Ruhrgebiet. Zehntausende sind am Samstag angetreten, um Ruhr und Rhein von Müll zu befreien. Sie laufen, sie tauchen – und manche kommen mit dem Drachenboot.

Am Kemnader See verstößt der Polizeisportverein gerade gegen die Regeln. „Takelsteg – Nur für Segler“ steht unübersehbar auf einem Schild, aber die sieben Männer und Frauen hier schicken sich eher an, in ein Drachenboot zu steigen. „Ihr sammelt, wo Fußtruppen nicht hinkommen“, sagt Frank Plewka, der hier der Vorsitzende ist und ansonsten 1. Kriminalhauptkommissar. Dann legt das Boot mit dem Schriftzug „Polizei Bochum“ ab, um Müll zu sammeln. Wer soll da meckern?

Zehntausende Freiwillige treten am Samstag an, um an Ruhr, Rhein und Mosel Müll zu sammeln. Deutsche, Holländer, Franzosen; Parteiverbände, Umweltgruppen, Dorfgemeinschaften; Feuerwehren, Lebensretter, Sportvereine – und wer keiner Gruppe angehört, kann sich an diesem Tag auch alleine oder als Paar zu den Guten schlagen. Ziehen Handschuhe an, greifen zur Zange, nehmen sich einen großen Plastiksack – und los.

Beim ersten Putz am Rhein fanden sie 2018 170 Tonnen Müll

Auch in der Rheinaue bei Mündelheim sind die freiwilligen Helfer unterwegs.
Auch in der Rheinaue bei Mündelheim sind die freiwilligen Helfer unterwegs. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

An der Ruhr ist es die erste derartige Aktion unter dem Titel „Ruhr Clean Up“ – Nachfolger der „Aktion Saubere Ruhr“, die in der Vergangenheit immer die Angelsportvereine organisierten. „Lokale Dreckweg-Tage gab es bereits viele, aber wir wollen etwas organisieren, was wirklich Wirkung hat“, sagt der Clean-Up-Mitinitiator Joachim Umbach. 2018 schaffte die erste derartige Aktion am Rhein nach seinen Angaben 170 Tonnen Müll weg.

„Wir sind mitverantwortlich“, sagen die Leute, oder: „Wir halten uns hier auf, da wollen wir es auch sauber haben.“ Annette Bölsch sagt etwa: „Ich finde es richtig, sich einzubringen, praktisch etwas für die Umwelt zu tun und nicht nur zu reden.“ Eisstiele hat sie schon gefunden, Kronkorken, Zigarettenkippen, Bonbonpapiere – „alles, was man so im Vorbeigehen verlieren kann“.

Taucher holen aus dem Fluss Rollator, Roller, Grill, Verkehrsschild

Zehn Kilometer weiter westlich an der Ruhr, da, wo Hattingen, Essen und Bochum einander zurufen könnten, sind gerade zwei Taucher im Wasser verschwunden. Sie suchen die Rahmen dreier Motorräder, von denen die DLRG weiß, dass sie hier lagen – zumindest vor dem letzten Hochwasser. Sie können also auch längst nach Kettwig gespült worden sein.

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Der Rollator, den die Männer in 3,50 Meter Wassertiefe fanden, der ist schon weggeschafft worden. Auf dem Haufen der Unterwasserfunde liegen nun eine Bierflasche, ein verrotteter Roller, Grill, Grillschale, ein Verkehrsschild mit dazugehörigem Pfosten – was man halt in einem Fluss so findet. „Die machen sich die Mühe und reißen das Schild da oben ab, um es dann hier in die Ruhr zu werfen“, sagt ein fassungsloser Torsten Kelle.

„Gesellschaft funktioniert nur mit Leuten, die sich einbringen“

Kelle gehört zur DLRG Linden-Dahlhausen und erzählt nun von einem Ford Transit, den man früher schon hier fand: „Gestohlen, leergefahren, ins Wasser damit.“ Da wird gerade noch ein altes Metallrohr aus dem Wasser gereicht, kommt über die Taucher und die freiwilligen Feuerwehrleute auf dem Schrotthaufen an. Irgendwann die Tage kommt die städtische Müllabfuhr und fährt die Beute der Sammler auf die Kippe.

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Herr Kelle, was sagen sie denn, wenn argumentiert wird, solche Sammelaktionen seien ein falsches Signal? Hinter denen herzuräumen, die nicht begreifen? Da muss Kelle gar nicht überlegen: „So funktioniert Gesellschaft nicht“, sagt er: „Gesellschaft funktioniert nur mit Leuten, die sich einbringen.“ 3000 sind es allein an der Ruhr, schreiben die Veranstalter in einer ersten Bilanz am Nachmittag: 3000, die sich einbringen. Und 20 Tonnen wegschaffen.