ebenfalls. Für private Partys gibt es in den meisten Städten lediglich eine Empfehlung, nicht oder nur mit wenigen Leuten zusammenzukommen. Nur Hamm ist da rigider: Mehr als 25 sind nicht drin, auch das muss genehmigt werden. „Eine WG-Party eng an eng“, sagte ein Stadtsprecher, „können wir gerade nicht erlauben.“ Als zehnte Region in NRW wurde am Montag Duisburg (50,1) in die Liste der Risikoregionen aufgenommen. Welche Regeln hier dann werden, das wird die Stadt noch festlegen.

Dortmund erreicht die (Vor-)Grenze von 35 Neuinfektionen

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In Dortmund (36,2), das am Samstag die vorsorgliche Marke von 35 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner riss, bei der erste Maßnahmen einzuführend sind, sind bei Feiern noch bis zu 50 Teilnehmer erlaubt. Für jenen Tag drückte die Stadt noch ein Auge zu: „Für heute angemeldete und genehmigte Feiern mit bis zu 150 Gästen können jedoch noch stattfinden.“ Man wolle, hatte Oberbürgermeister Ullrich Sierau am Freitag gesagt, „durch die gezielte Ansprache verschiedener Milieus an deren Verantwortungsgefühl appellieren“. Die hohen Zahlen in Hamm gehen unter anderem auf eine türkische Großhochzeit Anfang September zurück, die auch in Dortmund stattfand. Polizeieinsätze wie am Wochenende zuvor, als zwei große Feierlichkeiten mit deutlich mehr Gästen aufgelöst werden musste, meldete Dortmund am Sonntag zunächst nicht.

Liste im bayerischen Hotel nicht aktuell: „Bis dahin sind wir weg“

Auch mit Maskenpflicht und Alkohol halten die Städte es unterschiedlich. Essen verlangt den Mund-Nasen-Schutz ab Montag in städtischen Gebäuden und an weiterführenden Schulen, die aber im Moment ja Ferien haben. Der Kreis Recklinghausen will die Maske in Schulen, Kitas, öffentlichen Gebäuden und in Fußgängerzonen einführen. Köln hat das letzteres bereits getan: In Nordrhein-Westfalens größter Stadt (Inzidenzwert 57,9) gilt die Pflicht seit Samstag in belebten Einkaufsstraßen. Das aber wussten die Wenigsten – und hielten sich am Wochenende meist nicht daran. Auch nicht an das Alkoholverbot im öffentlichen Raum ab 22 Uhr. Die Stadt stockte ihr Ordnungspersonal nicht extra auf. Essen und Herne sehen von Sperrstunden und Alkoholverboten zunächst ab.

Schnell noch ein Test vor dem Urlaub: Viele Menschen müssen ihrer Urlaubs-Unterkunft eine Bescheinigung vorlegen, dass sie negativ sind – und stehen dafür stundenlang an.
Schnell noch ein Test vor dem Urlaub: Viele Menschen müssen ihrer Urlaubs-Unterkunft eine Bescheinigung vorlegen, dass sie negativ sind – und stehen dafür stundenlang an. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Bleibt das Beherbergungsverbot. Das gilt für alle, aber nicht überall: etwa nicht in Nordrhein-Westfalen selbst, obwohl es derzeit das Flächenland mit den höchsten Neuinfektionszahlen ist. Und auch nicht Berlin, das selbst Risikogebiet ist. Ein Gladbecker berichtete am Sonntag von seinem Hotel in Bayern, das erst am Dienstag eine neue Liste mit Risikogebieten bekommt: Noch steht seine Stadt nicht drauf, „bis dahin sind wir weg“.

Lange Schlangen vor Testzentren

Was hilft, um am geplanten Urlaubsort doch eingelassen zu werden, ist ein negativer Corona-Test, nicht älter als 48 Stunden. Nur: In den meisten Städten NRWs und überall im Revier wird nach wie vor nur getestet, wer Symptome hat, Kontakte zu Infizierten hatte oder schon in einem Risikogebiet war. Nun auch noch Menschen zu testen, die eine Unbedenklichkeits-Bescheinigung brauchen, so heißt es fast überall in Testzentren und Laboren, sei nicht zu schaffen.

Nächster Corona-Testtermin: nach den Herbstferien

An den wenigen privaten Teststellen, etwa in Düsseldorf und Köln, wurden die Warteschlangen am Wochenende lang und immer länger. Und selbst wenn das Ergebnis schon Anfang der Woche käme: Bei Bettenwechseln in den Urlaubsgebieten am Freitag und Samstag sind die ersten Ferientage wohl schon futsch. In Dortmund eröffnet das Klinikum am Montag eine Teststelle für Selbstzahler; so groß ist der Run, dass der erste freie Termin am 28. Oktober zu bekommen ist.

Dann sind die Herbstferien allerdings vorbei.

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